Insbesondere wegen der Intransingenz Brasiliens wird über die Markregeln nächstes Jahr erneut verhandelt
Der Berg kreisst und gebiert eine Maus. Die Klimakonferenz in Madrid hat nur minimale Fortschritte erzielt und alle wesentlichen Agendapunkte wurden auf nächstes Jahr verschoben.
Die Klimakonferenz in Madrid kann mit einem Rekord aufwarten: Noch nie in der 25-jährigen Geschichte dieser Konferenzen hat es länger gedauert bis zum Beginn des Abschlussplenums. Dieses begann am Sonntag kurz vor zehn Uhr morgens. Nach fünf Minuten zeigte sich dann, dass die vielen Überstunden nicht zu einer Übereinkunft geführt haben: Brasilien forderte die Streichung von zwei Paragraphen aus einem der Abschlussdokumente. Diese erwähnen die beiden Sonderberichte des Weltklimarats (IPCC) zu Ozeanen und der Landnutzung. Anschliessend meldete sich rund ein Dutzend Länder zu Wort und lehnte das brasilianische Ansinnen ab – mit einem Teilerfolg: Brasilien verlangte anschliessend nur noch die Streichung des Paragraphen zum IPCC-Bericht zu den Ozeanen. Da die Konferenz in Madrid speziell den Ozeanen gewidmet war, stiess aber auch das auf Ablehnung im Rest der Welt. Am Schluss liess sich Brasilien dann erweichen und verzichtete darauf das ganze Dokument abzulehnen. Noch nie zuvor wurde in einem Abschlussplenum derart um einzelne, eher nachranginge Paragraphen gerungen.
Überraschend kam die Intervention Brasiliens aber nicht. Das Land hat schon zu Beginn der Klimakonferenz signalisiert, dass es plant als Störer aufzutreten. Der brasilianische Umweltminister Ricardo Salles kam nach Madrid mit dem Ziel, von dort mit zehn Milliarden Dollar zurückzukommen, weil Brasiliens Umweltpolitik „ein Vorbild für die Welt“ sei. Ausserdem wollte Brasilien erreichen, dass es CO2-Minderungen gleichzeitig in Form von Zertifikaten ins Ausland verkaufen und auf das eigene Klimaziel anrechnen kann. Des Weiteren wollte Brasilien alte, mittlerweile wertlose Kyoto-Protokoll-Zertifikate in den neuen Kohlenstoffmarkt unter dem Paris Abkommen hinüberretten. Das Land scheiterte mit allen drei Anliegen. Die Forderung nach zehn Milliarden Dollar war von Anfang an absurd. Die brasilianischen Vorstellungen zur Ausgestaltung der Kohlenstoffmärkte wurden hingegen schlicht vertagt. Die Regeln zu den Märkten waren der wichtigste Agendapunkt der Konferenz in Madrid. Doch hier gelang keine Einigung und über diese Regeln wird daher bei der Konferenz nächstes Jahr in Glasgow erneut verhandelt.
Das ist allerdings nicht unproblematisch. In Glasgow müssen auch die letzten Details zum Berichtswesen über die Länderemissionen entschieden werden. Diese konnten in Madrid nicht beschlossen werden, weil China eine tabellarische Form ablehnte. Wenn in Glasgow nun sowohl die Regeln zu den Märkten als auch die letzten Transparenzregeln verhandelt werden, besteht die Gefahr, dass es zwischen den beiden Themen zu einem Kuhhandel kommt. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass dabei sowohl schwache Markt- als auch schwache Transparenzregeln herauskommen.
Der grösste „Erfolg“ von Madrid ist, dass der Inhalt des Paris Abkommens bestätigt wurde. Das relevante Dokument „erinnert“ daran, dass die Länder regelmässig neue Klimapläne beim UN-Klimasekretariat einreichen sollen, „ermahnt“ die Länder dies zu tun, falls sie das noch nicht getan haben und „wiederholt“, dass die Klimapläne verständlich sein sollen. „Nach zweiwöchigen Verhandlungen werden die Länder wieder nicht dazu verpflichtet, ehrgeizigere Klimapläne vorzulegen“, beklagt Martin Kaiser, der Chef von Greenpeace Deutschland. „Das zeigt, dass es hier einen Angriff auf das Herz des Paris Abkommens gegeben hat.“ Oder anders: Die Konferenz in Madrid war eine Abwehrschlacht gegen Länder, die das Paris Abkommen aufweichen wollten.
Ein weiteres Thema waren „Verluste und Schäden“ in Folge der Klimaerwärmung. Für diese ist im Rahmen des UN-Klimaprozesses der „Warschau Mechanismus“ verantwortlich. In Madrid sollte nun entschieden werden, ob dieser allein dem Paris Abkommen untersteht oder auch der UN-Klimakonvention. Das klingt technisch, macht aber einen Unterschied. Die USA steigen aus dem Paris Abkommen aus, aber bleiben Teil der UN-Klimakonvention. Daher wollen die USA, dass der Warschau Mechanismus einzig dem Paris Abkommen untersteht. Damit wären die USA jede Verantwortung für Schäden und Verluste los. Da davon vor allem die ärmsten Länder betroffen sind, stellte der Inselstaat Tuvalu fest: Dies könne „als Verbrechen gegen die Menschlichkeit interpretiert werden“. Eine Einigung zu diesem Punkt gab es in Madrid aber auch nicht und über dieses Thema wird wieder in Glasgow verhandelt. 4500
In Anbetracht der Madrid Resultate stellte Katherine Kramer von der Hilfsorganisation Actionaid fest: „Grossbritannien hat jetzt einige riesige Aufgabe, nächstes Jahr einen erfolgreichen Klimagipfel zu organisieren.“ Dabei kann es aber nicht nur um die technischen Feinheiten gehen, die dieses Jahr nicht geklärt wurden: „Das nächste Jahr ist das Jahr der Wahrheit“, sagt der Klimawissenschaftler Johan Rockström vom Potsdam Institut. „Wir müssen den Trend der Emissionen nächstes Jahr nach unten drehen.“ Madrid war da keine Hilfe, aber auch kein Desaster. mic
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