Chinas Überkapazitäten und das Klima

Preiskämpfe bei Batterien und Solarpaneelen beschleunigen die globale Energiewende

In Brüssel und Washington geht die Angst vor einer Welle chinesischer Exporte um. Insbesondere bei „grünen Technologien“ wie Batterien und Solarpaneelen hat das Land riesige Überkapazitäten. Für kleinere Entwicklungsländer sind die spottbilligen Produkte allerdings ein Segen – so wie fürs Klima.

„Ich mache mir vor allem Sorgen über die globalen Auswirkungen der Überkapazitäten, die wir in China beobachten“, sagte US-Finanzministerin Janet Yellen vorletzte Woche bei der Eröffnung eines Werks für Solarmodule in den USA. [1] „In der Vergangenheit führte die Unterstützung der chinesischen Regierung in Branchen wie Stahl und Aluminium zu erheblichen Überinvestitionen. Jetzt werden Überkapazitäten in ‚neuen‘ Industrien wie Solar, Elektrofahrzeuge und Lithium-Ionen-Batterien aufgebaut.“ Diese Warnung ist gerechtfertigt, denn insbesondere bei Batterien und Solaranlagen bestehen jetzt schon Überkapazitäten.

Bereits letztes Jahr waren die chinesischen Produktionskapazitäten für Batterien mehr als doppelt so groß wie die Nachfrage. Und die Differenz wächst weiter: Nächstes Jahr wird die Kapazität dreimal so groß sein wie der Bedarf, wie Zahlen des britischen Branchendienstes CRU Group zeigen. [2] Bei Solarpaneelen sieht es ähnlich aus: China hätte letztes Jahr genug Kapazität für Paneele mit einer Nennleistung von 861 Gigawatt gehabt. Global wurden allerdings nur 390 Gigawatt installiert. [3] Das war ein neuer Rekord und übertraf die weltweiten Installationen im Vorjahr um knapp 40 Prozent. Aber selbst das hat nicht gereicht, um die in China bestehenden Herstellungskapazitäten auch nur annähernd auszulasten. Und diese werden weiter wachsen: Allein dieses Jahr sollen 500 bis 600 Gigawatt Produktionskapazität dazu kommen. [3]

Skellefteå. Diese Fabrik steht nicht in China sondern in Nordschweden. Für viele Entwicklungsländer ist eine eigene Batterienfertigung allerdings illusorisch. (Foto: Unbekannt / Northvolt)
Skellefteå. Diese Fabrik steht nicht in China sondern in Nordschweden. Für viele Entwicklungsländer ist eine eigene Batterienfertigung allerdings illusorisch. (Foto: Unbekannt / Northvolt)

Das zeigt sich an den Preisen: Solarzellen sind in den letzten zwölf Monaten um zwei Drittel billiger geworden. [3] Bei Batterien sieht es ähnlich aus: Deren Preis hat sich letztes Jahr halbiert. [4] Geholfen hat dabei der Preis für Lithium: Dieser stieg ab Mitte 2021 massiv an, erreichte Ende 2022 einen historischen Höchstwert und ist seither um mehr als 80 Prozent gefallen. Obwohl sich Lithium kaum weiter verbilligen dürfte, geht der Preisrutsch bei Batterien weiter. CATL, der chinesische Weltmarktführer bei Batterien, erwartet, dass sich die Preise dieses Jahr noch einmal halbieren. Damit zeichnet sich ein Preiskrieg ab, denn auch der zweitgrößte Batterieproduzent, der chinesische Autohersteller BYD, kürzt aggressiv die Kosten, um überleben zu können. [3]

Die Überkapazitäten und Preiskriege haben Methode: Chinas Regierung drosselt den Konsum zugunsten von Investitionen. Diese machen 42 Prozent des dortigen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. In Deutschland ist es gerade mal die Hälfte. Diese Investitionen sorgten für einen Immobilienboom, doch dieser ist vorbei. Jetzt werden Investitionen in die Industrie geleitet, sodass dort nun Überkapazitäten aufgebaut werden. „Im Gegensatz zu anderen Volkswirtschaften, die eine drastische Anpassung ihres Immobilienmarktes durchlaufen haben, geht die Investitionsrate in China nicht zurück“, sagt Frederic Neumann von der britischen Bank HSBC. [5] „Stattdessen verlagern sich die Investitionen in Richtung Infrastruktur und vor allem in die verarbeitende Industrie.“

Für westliche Industriestaaten wie Deutschland ist das ein Problem, denn sie wollen ebenfalls Fertigungskapazitäten für Batterien und Solarpaneele aufbauen. Für andere Länder hingegen sind die chinesischen Überkapazitäten und die rapide fallenden Preise positiv, meint Gary Hufbauer, vom Peterson Institut, einem US-Thinktank: „”Wenn China eine massive Export-‘Lösung’ anstrebt, wird dies den Fertigungsunternehmen in Japan, der EU, Korea und anderen Industrieländern schaden. Aber niedrige Preise werden in vielen Entwicklungsländern in Lateinamerika, Afrika und Asien willkommen sein.” [6] Im Gegensatz zu den Industriestaaten ist es für diese Länder illusorisch, viele Milliarden in Gigafabriken zu investieren. Und so könnten Chinas Überkapazitäten schließlich zu einer Zweiteilung des Weltmarkts für Produkte wie Batterien und Solarpaneel führen: Die Industriestaaten schotten ihre Märkte ab, etwa mit Anti-Dumping-Zöllen, und bauen eigene Industrien auf. Und alle anderen Länder kaufen dankbar die spottbilligen chinesischen Produkte. Wenn dadurch die globale Energiewende hin zu den Erneuerbaren beschleunigt wird, gäbe es zudem einen klaren Gewinner von Chinas Wirtschaftspolitik: das Klima.

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[1] US-Treasury, 27.03.2024: Remarks by Secretary of the Treasury Janet L. Yellen at Suniva in Norcross, Georgia

[2] FT, 07.09.2023: In green tech, overcapacity is a boon

[3] Reuters, 03.04.2024: China solar industry faces shakeout, but rock-bottom prices to persist

[4] CNevPost, 17.01.2024: Battery price war: CATL, BYD pushing battery costs down further

[5] CNBC, 08.03.2024: China doubles down on manufacturing, leaving real estate behind

[6] VOA, 05.04.2024: China’s overcapacity results from state interference in markets, say analysts