Eine Bundeswehrstudie befürchtet, dass die Welt bereits dieses Jahr das Ölfördermaximum erreicht
„Wir müssen das Öl verlassen, bevor es uns verlässt.“ sagt Fatih Birol, der Chefökonom der Internationalen Energieagentur IEA. Doch dazu ist es vielleicht schon zu spät. „Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Peak Oil bereits um das Jahr 2010 zu verorten ist“ schreibt ein Think Tank der Bundeswehr. Die Rede ist vom Erreichen des Fördermaximums für Öl, dem Peak Oil, ab dem die weltweite Produktion wieder abfällt. Dass dieser Punkt eines Tages erreicht wird, ist unumstritten. Die Frage ist nur, ab wann neue Ölfelder die zurückgehende Kapazität älterer Felder nicht mehr zu kompensieren vermögen.
Die nun bekannt gewordene Studie des Dezernats Zukunftsanalyse der Bundeswehr zeigt, dass die deutsche Regierung befürchtet, der Peak könne unmittelbar bevorstehen. Und damit ist sie nicht allein. Die britische Regierung arbeitet bereits an einem Krisenplan und auch das amerikanische Energiedepartement erwartet ab 2012 einen Rückgang der Fördermenge. Dass keine der Regierungen ihre Befürchtungen an die grosse Glocke hängt, hat dabei einen einfachen Grund: Die Konsequenzen von Peak Oil könnten verheerend sein. „Die Gefahr von Peak Oil besteht nicht darin, dass es kein Öl mehr gibt, sondern, dass es kein billiges Öl mehr gibt.“ Und weiter: „ Eine starke Verteuerung von Öl stellt ein systemisches Risiko dar.“ Für die Bundeswehr könnte Peak Oil also zu einem Systemkollaps führen.
Aber auch ohne Systemkollaps sind die Auswirkungen dramatisch, insbesondere auf die Nahrungsmittelversorgung und die internationalen Beziehungen. Aber auch der Kampf gegen den Klimawandel, dürfte vom Peak Oil beeinträchtigt werden:
- Nahrungsmittel: Die weltweite Nahrungsmittelversorgung basiert auf Öl, insbesondere für Dünger und Transport. Wird Öl nun sehr viel teurer, verteuern sich auch die Nahrungsmittel. Gleichzeitig dürfte ein massiver Ölpreisanstieg das weltweite Wirtschaftswachstum beeinträchtigen oder führt gar zu einer langanhaltenden, weltweiten Rezession. Dadurch steigt die Zahl der Menschen, die Hunger leiden. Durch die Wirtschaftskrise ist die Zahl der Hungernden bereits um 105 Millionen auf 1,02 Milliarden gestiegen. Das ist jeder sechste. Doch die Bundeswehr befürchtet, dass es im Fall von von Peak Oil noch schlimmer kommt: „Partielle oder komplette Zusammenbrüche der Wirtschaftskreisläufe, Unterversorgung und humanitäre Notlagen würden mit hoher Wahrscheinlichkeit länderübergreifend zu schweren politischen Verwerfungen führen.“, also Hunger und Krieg.
- Internationale Beziehungen: In einer Welt knappen Öls, verbessert sich die Position der verbleibenden Ölexporteure vor allem aus dem Mittleren Osten. “Öl wird zu einem vorrangigen Instrument der Machtprojektion und einem bestimmenden Faktor neuer Abhängigkeitsverhältnisse in den internationalen Beziehungen.“ Denn: „Der globale Ölmarkt wird langfristig nur mehr eingeschränkt den freien marktwirtschaftlichen Gesetzen folgen können. Bilaterale, konditionierte Lieferbeziehungen treten in den Vordergrund. Es kommt vermehrt zu Koppelgeschäften.“ Und wie diese Koppelgeschäfte aussehen könnten ist auch klar: „Hier lässt sich grundsätzlich zwischen materiellen und politischen Gegenleistungen unterscheiden. Zur ersten Kategorie gehören Rüstungsgüter“ und vor allem jene, „die nicht im freien Handel erwerbbar sind wie beispielsweise Nuklearmaterial.“
- Klimawandel: Die Wechselwirkungen zwischen Peak Oil und dem Klimawandel sind ambivalent: Zum einen führt eine massive Erhöhung der Ölpreise zu einem Rückgang des Verbrauchs und damit zu geringeren CO2 Emissionen. Umgekehrt führt Peak Oil zum vermehrten Einsatz von alternativen Energieträgern, wie Öl aus Teersanden, Kohle, Biosprit, Atomenergie und erneuerbaren Energien. Doch abgesehen von den erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne sind diese Alternativen mit Problemen behaftet: Öl aus Teersanden und Kohle führen zu deutlich grösseren CO2 Emissionen als normales Öl. Atomenergie erhöht die Gefahr der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen und Nuklearmaterial und Biosprit verschärft das Nahrungsmittelproblem. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Regierungen dem Kampf gegen den Klimawandel eine geringere Priorität einräumen, wenn sie damit beschäftigt sind, „Koppelgeschäfte“ mit Ölexporteuern auszuhanden.
Während die Wechselwirkungen zwischen Peak Oil und dem Klimawandel also nur schwer zu entwirren sind, so haben die beiden Probleme doch vieles gemeinsam: Beide haben Auswirkungen auf alle Lebensbereiche und jedes einzelne Glied in der wirtschaftlichen Wertschöpfungskette. Die schwerwiegendsten Überschneidungen von Peak Oil und Klimawandel sind dabei die Nahrungsmittelversorgung und die internationale Sicherheit. Zunehmende Extremwetterereignisse wie die Dürre in Russland beeinträchtigen die Nahrungsmittelproduktion und treiben die Preise. Gleichzeitig führen deutlich höhere Ölpreise zu einer Verteuerung von Nahrungsmitteln und voraussichtlich zu einem vermehrten Einsatz von Biosprit. Ähnlich bei der Sicherheit: Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen in Pakistan können ganze Länder destabilisieren. Gleichzeitig nimmt bei Ölknappheit die Konkurrenz um Rohstoffe zu und diese werden zu einem Machtfaktor. Bei Nahrung und Sicherheit verstärken sich Peak Oil und Klimawandel also gegenseitig. Ein Zusammentreffen der beiden Probleme bedeutet so tatsächlich: Hunger und Krieg. mic
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