Wer mit Holz statt Stahlbeton baut, schützt das Klima
Um die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzen zu können, müssen die globalen CO2-Emissionen auf Null sinken. Ausserdem muss der Atmosphäre CO2 entzogen werden. Dies tun Bäume elegant und billig.
Jeder Deutsche verbraucht pro Jahr 328 Kilo Zement und jeder Schweizer sogar 695 Kilo. [1] Dies ist mit grossen CO2-Emissionen verbunden. Bei der Zementherstellung wird erst Kalkstein entsäuert, wobei CO2 freigesetzt wird und anschliessend wird ein Kalk-Ton Gemisch auf 1‘400 Grad erhitzt, was viel Energie erfordert. In einer Tonne Zement ‚stecken‘ daher 560 Kilo CO2. [2 s. S. 16] Im Vergleich zum zweiten wichtigen Baustoff ist dies aber noch wenig: Bei der Produktion von einer Tonne Stahl werden 1,8 Tonnen CO2 freigesetzt. [3] Die Bauwirtschaft hat daher einen gigantischen ‚CO2-Fussabdruck‘. Nötig ist dies aber nicht, im Gegenteil: Für Gebäude bis 40 Stockwerke gibt eine Alternative zu Stahlbeton – Holz.
Das Geheimnis derartiger Holz-Hochhäuser nennt sich Kreuzlagenholz, Brettsperrholz oder auf englisch Cross Laminated Timber CLT. Wie die verschiedenen Namen vermuten lassen, handelt es sich dabei um mehrere Lagen Holz, die jeweil quer zueinader verleimt werden. So lassen sich 16 Meter lange, 3 Meter breite und bis zu 50 Zentimeter dicke Massivholz-Platten herstellen. Bauingenieure nennen CLT daher auch „Sperrholz auf Steroiden“. Auf CLT basierende Gebäude haben kein Holzskelett wie etwa ein Fachwerkhaus sondern die Massivholzwände tragen den Bau. Das hat vor allem einen Vorteil im Brandfall: Ein Haus mit Holzskelett brennt leicht. CLT-Platten hingegen verkohlen aussen, wodurch das Holz im Innern geschützt wird und seine Festigkeit behält.
CLT hat aber noch weitere Vorteile: Die Platten werden von Computerfräsen passgenau zugesägt, bevor sie zur Baustelle geliefert werden. Das spart rund ein Drittel der Bauzeit, weil auf der Baustelle die Platten nur noch wie ein Ikea-Möbel zusammengesetzt werden müssen. Fenster- und Türöffnungen, Aussparungen für Stromkabel und Wasserleitungen etc. sind schon da. Damit sind CLT-Bauten auch billiger. Die Architekten des neunstöckigen ‚Stadthaus‘ in London [4], Waugh Thistleton, schätzen, dass CLT-Bauten 15 Prozent billiger sind als solche aus Stahlbeton. Dies zeigt auch ein 18-stöckiges Gebäude der Universität von British Columbia in Kanada. Dort hat sich der CLT-Entwurf gegen herkömmliche Entwürfe aus Stahlbeton durchgesetzt, weil er schneller und billiger zu bauen war.
In Deutschland und der Schweiz sucht man derart hohe Holzhäuser aber bislang vergebens. „Was den CLT-Einsatz nach wie vor hemmt, sind überholte Bauordnungen.“, sagt Professor Klaus Richter von der Technischen Universität München. Dabei liefern sich Architekturfirmen längst einen Wettbewerb, wer das höchste CLT-Haus bauen kann. Dieses Jahr beginnt in Wien der Bau des 24-stöckigen Holzhochhauses HoHo [5]. Wie lange das höchste Holzhaus der Welt in Wien stehen wird, ist aber ungewiss. In Stockholm wird derzeit ein 34-stöckiger CLT-Turm geplant und die Architekturfirma Skidmore, Owings & Merrill aus Chicago hat einen Plan für ein 42-stöckiges CLT-Gebäude vorgestellt [6].
