Klimakonferenz in Bonn hat kaum Fortschritt erzielt

Gegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern prägt noch immer die Verhandlungen

In Bonn haben die Länder versucht, die Agenda für die kommenden Jahren abzustecken – von der Senkung der Emissionen, über die Anpassung an den Klimawandel und Verluste und Schäden sowie der Finanzierung von alldem. Weit gekommen sind sie nicht.

Gestern (Donnerstag) ist in Bonn die Juni-Session der UN-Klimakonferenz zu Ende gegangen Diese diente der Vorbereitung der nächsten „großen“ Klimakonferenz im November im ägyptischen Badeort Sharm-El-Sheikh. Der Hauptstreitpunkt in Bonn waren klimabedingte Verluste und Schäden. Die Entwicklungsländer wollen hier einen Fonds, der ganz spezifisch bei Verlusten und Schäden wegen der Erwärmung hilft. Denn die Klimafinanzierung der Industriestaaten dient bislang nur der Reduktion der Emissionen und der Anpassung an den Klimawandel. Sturmschäden, Ernteausfälle wegen Dürren oder Überschwemmungen werden nicht abgedeckt. Aus Sicht von Patricia Espinosa, der Chefin des UN-Klimasekretariats, klafft daher noch eine Lücke: „Es besteht kein Zweifel, dass finanzielle Mittel benötigt werden. Und ja, ein Teil dieser Mittel muss von den Regierungen der entwickelten Länder kommen.“ [1] Diese wollen das aber unbedingt verhindern, weil sie befürchten, dass daraus eine Verpflichtung zu Schadensersatz entstehen könnte.

Wie groß die klimabedingten Verluste sind, zeigt eine neue Studie, die im Auftrag von 55 Länder erstellt wurde, die gegenüber der Klimaerwärmung am verletzlichsten sind. [2] Diese Staaten haben in den Jahren von 2000 bis 2019 jährlich knapp einen Prozentpunkt an Wirtschaftswachstum eingebüßt wegen der Klimaerwärmung. Ohne diese wären sie heute also um ein Fünftel wohlhabender. Dabei haben diese Länder kaum zur Erwärmung beigetragen. In den meisten liegen die Pro- Kopf-Emissionen deutlich unter dem globalen Durchschnitt. Auf schnelle Hilfe sollten sie dennoch nicht hoffen, denn in Bonn blieb es bis zuletzt unklar ob der Fonds für Verluste und Schäden überhaupt auf die Agenda in Sharm-El-Sheikh kommt.

Cancun. Die ehemalige Umweltministerin Mexikos, Patricia Espinosa, hat die UN-Klimakonferenz in Cancun im Jahr 2010 über die Ziellinie gebracht, indem sie feststellte: "Konsens bedeutet nicht, dass ein einzelnes Land ein Vetorecht hat." (Foto: Harlem29 / Wikimedia)
Cancun. Die ehemalige Umweltministerin Mexikos, Patricia Espinosa, hat die UN-Klimakonferenz in Cancun im Jahr 2010 über die Ziellinie gebracht, indem sie feststellte: “Konsens bedeutet nicht, dass ein einzelnes Land ein Vetorecht hat.” (Foto: Harlem29 / Wikimedia)

Ein weiteres Thema war das Arbeitsprogramm zur Anhebung der Klimaziele der Staaten. Eigentlich wurde bei der Klimakonferenz letztes Jahr in Glasgow vereinbart, dass bis November dieses Jahres alle Länder neue Ziele beim UN-Klimasekretariat einreichen. Das werden allerdings nur sehr wenige Länder wie Australien tun. Dort hat die neue Regierung angekündigt, die Emissionen bis 2030 um 43 und nicht nur 26 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 zu reduzieren. Damit sich die anderen Länder Australien als Vorbild nehmen, soll in Sharm-El-Sheikh ein „Arbeitsprogramm“ aufgesetzt werden. Doch die Länder in Bonn konnten sich noch nicht mal ansatzweise darauf einigen, was dieses Programm beinhalten soll. Sie nahmen in Bonn ein informelles Papier der Vorsitzenden dieser Arbeitsgruppe nur „zur Kenntnis“ und hielten ausdrücklich fest, dass dieses „keinen Konsens unter den Vertragsparteien darstellt“. [3]

Der Hauptstreitpunkt war hier die Frage, ob sich das Programm primär an die „größten Emittenten“ richten soll oder an alle Länder. Die Industriestaaten wollen sich auf die größten Emittenten beschränken, zu denen sie meist selber gehören. China, Indien, Saudi Arabien und einige andere große Entwicklungsländer wollen dies aber unbedingt verhindern. Dadurch würde eine neue „Kategorie von Ländern“ eingeführt und dies sei nicht von der UN-Klimakonvention gedeckt. Letztere unterscheidet nur zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und dabei soll es gemäß den großen Schwellenländern auch bleiben.

In Bezug auf die Verhandlungen in Bonn sagte daher Espinosa: „Ich denke, was wir hier gesehen haben, ist nach wie vor die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.“ [1] Sie selbst wird sich mit diesem Problem in Zukunft allerdings nicht mehr herumschlagen müssen. Espinosa tritt im Juli als Chefin des UN-Klimasekretariats ab. Wer ihr nachfolgen wird, ist noch nicht bekannt. Die wichtigste Qualifikation für ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger ist aus Sicht von Espinosa „dass man viel zuhören sollte – den Menschen zuhören – und versuchen, sich in die Lage anderer Menschen zu versetzen“.

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[1] CarbonBrief, 15.06.2022: The Carbon Brief Interview: UN climate chief Patricia Espinosa

[2] V20, 2022: Economic losses attributable to climate change in V20 economies over the last two decades (PDF)

[3] UNFCCC, 14.06.2022: SBI 56 agenda item 6 and SBSTA 56 agenda item 6 (PDF)