Gerichte in den USA, Brasilien und Europa treffen wichtige Klimaentscheidungen

In Brasilien ist das Paris Abkommen jetzt ein Menschenrechtsvertrag

Das Urteil des höchsten US-Gerichts zu den Befugnissen der Umweltschutzbehörde hat die meiste Aufmerksamkeit bekommen. Dabei ist ein brasilianisches Urteil viel weitreichender und auch in Europa könnte es zu einem historischen Klimaurteil kommen.

Das oberste Gericht der USA hat die Möglichkeiten der Umweltschutzbehörde EPA eingeschränkt, Treibhausgase zu regulieren. Der Bundesstaat West Virginia hatte gegen den Clean Power Plan des früheren Präsidenten Barack Obama geklagt, der den Bundesstaaten Emissionsziele gesetzt hätte. Mit dem Plan sollten die Emissionen des Stromsektors bis 2030 um 32 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 gesenkt werden. Dies sollte insbesondere durch die Reduktion der Kohleverstromung und den Einsatz von mehr Gas sowie erneuerbaren Energien erreicht werden. Mit diesem Ansatz hätte die EPA allerdings ihre Befugnisse überschritten, argumentierte das Gericht am Donnerstag letzter Woche: „Der Kongress hat der EPA nicht die Befugnis erteilt, Emissionsobergrenzen festzulegen.“ [1]

Andres Restrepo von der US-Umweltorganisation Sierra Club bedauerte diese Entscheidung: Das Gericht „hat der EPA das effektivste Mittel weggenommen, die Emissionen zu senken“. [2] Trotzdem habe die EPA aber weiterhin „eine rechtliche Verpflichtung Treibhausgase zu regulieren“. Sie könne etwa einzelnen Kraftwerken konkrete Emissionsgrenzen vorgeben. Außerdem hätten die Stromkonzerne mittlerweile einen wirtschaftlichen Anreiz, Wind und Sonne zur Stromerzeugung zu nutzen. Das Ziel des Clean Power Plans wird denn auch übererfüllt werden, obwohl der Plan nie in Kraft getreten ist. Aus diesem Grund hätte das Gericht die Klage eigentlich auch abweisen können. Dass es die Klage dennoch zugelassen hat, hatte daher bei Umweltorganisation für große Befürchtungen gesorgt. David Bookbinder vom US-Thinktank Niskanen Center sagte daher: Die Richter „haben den kleinstmöglichen Schaden angerichtet, den sie hätten anrichten können“. [3]

Abgesagt. Vielleicht sorgen Gerichte dafür, dass es doch keiner Revolution bedarf. (Foto: Spielvogel / Wikimedia)
Abgesagt. Vielleicht sorgen Gerichte dafür, dass es doch keiner Revolution bedarf. (Foto: Spielvogel / Wikimedia)

In zwei anderen Weltgegenden hatte das Klima hingegen mehr Erfolg vor Gericht. In Brasilien hat das oberste Gericht geurteilt, dass das Paris Abkommen ein Menschenrechtsabkommen ist. In Brasilien hat das weitreichende Konsequenzen: Menschenrechtsabkommen haben einen höheren Status als normale Gesetze oder Staatsverträge. Caio Borges von der brasilianischen Umweltorganisation Clima e Sociedade sagte zu dem Urteil: „Wenn ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz im Widerspruch zu einer Bestimmung eines Menschenrechtsvertrags steht, hat der Menschenrechtsvertrag Vorrang. Der Status der Supralegalität verleiht den Menschenrechtsverträgen eine ‚abschreckende Wirkung‘ auf Gesetze, die ihnen zuwiderlaufen.“ [4] Das Gericht urteilte zudem, dass es gegen die Verfassung verstößt, Gelder die für den Klimaschutz vorgesehen sind, nicht auszugeben. Die Regierung von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hatte in den Jahren 2019 und 2020 die Gelder in Brasiliens Klimafonds nicht investiert. [5]

Ein Etappensieg wurde zudem in Europa erzielt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die Klage von sechs portugiesischen Jugendlichen gegen 33 Länder in Europa vor der großen Kammer mit allen 17 Richtern verhandelt wird. Das ist ungewöhnlich. Von den 72.100 Fällen die derzeit vor dem Gericht anhängig sind, sollen nur 22 von der großen Kammer entschieden werden. [5] Diese kommt in „schwerwiegenden Fällen“ zum Zug. Dies trifft nun auch auf diesen Fall zu. Die Jugendlichen argumentieren, dass die Länder mit ihrer Klimapolitik gegen die Menschenrechte der Menschen in Europa verstoßen. Wie wichtig das Gericht diesen Vorwurf nimmt, hatte sich schon letztes Jahr gezeigt. Damals hatte das Gericht entschieden, den Fall prioritär zu behandeln und hatte den Regierungen eine besonders kurze Frist gesetzt, um zu diesem Vorwurf Stellung zu nehmen. Sofia, eine der Klägerinnen, sagte zu der aktuellen Entscheidung: „Nun hoffen wir, dass diese Richter unseren Fall so schnell wie möglich anhören und die europäischen Regierungen dazu bringen, die dringend notwendigen Maßnahmen zu unserem Schutz zu ergreifen.“ [6]

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[1] Supreme Court, 30.06.2022: West Virginia v EPA (PDF)

[2] E3G, 01.07.2022: West Virginia v EPA: What does it mean for the US NDC? (Video)

[3] Sierra Club, 30.06.2022: The Supreme Court Strikes Again

[4] Caio Borges, 01.07.2022: Tweet

[5] Climate Law Blog, 01.07.2022: Brazilian Supreme Court recognizes the Paris Agreement as a human rights treaty

und

Climate Law Blog, 01.07.2022: Youth case at the European Court of Human Rights moves forward

[6] GLAN, 01.07.2022: Tweet