Für Republikaner ist nachhaltiges Investieren ein rotes Tuch

Immer mehr Bundesstaaten verabschieden Gesetze gegen nachhaltige Anlagen

Beim Kapitalismus geht es nicht zuletzt um die möglichst effiziente Allokation von Kapital für die Zukunft. Da die Zukunft unbekannt ist, spielen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle bei Investitionsentscheidungen. Welche Faktoren das sind, soll nun per Gesetz geregelt werden.

Zwischen dem Klima- und dem Finanzsystem gibt es viele Wechselwirkungen. So müssen die globalen Finanzströme umgeleitet werden, damit genug Mittel für die Investitionen in den Klimaschutz zur Verfügung stehen. Passiert das nicht, können physische Klimaschäden oder eine ehrgeizigere Klimapolitik für Firmen zum Risiko werden. Das beunruhigt insbesondere die Zentralbanken, die in vielen Ländern an Offenlegungspflichten für solche Risiken arbeiten. Viele Investoren wollen zudem wissen, was mit ihrem Geld passiert. Dazu werden Wertpapiere auf drei Faktoren geprüft: die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit einer Firma und deren Gouvernanzsystem. Diese drei Faktoren werden mit dem Kürzel „ESG“ zusammengefasst und machen einen immer größeren Teil des Markts aus. Im Jahr 2020 hatte ein Drittel aller ausstehenden Papiere ein „ESG-Label“, Papiere im Wert von 35 Billionen US-Dollar. [1]

Die Kritik an der plötzlichen ESG-Begeisterung kommt dabei aus zwei grundverschiedenen Lagern: Die einen befürchten „Greenwashing“ und wollen die Kriterien der vielen verschiedenen ESG-Label verschärfen. Zumindest in den USA gibt es aber noch ein zweites Lager: Die Republikaner in immer mehr Bundesstaaten versuchen, die Berücksichtigung der ESG-Faktoren bei Anlageentscheidungen zu verbieten. Sie befürchten einen „woken“ Kapitalismus, also eine Welt, in der Firmen Positionen der demokratischen Partei etwa bei der Homoehe oder eben beim Klimaschutz unterstützen. Mittlerweile gibt es in 18 der 50 Bundesstaaten Anti-ESG-Gesetze. [2] Diese fallen in zwei Gruppen: In manchen Staaten wird staatlichen Pensionsfonds verboten, bei ihren Investitionsentscheidungen die ESG-Kriterien mitzuberücksichtigen. Und in anderen Staaten ist es staatlichen Stellen gleich ganz verboten, Geschäfte mit „woken“ Finanzmarktakteuren zu machen.

Kein ESG. In den guten alten Zeiten haben Geldverleiher die gesellschaftlichen Folgen ihrer Investitionen noch unberücksichtigt gelassen. (Bild: Thomas Rowlandson /  picryl)
Kein ESG. In den guten alten Zeiten haben Geldverleiher die gesellschaftlichen Folgen ihrer Investitionen noch unberücksichtigt gelassen. (Bild: Thomas Rowlandson / picryl)

Dazu zählt etwa der größte Vermögensverwalter der Welt, Blackrock. Dessen Chef, Larry Fink, schreibt jedes Jahr einen Brief an die Chefs der Firmen, in die Blackrock investiert hat. Letztes Jahr ging er dabei auch auf die Diskussion über den „woken“ Kapitalismus ein: „Beim Stakeholder-Kapitalismus geht es nicht um Politik. Es geht nicht um eine soziale oder ideologische Agenda. Er ist nicht ‚woke‘.“ [3] Und dann führte er aus, was das aus Klimasicht bedeutet: „Jedes Unternehmen und jede Branche wird sich durch den Übergang zu einer Welt mit Netto-Null-Emissionen verändern. Die Frage ist: Werden Sie führen oder werden Sie geführt werden?“ Aus Sicht der Regierung in Texas sind solche Überlegungen Häresie für den Chef einer großen Firma. Aus diesem Grund ist es staatlichen Institutionen in Texas nun verboten, mit Blackrock und einigen anderen Großanlegern Geschäfte zu machen. Das führte zum Exodus von fünf großen Käufern von Anleihen von Texas und seinen Gemeinden – mit erstaunlich hohen Kosten.

Die öffentliche Hand hat nun weniger potentielle Abnehmer für ihre Schuldscheine und sie muss daher höhere Zinsen zahlen. Eine Studie aus dem letzten Jahr hat diesen Effekt beziffert: Wenn die texanischen Anti-ESG-Gesetze beibehalten werden, müssen die dortigen Steuerzahler in Zukunft im Jahr 416 Millionen US-Dollar an zusätzlichen Zinskosten tragen. Das entspricht einer Zinserhöhung um 0.14 Prozentpunkte auf die ausstehenden Schulden im Wert von 289 Milliarden Dollar. [4 s. S. 21] Für Symbolpolitik bei einem Kulturkampthema ist das erstaunlich teuer. Die Anti-ESG-Welle erscheint aber noch aus einem anderen Grund erstaunlich: Selbst die Wähler der republikanischen Partei sind dagegen. Eine Umfrage unter gut 1200 US-Wählern kommt zum Schluss: „Der Konsens unter diesen Wählern war, dass Unternehmen selbst entscheiden sollten, wie sie ihre Mittel verwenden, und wenn Unternehmen in ESG-Initiativen investieren wollen, sollten sie dies ohne staatliche Einmischung tun dürfen.“ [5] Früher galt diese Position mal als konservativ.

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[1] Bloomberg, 24.01.2022: ESG May Surpass $41 Trillion Assets in 2022, But Not Without Challenges, Finds Bloomberg Intelligence

[2] CapitalMonitor, 03.10.2022: Mapped: The polarisation of ESG in the US

[3] Larry Fink, undatiert: Larry Fink‘s 2022 letter to CEOs: The Power of Capitalism

[4] Daniel Garrett et al., 13.01.2023: Gas, Guns, and Governments: Financial Costs of Anti-ESG Policies (PDF)

[5] Politico, 05.12.2022: Republicans’ attacks on ESG aren’t popular with voters, survey finds