Kaum Fortschritte in der ersten Woche der UN-Klimakonferenz

Die Minister werden in der zweiten Woche mit zu vielen offenen Fragen konfrontiert

Die erste Woche der UN-Klimakonferenzen dient dazu, technische Fragen abzuräumen und die wesentlichen politischen Fragen herauszuarbeiten. Doch in Scharm el-Sheikh ist das nicht gelungen. Die Minister werden in der zweiten Woche viel Zeit auf Klein-Klein verschwenden müssen.

“Wir sind sehr, sehr besorgt, dass es hier nur zu einem minimalen Ergebnis kommen wird”, sagte Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Delegation, am Ende der ersten Woche der 27. UN-Klimakonferenz (COP27) in Scharm el-Sheikh. Und auch der Chef des UN-Klimasekretariats, Simon Stiell, zeigte sich unzufrieden. Er „rüffelte“ gemäß dem inoffiziellen Protokoll der COPs, dem Earth Negotiations Bulletin (ENB), die Verhandler dafür, so viele Fragen offen zu lassen und sagte: „Wenn wir die Verhandlungen blockieren, werden wir kein Ergebnis erzielen, das dieses Prozesses würdig ist.“ [1] Das Bulletin vom Samstag ist denn auch voll mit Formulierungen wie „Die Vertragsparteien konnten sich nicht auf ein Resultat verständigen“. Auffällig war zudem die Zurückhaltung der ägyptischen COP-Präsidentschaft in den abschließenden Plenarversammlungen. Normalerweise macht das Gastgeberland Druck, um möglichst viele technische Themen in der ersten Woche abzuschließen, damit sich die Minister in der zweiten Woche auf die politischen Themen konzentrieren können.

Aus Sicht der Industriestaaten ist das wichtigste Thema dieser COP, ein „Arbeitsprogramm“ auszuarbeiten, um die Emissionen so stark zu senken, damit die Aussicht auf eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad „am Leben bleibt“. Doch hier tun sich fundamentale Gräben auf. Die Entwicklungsländer lehnen es ab, die „größten Emittenten“ dazu anzuhalten, ihre Emissionen stärker zu senken, denn das beinhaltet auch Länder wie China und Saudi Arabien. Die größten Emittenten sind für rund 80 Prozent der Emissionen verantwortlich. Die Entwicklungsländer fürchten allerdings, dass dadurch eine dritte Länderkategorie eingeführt wird, neben „Industrie- und Entwicklungsländern“. Sie lehnen es zudem ab, gezielt in den Sektoren Kohle, Öl und Gas nach Potentialen für zusätzliche Emissionssenkungen zu suchen. Der Energiemix der Länder würde „auf nationaler Ebene entschieden“ und könne daher nicht Gegenstand multilateraler Verhandlungen sein. Selbst bei der der Dauer des „Arbeitsprogramms“ besteht Uneinigkeit: Der Verhandlungstext hat hier noch vier Optionen: Manche Länder wollen das Programm im Jahr 2023 abschließen, andere im Jahr 2024, dritte im Jahr 2030 und vierte wenn „der Emissionspfad zur Erreichung der Ziele des Paris Abkommens erreicht ist“.

Inventar. Der US-Sondergesandte fürs Klima, John Kerry, hat seine Frau am Erdgipfel in Rio de Janeiro kennengelernt und war an jeder Klima-COP. (Foto: IISD)
Inventar. Der US-Sondergesandte fürs Klima, John Kerry, hat seine Frau am Erdgipfel in Rio de Janeiro kennengelernt und war an jeder Klima-COP. (Foto: IISD)

Auch bei dem Thema, das den Entwicklungsländern besonders am Herzen liegt, der finanziellen Unterstützung bei Verlusten und Schäden in Folge der Klimaerwärmung, wurden keine substantiellen Ergebnisse erzielt. Die Entwicklungsländer bestehen darauf, dass dafür ein neuer und eigenständiger Fonds geschaffen werden muss, in dessen Rahmen dann alles weitere ausgehandelt wird. Die Industriestaaten wollen hingegen erst über die verschiedenen Ursachen für Verluste und Schäden reden, wie Stürme, Dürren oder den ansteigenden Meeresspiegel, und dann spezifische Instrumente entwickeln, falls dies erforderlich ist. Einig sind sich die Länder nur darin, dass dieses Thema äußerst dringend ist, aber ohne einen Konsens bezüglich des weiteren Vorgehens lassen sich natürlich keine Lösungen entwickeln. Zudem sind sich die Entwicklungsländer untereinander uneinig, wer für Verluste und Schäden aufkommen soll. Die kleinen Inselstaaten wollen, dass auch Länder wie China dafür bezahlen, schließlich hat das Land historisch gesehen, die zweitmeisten Emissionen verursacht. „Ich denke nicht, dass es einen Freifahrtschein für irgendein Land gibt“, sagte der Sprecher dieser Länder, der Premierminister von Antigua und Barbuda, Gaston Browne. Doch China lehnt das ab und will höchstens „freiwillige“ Beiträge leisten.

Überschattet werden die Verhandlungen zudem vom Schicksal des ägyptischen Bürgerrechtlers Alaa Abdel-Fattah. Dieser hat vor Wochen im Gefängnis einen Hungerstreik begonnen und weigert sich seit Beginn der COP zu trinken. Am Donnerstag war daher eine „medizinische Intervention“ erforderlich, wie die ägyptischen Behörden mitteilten. Viele ausländische Staats- und Regierungschefs wie Bundeskanzler Olaf Scholz oder US-Präsident Joe Biden verlangten auf der COP die sofortige Freilassung von Abdel-Fattah, doch bislang lehnt die ägyptische Regierung dies ab. Der ägyptische Außenminister und COP-Präsident Sameh Shoukry sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AP: „Ich konzentriere mich darauf, die Bedeutung der COP hervorzuheben. Andere Themen, die nicht direkt mit dem Klima zu tun haben, könnten von dieser Aufmerksamkeit ablenken.“ [2] Etwas entgegenkommender zeigte sich Shoukry derweil bei praktischen Fragen. In den ersten Tagen war nicht genug Wasser da und das Catering war nur zu horrenden Preisen erhältlich. So kostete ein Sandwich zwölf Euro und COP-Teilnehmer verglichen die Konferenz mit der Filmserie „Hunger Games“. Dass diese Preise unangemessen sind, sahen schließlich auch die ägyptischen Gastgeber ein und senkten die Preise um die Hälfte.

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[1] IISD, 13.11.2022: Daily report for 12 November 2022

[2] AP, 11.11.2022: COP27 focus should be climate, not jailed activist