Die Ukraine und der Brotpreis

Der Arabische Frühling war auch Folge eines Anstiegs der Lebensmittelpreise

Die Ukraine ist einer der wichtigsten Exporteure von Lebensmittel weltweit. Sollten wegen eines Konflikts mit Russland diese Exporte wegfallen, würden die eh schon hohen Preise für Lebensmittel steigen, was wiederum in manchen Ländern politische Unruhen zur Folge haben könnte.

Lebensmittel sind aktuell so teuer wie zuletzt im Jahr 1974, wie Daten der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) [1] In beiden Fällen ist das zum Teil dem Ölpreis geschuldet: 1973 verhängte das Ölkartell Opec ein Ölembargo und heute ist Öl wegen der Marktturbulenzen in Folge der Coronapandemie teuer. Aktuell kommt noch der hohe Gaspreis dazu. Dieser verteuert die Herstellung von Dünger. Zudem hat Russland für die Monate Februar und März ein Exportverbot für Ammoniumnitrat verhängt, ein Bestandteil von Stickstoffdünger. [2] Dies ist besonders gravierend, weil Russland bei Dünger einen Weltmarktanteil von knapp zwei Dritteln hat. [3] Doch die Preise könnten noch deutlich höher steigen, wenn Russland in die Ukraine einmarschiert oder eine Seeblockade verhängt.

In Europa dürften insbesondere Speiseöle teurer werden oder sogar knapp. Die EU bezieht ein Viertel des Speiseöls aus der Ukraine. Das Land ist der weltgrößte Exporteur von Sonnenblumenöl und liegt bei Rapsöl auf Platz zwei. [4] Die EU hätte hingegen keine größeren Schwierigkeiten einen Wegfall der Weizen- und Maisexporte auszugleichen. Auch hier zählt die Ukraine zu den größten Exporteuren und liegt bei Weizen auf Platz drei und bei Mais auf Platz vier der Weltrangliste. Die EU importiert allerdings nur einen sehr kleinen Teil dieser Produkte aus der Ukraine. [5] Anders sieht das in vielen anderen Ländern aus. Der Libanon importiert die Hälfte des Weizenbedarfs aus der Ukraine. Auch Libyen (43 Prozent), Malaysia und Indonesien (je 28 Prozent), der Jemen (22 Prozent), Bangladesch (21 Prozent) und Ägypten (14 Prozent) beziehen einen großen Anteil ihres Weizens aus der Ukraine. [6]

Chokepoint. Falls es zu einer Blockade des Hafens von Odessa kommt, haben viele Länder ein Problem. (Foto: Unbekannt / WallpaperFlare)
Chokepoint. Falls es zu einer Blockade des Hafens von Odessa kommt, haben viele Länder ein Problem. (Foto: Unbekannt / WallpaperFlare)

Falls die Ukraine als Exporteur ausfallen sollte, würde davon insbesondere ein Land profitieren: Russland ist der wichtigste Exporteur von Weizen weltweit und könnte wohlgeneigte Länder beim Export bevorzugen. [7] Bei Mais sieht es nur marginal besser aus: Hier sind zwar die USA der weltgrößte Exporteur. [8] Auf den Plätzen folgen allerdings Argentinien und Brasilien und in diesen beiden Staaten herrscht derzeit Dürre, was bereits für die aktuell hohen Lebensmittelpreise mitverantwortlich ist. [1] Daher wäre auch hier der Wegfall der ukrainischen Exporte auf dem Weltmarkt sofort spürbar. Eine russische Invasion in der Ukraine könnte so weltweit – auch politische – Folgen haben. Einer der Gründe für den Beginn des Arabischen Frühlings im Jahr 2010 waren die damals sehr hohen Preise für Lebensmittel. