Pariser Gipfel stößt Umbau des Finanzsystems an

Länder sollen Schuldendienst im Katastrophenfall stunden können

Die Länder waren sich einig, dass das internationale Finanzsystem fundamental reformiert werden muss. Viele Entwicklungsländer sind überschuldet und können nicht genug investieren. Dadurch werden die Ziele des Pariser Klimaabkommens unerreichbar.

„Das internationale Finanzsystem steckt in einer Krise. 52 Länder sind bankrott oder gefährlich nahe dran. Dazu gehört die Mehrheit der ärmsten Länder und die Mehrheit der 50 Länder, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind“, sagte UN-Chef Antonio Guterres beim gestern in Paris zu Ende gegangenen Finanzgipfel. [1] Das Treffen hatte zum Ziel, den Anstoß zu geben für die Entwicklung eines „neuen globalen Finanzpakts“. Dass dies dringend erforderlich ist, betonte Guterres: „Es ist klar, dass die internationale Finanzarchitektur bei ihrer Aufgabe versagt hat, ein globales Sicherheitsnetz für die Entwicklungsländer zu schaffen.“ Die knapp 40 Staats- und Regierungschefs sowie die Chefs der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) konnten an dem informellen Treffen allerdings keine Entscheidungen treffen, sondern nur einen Plan erarbeiten, was in den kommenden Monaten im Rahmen der G20, der Jahrestagung von Weltbank und IWF sowie der UN-Klimakonferenz in Dubai passieren soll.

Das greifbarste Ergebnis sind die Katastrophenklauseln, die in internationale Kreditverträge eingebaut werden sollen. Erfunden wurde diese Klausel von dem karibischen Inselstaat Barbados. Dieser hat bei einer Umschuldung seiner Schulden im Jahr 2019, neue Anleihen ausgegeben, bei denen der Schuldendienst für zwei Jahre ausgesetzt wird, wenn Barbados von einer klimabedingten Katastrophe heimgesucht wird. Der Inselstaat wird im Durchschnitt alle 26 Jahre von einem Hurrikan getroffen. Sollte dies wieder passieren, muss Barbados zwei Jahre lang weder Zinsen zahlen noch abgelaufene Anleihen ablösen und kann die freigewordenen Mittel in die Bewältigung der Schäden investieren. Im Fall von Barbados sind das Mittel in Höhe von 18 Prozent der Wirtschaftsleistung – eine beträchtliche Summe, die nach einer Katastrophe kaum von anderen Stellen bereitgestellt werden dürfte. [2] Die Katastrophenklauseln sind denn auch Teil der „Bridgetown-Initiative“ von Mia Mottley, der Premierministerin von Barbados. Die Initiative umfasst Vorschläge zur Reform des internationalen Finanzsystems. [3]

Im Mittelpunkt. Mia Mottley, die Premierministerin von Barbados, war eine gefragte Gesprächspartnerin in Paris. (Foto: Unbekannt / elysee.fr)
Im Mittelpunkt. Mia Mottley, die Premierministerin von Barbados, war eine gefragte Gesprächspartnerin in Paris. (Foto: Unbekannt / elysee.fr)

Auch Kristalina Georgieva, die Chefin des IWF, konnte einen Erfolg verkünden: Im Jahr 2021 hatte der IWF Sonderziehungsrechte (SZR) im Wert von 650 Milliarden Dollar an seine Mitgliedsländer verteilt, um ihnen bei der Bewältigung der Coronapandemie zu helfen. SZR sind eine Art Währung, die vom IWF aus dem Nichts geschaffen werden kann. Da sich der Anteil, den jedes Land bekommen hat, an der Wirtschaftsleistung der Länder bemisst, haben große und reiche Länder viele SZR erhalten und arme und kleine Länder wenige. So bekam Deutschland SZR im Wert von 30 Milliarden Dollar und ganz Afrika nur solche im Wert von 28 Milliarden. [4] Aus diesem Grund sollten die reichen Länder SZR im Wert von 100 Milliarden Dollar an ärmere Länder abgeben. Diese Summe könnte nun erreicht werden. Frankreich und Japan wollen 40 Prozent ihrer SZR abgeben und viele andere Industriestaaten etwas weniger. Unklar ist allerdings, ob die USA ihre Zusage auch einhalten können. Die US-Regierung will SZR im Wert von 21 Milliarden Dollar zu den 100 Milliarden beisteuern. Dass das US-Parlament dem zustimmt, ist jedoch eher unwahrscheinlich.

Keine nennenswerten Ankündigungen gab es hingegen beim vielleicht wichtigsten Vorschlag aus der Bridgetown-Initiative: einem Fonds zur Absicherung von Wechselkursrisiken für Klimaschutzprojekte. Das Problem ist, dass der Ausbau der Erneuerbaren in den Entwicklungsländern (außer China) stockt. Diese Länder beheimaten zwar 42 Prozent der Weltbevölkerung aber tätigen nur sieben Prozent der Investitionen in erneuerbare Energien. [5] Aus diesem Grund produzieren die Niederlande mehr Solarstrom als alle afrikanischen Länder südlich der Sahara. [6] Der Grund: Entwicklungsländer (außer China) haben Mühe, privates Kapital aus dem Ausland für die Investitionen in Wind und Sonne zu mobilisieren. Um Solar- und Windkraftwerke zu errichten, brauchen die Länder Dollar, um die Anlagen bezahlen zu können. Die Einnahmen aus dem Stromverkauf fallen hingegen in der lokalen Währung an, wodurch ein Wechselkursrisiko entsteht. Und dieses Risiko lässt sich in vielen Fällen gar nicht oder sonst nur sehr teuer absichern. Avinash Persaud, der kreative Kopf der Bridgetown-Initiative, schlägt daher vor, der IWF und die Weltbank sollten einen Fonds schaffen, der das Wechselkursrisiko von Investitionen in Erneuerbare absichert. [7] Doch hierzu gab es keine Neuigkeiten.

Dafür gab es am Rande des Gipfels Neuigkeiten für zwei afrikanische Länder: Sambia hat sich endlich mit seinen Gläubigern auf eine Umschuldung geeinigt. Das Land war im Jahr 2020 bankrott gegangen, aber die Verhandlungen insbesondere mit China zogen sich in die Länge. [8] Des Weiteren stellen einige europäische Länder wie Deutschland sowie Kanada dem westafrikanischen Land Senegal 2,7 Milliarden Dollar zur Verfügung, um den Anteil der Erneuerbaren von 10 auf 30 Prozent des Stromverbrauchs bis zum Jahr 2030 zu steigern.

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[1] UN, 22.06.2023: Secretary-General remarks at the Paris Summit on a New Global Financing Pact

[2] unclimatesummit.org, 02.06.2023: How The Bridgetown Agenda’s Special Debt Clause Could Free Up Trillions

[3] Avinash Persaud, April 2023: Bridgetown 2.0 (PDF)

[4] WEED, 13.06.2023: IWF-Sonderziehungsrechte und ihre Weiterleitung – Eine kritische Bestandsaufnahme (PDF)

[5] IEA, Juni 2023: Scaling Up Private Finance for Clean Energy in Emerging and Developing Economies (PDF)

[6] Siddarth Singh, 21.06.2023: Tweet

[7] Avinash Persaud, Juni 2023: Unblocking the green transformation in developing countries with a partial foreign exchange guarantee (PDF)

[8] Reuters, 23.06.2023: Zambia seals $6.3 billion restructuring in breakthrough for developing nations