Schweizer Bergbaukonzerne beteiligen sich kaum am Kampf gegen Korruption
Der Rohstoffsektor ist besonders korruptionsanfällig. Zwei internationale Initiativen versuchen, die Zahlungsströme transparenter zu machen.
Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt, obwohl sie keine Bodenschätze besitzt. Obwohl? Nein, die Schweiz ist reich, weil sie keine Rohstoffe hat. Bodenschätze sind ein Fluch: 60 Prozent der ärmsten Menschen der Welt, die mit weniger als zwei Franken pro Tag auskommen müssen, leben in Staaten, die reich an Bodenschätzen sind. In Ländern mit grossen Rohstoffvorkommen sind die Staatseinnahmen von der allgemeinen Wohlfahrt entkoppelt. Das Geld fliesst, auch wenn das Volk hungert. Und diese Geldflüsse werden von einigen Wenigen kontrolliert. In einer diversifizierten Volkswirtschaft wie der Schweiz erarbeiten Tausende Unternehmen das Volkseinkommen. In Rohstoffländern ist dies nicht der Fall. Oft ist ein einziges Unternehmen mit dem Abbau und dem Verkauf der Schätze betraut. Diese Konstellation fördert Korruption, denn wer an der Quelle sitzt, hat einen oft unwiderstehlichen Anreiz, etwas für sich abzuzweigen.
Um den Ressourcen-Fluch zu brechen, hat Tony Blair, der damalige britische Premier, anno 2002 die «Extractive Industries Transparency Initiative» (Eiti) lanciert. Diese Initiative ermuntert Staaten, alle Einnahmen, die sie für ihre Rohstoffreichtümer erhalten, offenzulegen. Parallel verlangt «Publish What You Pay» (PWYP), eine internationale Nicht-Regierungsorganisation, dass Minenkonzerne alle Zahlungen an Staaten und Regierungsmitglieder veröffentlichen. So entsteht eine Art «doppelte Buchhaltung», und die Bürger der betroffenen Länder können ihre Regierungen besser kontrollieren. Mittlerweile sind 23 Rohstoffländer von Aserbaidschan bis Sierra Leone Eiti-Mitglieder. Noch erfüllt aber keines der Länder alle Eiti-Anforderungen. Umgekehrt verbieten einige Länder, den dort tätigen Bergbaukonzernen ausdrücklich die Zahlungen offenzulegen. In diese Kategorie fällt Angola, wo 40 Prozent der Einnahmen aus dem Öl- und Diamantengeschäft nie im Staatshaushalt auftauchen.
Eiti wird von den meisten Bergbaukonzernen unterstützt. Von den in der Schweiz ansässigen Firmen sind aber nur Xstrata und de Beers Centenary dabei. Dabei sind der Kampf gegen Korruption und namentlich die Eiti-Mitgliedschaft Faktoren, die auch von grossen, institutionellen Kapitalgebern berücksichtigt werden. Diese Gruppe, der von den grösseren Schweizer Banken nur Sarasin angehört, verwaltet 12,3 Billionen Dollar Vermögen.
Für sie ist mangelndes Engagement im Kampf gegen Korruption ein Risiko, das den Wert eines Unternehmens schmälert. Ist ein Unternehmen in einen Korruptionsskandal verwickelt, leidet das Image, oft drohen hohe Geldstrafen, und das Management wird durch langwierige Rechtshändel abgelenkt. Einige Schweizer Firmen kennen diese Probleme aus eigener Erfahrung: Sie sind im Skandal um das «Oil for Food»-Programm verurteilt worden.
Die offizielle Schweiz steht Eiti aufgeschlossener gegenüber. So ist der Beitritt der Eidgenossenschaft zu dieser Initiative noch für dieses Jahr vorgesehen, wie ein Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) sagte.
Die Schweizer Börse SWX hingegen sieht sich nicht in der Pflicht. PWYP verlangt von Börsenbetreibern, dass sie die Aktien von Bergbaukonzernen nur dann zum Handel zulassen, wenn diese alle Zahlungen an Rohstoffländer offenlegen. Für die SWX würde dies aber den im «Börsen- und Effektenhandelsgesetz beschriebenen Auftrag sprengen». Transparenz ist nicht selbstverständlich. Und so sind Bodenschätze oft eher Fluch denn Segen. mic
Schweiz hat noch nicht unterzeichnet
Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde die Bestechung ausländischer Regierungen von der Schweiz steuerlich gefördert. Doch die Stimmung hat gekehrt. Der weltweite Kampf gegen Korruption steht ganz oben auf der politischen Agenda. Ein wichtiges Instrument in diesem Kampf ist die UNO-Konvention gegen Korruption. Mittlerweile sind 108 Länder dem Abkommen beigetreten. Nur die Schweiz sucht man auf dieser Liste vergeblich. Die Schweiz hat das Abkommen zwar anno 2003 unterzeichnet, bislang aber nicht ratifiziert. Das Eidgenössische Justizdepartement meint, «voraussichtlich Anfang 2009» werde sich das Parlament mit dem Vertrag befassen.
Für den Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth, Direktor des Basel Institute on Governance, ist das zu langsam. Er kennt die Anfälligkeit von Unternehmen aus seiner Tätigkeit als Mitglied der Volcker Kommission, die den Oil-for-Food-Skandal aufgeklärt hat. Für Pieth ist die Noch-Nicht-Mitgliedschaft der Schweiz denn auch «pure Dummheit», schliesslich erfülle die Schweiz längst alle Anforderungen der UNO-Konvention. Dies hat auch der Bundesrat in seiner Botschaft an das Parlament festgestellt. Für den Finanzplatz stelle die Nicht-Mitgliedschaft derweil ein erhebliches Reputationsrisiko dar, so Pieth. Falls ein Schweizer Unternehmen in einen internationalen Korruptionsskandal, wie zurzeit Siemens oder British Aerospace, verwickelt wäre, könne die fehlende Ratifikation leicht zu einem PR-Gau für den Finanzplatz werden. «Die Schweiz hat ein masochistisches Vergnügen, der ganzen Welt zu zeigen, wie schlecht sie ist», meint Mark Pieth. Und tatsächlich befindet sich die Schweiz hier in schlechter Gesellschaft: Auch von Venezuela, Sudan, Afghanistan, Äthiopien und Burma ist die Ratifikation noch ausstehend. mic
Oil for Food
Vor dem aktuellen Irakkrieg unterlag der Irak einem UNO-Embargo. Um die Härten für die Bevölkerung abzuschwächen, durfte der Irak unter UNO-Aufsicht Öl verkaufen und mit den Erlösen Güter der Grundversorgung einkaufen (Oil for Food). Die irakische Regierung konnte aber mithilfe von westlichen Unternehmen grosse Beträge zweckentfremden, etwa für Waffenkäufe. Unter den beschuldigten Firmen sind auch einige Schweizer Konzerne. Noch sind aber nicht alle Verfahren abgeschlossen. mic
Aus der Basler Zeitung vom 14.06.2008