Für die Umwelt ist ein Bevölkerungsrückgang positiv
China hat sein Ziel erreicht: Chinesinnen bekommen im Schnitt nur noch ein Kind. Das Ziel ist allerdings nicht mehr gültig und jetzt verfolgt Chinas Regierung eine Drei-Kind-Politik. Das scheint die Chinesinnen aber nicht zu interessieren.
China gehen die Menschen aus. Seit 2017 hat sich die Anzahl Kinder, die eine Frau in ihrem Leben haben wird, fast halbiert. Damals hatten Chinesinnen noch 1,81 Kinder im Schnitt. Heute ist es nur noch ein Kind, wie Zahlen des chinesischen Thinktanks Shanghai Academy of Social Sciences (SASS) zeigen. [1] Der rapide Rückgang setzte ironischerweise mit dem Ende der Ein-Kind-Politik ein. Von 1979 bis 2016 konnten Eltern bestraft werden, wenn sie mehr als ein Kind hatten. Dadurch sank die Zahl der Kinder pro Frau von 2,7 auf 1,7. Ab 2016 galt dann eine Zwei-Kind-Politik und seit 2021 gilt sogar eine Drei-Kind-Politik. Chinas Regierung macht es nun attraktiver, viele Kinder zu haben. Doch die Anreize zeigen nicht die gewünschte Wirkung. Chinas Frauen bekommen immer weniger Kinder.
China ist in Ostasien allerdings keine Ausnahme: In Südkorea, Taiwan, Singapur und Hong Kong haben Frauen im Schnitt ebenfalls nur ein Kind oder weniger. Das gemeinhin als kinderarm geltende Japan ist dagegen ein relativ geburtenstarkes Land in Ostasien: Japanerinnen bekommen in ihrem Leben durchschnittlich 1,3 Kinder, gemäß Zahlen des US-Instituts Population Reference Bureau (PRB). Zum Vergleich: Frauen in Deutschland haben 1,5 und US-Amerikanerinnen sogar 1,7 Kinder. Damit die Bevölkerung eines Landes ohne Einwanderung stabil bleibt, müssen Frauen im Schnitt 2,1 Kinder gebären. Weltweit wird dieser Wert mit 2,2 Kindern pro Frau noch knapp übertroffen, sodass die Weltbevölkerung noch wächst und vorletztes Jahr acht Milliarden erreicht hat. Ab dem Jahr 2070 wird die Zahl der Menschen dann aber zurückgehen, schätzt das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), ein Wiener Forschungsinstitut. [2]
In China tut sie das schon jetzt. Im Jahr 2022 schrumpfte Chinas Bevölkerung um 850 Tausend und letztes Jahr sogar um zwei Millionen Menschen. China hat nun noch 1,4 Milliarden Menschen und ist seit letztem Jahr nicht mehr das bevölkerungsreichste Land der Welt. Diesen Titel trägt nun Indien. Und in China wird die Bevölkerung weiter fallen. SASS schätzt, dass es im Jahr 2100 nur noch 525 Millionen Chinesinnen und Chinesen geben wird. [1] Die Gründe für die geringe Geburtenrate in China sind die gleichen wie in anderen Ländern: Frauen verbringen mehr Zeit in Ausbildung und heiraten seltener und wenn dann später. Kinder sind außerdem teuer, weswegen sich viele Familien mit weniger Kindern begnügen als sie wollen. In China könnte allerdings noch ein weiterer Grund dazu kommen: Da die meisten potentiellen Eltern wegen der Ein-Kind-Politik selbst keine Geschwister hatten, könnte sich die Ein-Kind-Familie als soziale Norm durchgesetzt haben.
Welche Folgen ein so starker Rückgang der Bevölkerung haben wird, ist unklar. Eine IIASA-Studie aus dem letzten Jahr schreibt: „Wirtschaftliche und demografische Theorien konnten bisher keine eindeutige Vorhersage über die Folgen des Bevölkerungsrückgangs machen.“ [3] Weitgehender Konsens besteht nur darin, dass eine kleinere Bevölkerung weniger Ressourcen verbraucht und damit die Belastung der Umwelt abnimmt. Ob ein Bevölkerungsrückgang der wirtschaftlichen Dynamik schadet, ist hingegen schon umstritten, schließlich gingen „niedrige Geburtenraten mit wirtschaftlichem Erfolg“ einher. Mit steigendem Einkommen haben die Menschen typischerweise weniger Kinder. Umkehren lässt sich dieser Trend kaum: Es sei „unwahrscheinlich ist, dass die niedrige Fruchtbarkeit rückgängig gemacht werden kann“. Auch eine Vier- oder Fünf-Kind-Politik wird China also nicht helfen.
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[2] klimareporter, 30.05.2022: Die Weltbevölkerung wird schrumpfen
[3] IIASA, 2023: Vienna Yearbook of Population Research 2023 (PDF)