Schifffahrt noch immer nicht auf 1,5-Grad-Kurs

Die großen Schwellenländer haben ehrgeizigere Klimastrategie verhindert

Die Schifffahrt ist wie Deutschland für rund drei Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Diese sollen nun bis 2050 auf netto-null sinken – langsam. Bis 2030 ist nur eine Reduktion um 20 Prozent geplant, während alle anderen Sektoren ihre Emissionen bis dann halbieren müssen.

Die Weltschifffahrtsorganisation (IMO) hat am Freitag in London eine neue Klimastrategie verabschiedet. [1] Die Branche soll nun „bis oder um 2050“ netto-null Emissionen erreichen. Dies ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur alten Klimastrategie aus dem Jahr 2018. Diese hatte nur zum Ziel, die Emissionen der Schifffahrt bis 2050 zu halbieren. Zudem wurden Zwischenziele für die Jahre 2030 und 2040 verabschiedet: Im Jahr 2030 sollen die Emissionen um 20 und im Jahr 2040 um 70 Prozent unter denen des Jahres 2008 liegen. Trotz der verbesserten Klimaziele leistet die Schifffahrt noch immer nicht ihren fairen Anteil, um die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Die Science Based Target Initiative, die Klimapläne von Unternehmen bewertet, erwartet von Reedereien, dass diese ihre Emissionen bis 2030 um 45 Prozent senken und im Jahr 2040 netto-null Emissionen erreichen. [2]

Die Industriestaaten und viele Entwicklungsländer wie etwa die kleinen Inselstaaten hatten denn auch deutlich ehrgeizigere Ziele gefordert. [3] Unterstützung erhielten sie dabei von Verbänden der Schifffahrtsindustrie und von der größten Containerreederei der Welt, Maersk. Die dänische Reederei will bis 2040 netto-null Emissionen erreichen. Doch bei der Konferenz in London trafen sie damit auf den Widerstand der großen Schwellenländer wie China, Brasilien, Argentinien, Russland und Saudi Arabien. Diese Länder wollten die Zwischenziele für 2030 und 2040 möglichst komplett verhindern und nur eine schwammiges Bekenntnis zum Netto-Null-Ziel im Jahr 2050. Dabei leidet die Schifffahrt schon heute unter dem Klimawandel. Wegen einer Dürre in Panama ist nicht genug Wasser im Panamakanal und die Schiffe können nicht voll beladen werden. Maersk teilte dazu mit: „Der niedrige Wasserstand des Panamakanals ist ein Beispiel für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Niederschlags- und Wettermuster auf der ganzen Welt, die sich auf die gesamte Lieferkette auswirken.“ [4]

Göttliche Intervention. Poseidon versucht den Chef der IMO, Kitack Lim, davon zu überzeugen, dass das 2030 Ziel nicht gut genug ist. (Foto: Unbekannt / Ocean Rebellion)
Göttliche Intervention. Poseidon versucht den Chef der IMO, Kitack Lim, davon zu überzeugen, dass das 2030 Ziel nicht gut genug ist. (Foto: Unbekannt / Ocean Rebellion)

Umweltorganisationen zeigten sich enttäuscht von der neuen IMO-Klimastrategie. Faig Abbasov von Transport & Environment sagte: “Die Klimagespräche in dieser Woche erinnerten an das Umstellen der Liegestühle auf einem sinkenden Schiff. Die UNO hatte die Gelegenheit, einen eindeutigen und klaren Kurs in Richtung des 1,5-Grad-Ziels festzulegen, aber alles, was dabei herauskam, war ein windelweicher Kompromiss.” [5] Und John Maggs von der Clean Shipping Coalition sagte: „Wir sind noch weit davon entfernt, dass die IMO die Klimakrise mit der Dringlichkeit behandelt, die sie verdient.“ [5] Damit steigt nicht zuletzt der Druck auf die EU, für eine stärkere Reduktion der Emissionen aus der Schifffahrt zu sorgen. Rasmus Larsen von Green Transition Denmark sagte etwa: “Es liegt nun an der Industrie, den fortschrittlichen Mitgliedstaaten und Regionen wie der EU, über das hinauszugehen, worauf sich die IMO einigen konnte, und die Schifffahrt mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang zu bringen.“ [6]

Das zweite große Thema der Konferenz war die Frage, ob eine CO2-Abgabe für die Emissionen der Schifffahrt eingeführt werden soll. Die kleinen Inselstaaten forderten eine Abgabe von 100 Dollar pro Tonne CO2 und hatten dafür die Unterstützung der EU sowie einiger anderer Industrie- und Entwicklungsländer. Doch auch hier stießen sie auf Gegenwehr bei den großen Schwellenländern. Diese argumentierten, dass eine Abgabe negative Folgen für Entwicklungsländer insbesondere in Afrika haben würde. Diese Sicht untermauerten sie mit einer Studie der Universität São Paulo. [7] Diese zeigt, dass eine CO2-Abgabe von 50 Dollar pro Tonne CO2 die globale Wirtschaftsleistung um 0,02 Prozent erhöht. Doch diese Verbesserung ist sehr ungleich verteilt: Während die Abgabe für Industriestaaten einen positiven Effekt hätte, würde die Wirtschaftsleistung in den Entwicklungsländern um 0,13 Prozent sinken. Besonders starke betroffen wären der Iran sowie einige Länder in Westafrika. Die CO2-Abgabe wurde denn auch nicht beschlossen. Ganz vom Tisch ist sie allerdings noch nicht: Es soll zumindest eine Studie zu den Folgen eines „Preismechanismus“ erstellt werden.

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[1] IMO, 07.07.2023: 2023 IMO strategy on reduction of GHG emissions from ships (PDF)

[2] SBTi, 06.12.2022: SBTi launches world-first roadmap for net-zero shipping by 2040

[3] Ed King, 02.07.2023: Tweet

[4] Maersk, 22.06.2023: Maersk North America Market Update – June 2023

[5] Carbon Market Watch, 07.07.2023: International shipping’s new climate plan provokes storm of protest

[6] TradeWinds, 06.07.2023: IMO forges ‘wish and a prayer’ carbon deal as greens bemoan checkpoint targets

[7] Paula Pereda et al., undatiert: Carbon Tax in the Shipping Sector: Assessing Economic and Environmental Impacts (PDF)