Bundeswehr nutzt ihr Potential für Energiewende nicht

Die Selbstversorgung mit Grünstrom liegt unter einem Prozent

Militärstandorte sind ideal für ein Microgrid, mit eigener Stromerzeugung, der Speicherung in Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und einer intelligenten Steuerung des Stromverbrauchs. Die US-Armee weiß das, die Bundeswehr nicht.

Die US-Armee, also die amerikanischen Landstreitkräfte, hat Anfang Februar eine Klimastrategie veröffentlicht. Darin wird unmissverständlich festgehalten: „Der Klimawandel bedroht Amerikas Sicherheit und verändert die geostrategische Landschaft.“ Und dies nicht etwa in weiter Zukunft sondern schon in der Gegenwart: „Für die Soldaten von heute, die in Umgebungen mit extremen Temperaturen operieren, Waldbrände bekämpfen und die Bewältigung von Wirbelstürmen unterstützen, ist der Klimawandel keine ferne Zukunft, sondern Realität.“ Aus diesen Gründen setzt sich die US-Armee Klimaziele, die durchaus anspruchsvoll sind: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2005 halbiert und bis 2050 auf netto-null gesenkt werden. Unterlegt ist das mit konkreten Maßnahmen wie einem komplett elektrifizierten Fuhrpark bis 2027 (Lastwagen bis 2035, ohne „taktische“ Fahrzeuge) und 100 Prozent Grünstrom bis 2030. [1]

Bei der Bundeswehr sucht man vergebens nach einer solchen Strategie oder klaren Klimazielen. Die deutschen Streitkräfte waren im Jahr 2020 für den Ausstoß von 1,3 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich. Das entspricht den Emissionen von Sierra Leone, einem Land mit acht Millionen Einwohnern. Gemäß Klimaschutzgesetz müssen die Emissionen der Bundesverwaltung bis 2030 auf netto-null sinken. Das gilt allerdings nur für das Verteidigungsministerium und dessen zivile Behörden und nicht für die Streitkräfte. Für diese gibt es nur konkrete Ziele für den Anteil erneuerbarer Energien am Strom- und Wärmeverbrauch. Im Jahr 2020 wurden diese Ziele bei weitem übererfüllt, wie aus dem Energiebericht 2020 hervorgeht: Beim Strom war das Ziel ein erneuerbaren Anteil von 35 Prozent und bei der Wärme von 14 Prozent. Tatsächlich erreicht wurden allerdings 65 Prozent beim Strom und 15 Prozent bei der Wärme. [2]

Nachzügler. Die Marine und Luftwaffe dürften die letzten Bereiche sein, die irgendwann dekarbonisiert werden. Dafür haben Schiffe ihr eigenes Microgrid. (Foto; Tom Twardy / Bundeswehr / Flickr)
Nachzügler. Die Marine und Luftwaffe dürften die letzten Bereiche sein, die irgendwann dekarbonisiert werden. Dafür haben Schiffe ihr eigenes Microgrid. (Foto; Tom Twardy / Bundeswehr / Flickr)

„Dort, wo es zweckmäßig ist, setzt die Bundeswehr bereits in großer Zahl Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien ein“, teilte ein Sprecher des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, kurz BAIUDBw mit. Ein genauerer Blick auf die Zahlen legt allerdings die Vermutung nahe, dass die Bundeswehr hier das Potential bei weitem unterschätzt. Die Bundeswehr verfügt über 33.000 Gebäude auf 1500 Liegenschaften. Auf diesen 33.000 Dächern finden sich allerdings nur 59 Solaranlagen. Auch Windräder haben es bei der Bundeswehr schwer: Davon hat sie keine. Etwas höher im Kurs stehen Pellet- und Holzhackschnitzelheizungen. Hiervon betreibt die Bundeswehr 90 Stück. Weniger beliebt sind hingegen Wärmepumpen, von denen es nur 43 gibt. Insgesamt produziert die Bundeswehr so nur 3,9 Prozent ihres Wärmebedarfs und nur 0,4 Prozent ihres Strombedarfs auf nachhaltige Art selbst. [2]

Auch das Potential von Microgrids, also eigenen kleinen Stromnetzen, ist der Bundeswehr bislang verborgen geblieben. Die US-Armee will bis zum Jahr 2035 an „jedem Standort“ ein solches Netz haben, um die „Widerstandsfähigkeit, Effizienz und Erschwinglichkeit zu maximieren“. [1] Dabei denkt sie an ein integriertes System mit „der Erzeugung von erneuerbaren Energien vor Ort, groß angelegten Batteriespeichern und Microgrids“. An geeigneten Standorten dürfte es der US-Armee so gelingen, energieautark zu sein. Im Energiebericht der Bundeswehr wird hingegen das Wort „Microgrids“ nicht ein einziges Mal erwähnt. [2] Das scheint eine verpasste Chance zu sein, denn wo, wenn nicht auf einem großen Bundeswehstandort lassen Stromproduktion, -speicherung und –verbrauch perfekt aufeinander abstimmen. Außerdem müssten sich integrierte Energiesysteme an den Standorten auch rechnen: Im Jahr 2020 hat die Bundeswehr immerhin 134 Millionen Euro für Wärme und 187 Millionen für Strom ausgegeben.

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[1] US-Armee, Februar 2022: Army Climate Strategy (PDF)

[2] BAIUDBw, undatiert: Energiebericht 2020 Bundeswehr (PDF)