Jim Skea ist der neue Chef des Weltklimarats

Der Brite will den nächsten Sachstandsbericht in nur fünf Jahren fertigstellen

Der Weltklimarat muss sich verändern, um relevant zu bleiben. Diese Aufgabe übernimmt nun Jim Skea, ein Urgestein der Organisation. Für den nächsten Sachstandsbericht wird er eine exponentiell wachsende Zahl an Klimastudien, politikrelevant aufarbeiten müssen.

Am Mittwoch wurde der Brite Jim Skea zum neuen Vorsitzenden des Weltklimarats (IPCC) gewählt. Er schlug im zweiten Wahlgang die Brasilianerin Thelma Krug mit 90 zu 69 Stimmen. Skea folgt damit dem Südkoreaner Hoesung Lee. Wahlberechtigt waren die 195 Mitgliedsländer des IPCC. Diese haben mit Skea ein Urgestein des IPCC zum neuen Vorsitzenden gemacht. Der 69-jährige ist quasi seit Gründung des Rats im Jahr 1988 dabei und hat alle Positionen durchlaufen: „Ich denke, ich verstehe den IPCC von unten bis oben – in dieser Reihenfolge“, sagte Skea in einem Interview mit dem spanischen Klimamagazin Climatica. [1] Zuletzt war Skea acht Jahre lang Co-Vorsitzenden der Arbeitsgruppe 3 und damit „im Maschinenraum des IPCC. Dort wo die eigentliche Arbeit getan wird.“ Diese Kenntnis des Maschinenraums wird Skea brauchen können, denn dort gab es zuletzt Probleme. Letzten Sommer haben einige Autoren ihre Arbeit „pausiert“, sodass die Synthese des sechsten Sachstandsberichts (AR6) nicht im Oktober 2022 sondern erst im März 2023 fertig wurde. [2] [3]

Die Aufgabe von Skea ist nun, den siebten Sachstandbericht (AR7) zu erstellen, der neue Herausforderungen bringt: „Wir haben eine exponentiell wachsende Klimaliteratur, anspruchsvolle Verfahren und ständig steigende Erwartungen der politischen Entscheidungsträger.“ Zudem sollen künftige Berichte wieder pünktlich fertiggestellt werden damit sie auch „politikrelevant“ sind. Und dann hängt sich Skea die Latte selbst recht hoch. Der siebte Sachstandsbericht solle für die zweite „Bestandsaufnahme“ des Paris Abkommens fertig sein, also spätestens im Jahr 2028. Damit bleiben ihm nur fünf Jahre statt wie bei den anderen Berichten sechs Jahre. Zudem nimmt die Länge der Berichte mit jeder Neufassung um gut ein Drittel zu. Der siebte dürfte daher weit über 3000 Seiten haben.

Der neue Chef. Ein unterlegener Kandidat gratuliert Jim Skea (links). (Foto: Unbekannt / IISD)
Der neue Chef. Ein unterlegener Kandidat gratuliert Jim Skea (links). (Foto: Unbekannt / IISD)

Zudem muss Skea als Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und der Politik dienen – seine eigentlichen Passion: „Manche Wissenschaftler bekommen ihren Kick durch den neuesten Artikel in Nature. Ich habe meinen Spaß daran, wenn ich sehe, dass wissenschaftliche Erkenntnisse von Entscheidungsträgern aufgegriffen und genutzt werden.“ Dabei ist sich Skea bewusst, dass es an dieser Schnittstelle durchaus heikel werden kann: „Es ist ein sehr delikates Unterfangen, denn es gibt keine scharfe Trennlinie zwischen Wissenschaft und Politik. Obwohl wir absolut keine Politiker sind, wären wir dumm, wenn wir keine politischen Antennen hätten und nicht darüber nachdächten, wo die von uns erarbeiteten Botschaften ankommen und wie sie interpretiert werden“, sagte Skea gegenüber dem Nachrichtendienst Geneva Solutions. [4]

Skea hat auch eine klare Vorstellung davon, wie die Berichte interpretiert werden sollen: „Eine unserer wichtigsten Botschaften war von Anfang an, dass der Mensch Einfluss darauf hat, was in der Zukunft geschehen kann. Wir haben in dem Bericht (AR6) darauf geachtet, nicht nur alle Emissionslücken und Umsetzungsschwierigkeiten zu betonen, sondern auch darauf hinzuweisen, dass wir in den letzten zehn Jahren Erfolge zu verzeichnen hatten, etwa die sinkenden Kosten und den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energien.“ [4]

Damit der nächste Bericht wieder von allen Ländern mitgetragen wird, muss Skea zudem darauf achten, dass die vielen hundert Autoren die Vielfalt der Welt abdecken. Der IPCC wurde in der Vergangenheit dafür kritisiert, dass die meisten Autoren Männer aus Industriestaaten sind. Danach gefragt, sagt Skea: „Ja, das ist ein Problem. In Bezug auf die Geschlechterverteilung haben wir anscheinend eine Obergrenze erreicht, denn der Anteil der Frauen an den Autoren beträgt etwa 30 Prozent.“ [1] Und auch bei der Herkunft der Autoren sieht Skea weiteren Verbesserungsbedarf: „Wir haben große Fortschritte in Bezug auf die regionale Vielfalt gemacht. Aber es gibt noch Spielraum für Verbesserungen, vor allem bei der Förderung jüngerer Wissenschaftler aus Entwicklungsländern.“ [1] Auch wenn der IPCC oft als etwas dröge, von Wissenschaftlern geprägte Organisation erscheint, stehen Skea so spannende Jahre bevor.

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[1] Climatica, 22.07.2023: „The benefit of avoided climate impacts exceeds the cost of mitigation“

[2] Politico, 17.03.2023: ‘Shitshow’: Key UN climate report was delayed by scientist strike

[3] IPCC, September 2022: Draft report of te fifty-seventh session of the IPCC (PDF)

[4] Geneva Solutions, 24.07.2023: Scottish scientist Jim Skea elected as the UN climate panel’s new ‘nudger-in-chief’