Der grosse Gewinner wäre das Klima, wenn der Bau von Holzhochhäusern Schule macht. Zum einen kann mit Holz Stahlbeton ersetzen. Gemäss einer Studie im Wissenschaftsmagazin ‚Journal for Sustainable Forestry‘ führt der Einsatz von einem Kilo Holz zu einer CO2-Einsparung von neun Kilo, weil weniger Zement und Stahl verbraucht wird. [7] Zum anderen ist Holz aber auch ein CO2-Speicher. In einem Kilo Holz steckt etwa ein halbes Kilo Kohlenstoff. Wenn der Baum wächst entzieht er der Atmosphäre gut 1,8 Kilo CO2, um diese Menge an Kohlenstoff aufzubauen. Doch wenn das Holz anschliessend verbrannt wird oder verrottet, wird der darin gebundene Kohlenstoff wieder freigesetzt. Um den Kohlenstoff langfristig zu binden, muss man das Holz also nutzen etwa in Möbeln oder beim Bau von Gebäuden. Sollte das in grossem Mass geschehen, könnten 31 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen vermieden oder gespeichert werden, schätzen die Autoren der oben erwähnten Studie. Dazu müsste allerdings der gesamte jährliche Holzzuwachs der Welt genutzt werden. Kurzfristig dürfte es da einfacher sein, Baunormen zu ändern, damit Holzhochhäuser auch hierzulande möglich werden. mic
„Deutschland hat zuviel Holz“
Der Einsatz von Holz beim Bauen könnte deutlich erhöht werden, ohne dass dem Wald zuviel Holz entnommen wird, erklärt Professor Klaus Richter im Interview
Klaus Richter, 58, ist Professor für Holzwissenschaft an der Technischen Universität München. Zuvor war er der Leiter der Abteilung Holz an der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Zürich.
mic: Gibt es genug Holz, um sehr viel mehr Holzhäuser bauen zu können?
Klaus Richter: Die Produktion von Kreuzlagenholz oder CLT im deutschsprachigen Raum beläuft sich derzeit auf knapp eine halbe Million Kubikmeter pro Jahr und könnte wegen der hohen Holzvorräten in den Wäldern deutlich ausgebaut werden – ohne die Nachhaltigkeitsgrenzen zu erreichen. Die Produktion von CLT ist aber in den letzten Jahren abgeflacht, weil das Produkt nicht auf Lager sondern auf Anfrage produziert wird. Ein Überangebot besteht also nicht auf dem Markt, sondern als verfügbares Rohholz im Wald. Es wäre daher sinnvoll die Nachfrage nach Holz etwa in Form von CLT zu steigern.
mic: Welchen Einfluss hätte ein deutlich erhöhter CLT Einsatz auf den Holzpreis?
Klaus Richter: Der Holzpreis dürfte wenn überhaupt nur sehr marginal steigen. Die Produktion von Nadelschnittholz beläuft sich in Deutschland auf gut 20 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Da wirken die in Deutschland hergestellten CLT Mengen von rund 180‘000 Kubikmetern selbst bei einer Verdoppelung nicht marktverändernd.
mic: Wie liesse sich der Einsatz von Holz im Bauwesen ankurbeln?
Klaus Richter: Der Anteil von Holz im Einfamilien- und Industriebau ist steigend. Grosses Potential steckt aber noch im mehrgeschossigen Bau, wo CLT seine Vorteile ausspielen kann. Die Förderung des Holzbaus muss über Aufklärung und finanzielle Anreize erfolen. In München erhalten Bauherren 30 Eurocents pro Kilo Holz, das sie verbauen. Eine andere Möglichkeit wäre, die herkömmlichen Baustoffe also Zement und Stahl zu verteuern, indem man diesen ihre realen Umweltkosten anrechnet.
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[1] VDZ, Stand 04.05.2016: Zementverbrauch pro Kopf in ausgewählten Ländern
[2] VDZ, 2014: Umweltdaten der deutschen Zementindustrie (PDF)
[3] Worldsteel, 2015: Steel’s contribution to a low carbon future and climate resilitent societies
[5] HoHo Wien, Stand 04.05.2016: Internetseite des Projekts