Cannabisanbau vertikalisiert die Landwirtschaft

Mit „Vertical Farming“ soll die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft reduziert werden

Die Hersteller von Systemen für die hochtechnisierte Produktion von Lebensmitteln in Gebäuden profitieren davon, dass bei der Cannabisproduktion nicht die Kosten im Vordergrund stehen. So können sie dank Cannabis wachsen und die Kosten senken.

Die Produktion von Nahrungsmitteln geht mit schweren Umweltbelastungen einher: Sie braucht viel Land und Wasser, vergiftet die Umwelt mit Pestiziden, überdüngt Gewässer und verursacht die Emission von CO2, Methan und Lachgas. Doch viele dieser Belastungen ließen sich vermeiden oder zumindest stark reduzieren, indem Pflanzen in mehrgeschossigen Gebäuden statt auf Äckern angebaut werden. Die Methode nennt sich „Vertical Farming“ und geht auf den Biologen Dickson Despommier von der US-Universität Columbia zurück. Dieser begann im Jahr 1999 mit seinen Studenten ein Konzept für einen „Agrar-Wolkenkratzer“ zu entwickeln, der 50.000 Menschen ernähren kann. Darin hat jedes Geschoss sein eigenes Klima, sodass im einen Bananen und im anderen Erdbeeren wachsen können. Die Versorgung der Pflanzen mit Wasser, Nährstoffen und Licht wird künstlich gesteuert. Außerdem sind Pestizide unnötig, da Schädlinge mit Sensoren frühzeitig entdeckt werden können. In einem Interview mit dem Onlinemagazin Pacific Standard sagte Despommier: „Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wird die Landwirtschaft nicht mehr von der Bodenbeschaffenheit abhängig sein. Man kann einen Bauernhof mitten in der Wüste oder in Island errichten.“ [1]

Gut 20 Jahre später versuchen Start-Ups rund um die Welt diese Idee zu kommerzialisieren. Dabei stehen sie aber vor einem Henne-Ei-Problem: Da die vertikale Landwirtschaft noch sehr viel teurer ist als die herkömmliche, besteht kaum Nachfrage und wegen der geringen Nachfrage lohnt es sich nicht, die Technik hochzuskalieren und dadurch die Kosten zu senken. Folglich musste ein Produkt gefunden werden, wo es auf die Kosten nicht wirklich ankommt – wie Cannabis. Zudem hat Cannabis den Vorteil, dass der größte Teil schon heute indoor angebaut wird, um der Entdeckung durch die Polizei zu entgehen. Wegen der Legalisierung von Cannabis in immer mehr Ländern von Kanada über Thailand bis demnächst Deutschland entsteht nun aber ein immer größerer, legaler Markt. „Cannabis ist ein Pionier, der eine riesige Nachfrage nach Vertical-Farming-Lösungen auslöst“, sagt Tzvika Klepar, der Vizechef des israelischen Start-Ups Hortica. „Wir haben entschieden, mit Cannabis anzufangen, um schnell einen positiven Cash-Flow zu generieren, und erst dann andere Produkte anzubieten.“ In der ersten Cannabisplantage von Hortica in den USA wachsen die Pflanzen in Kisten mit einem Volumen von etwa einem Kubikmeter, die separat klimatisiert werden. Dadurch können in einem Gebäude unterschiedliche Cannabissorten in unterschiedlichen Wachstumsphasen produziert werden.

Sauber. Die Kisten von Hortica genügen den Reinraumanforderungen der EU. (Foto: Hortica)
Sauber. Die Kisten von Hortica genügen den Reinraumanforderungen der EU. (Foto: Hortica)

Der Anbau in Kisten hat aber noch einen weiteren Vorteil: Dadurch muss nicht das ganze Volumen eines Gebäudes klimatisiert werden, sondern nur der Platz für die Pflanzen. Das spart Energie. „Wenn man über Indoor-Landwirtschaft redet, geht es am Schluss eigentlich immer nur um Elektrizität“, sagt Yaron Penn, der Chef von Hortica. Während die Sonne die Äcker kostenlos mit Energie versorgt, muss diese beim Vertical Farming durch Lampen ersetzt werden. Hinzu kommen Luft- und Wasserpumpen sowie viel Elektronik. „Das ist kein System, um Weizen oder Mais anzubauen“, sagt Penn. Bei anderen Produkten wie Kräutern, Salat oder einigen Gemüsesorten sei Vertical Farming hingegen durchaus wettbewerbsfähig. Da diese Farmen mitten in Städten und damit nah bei den Konsumenten gebaut werden können, entfallen teure Transporte und die Ware ist frischer, wenn sie in den Supermärkten ankommt. Das nutzt etwa die Schweizer Supermarkkette Coop, die bereits Basilikum des Start-Ups Yasai im Angebot hat. Aus Sicht von Penn lautet „die Frage nicht ob, sondern wann“, dass das auch in anderen Ländern passiert – vielleicht demnächst auch im Hanfladen um die Ecke.

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[1] Pacific Standard, 19.05.2009: Going Up_ Vertical Farming in high-rises raises hopes

[2] Yasai, 24.01.2022: Product launch at Coop> Vertical Farming pionees brings verz first products to market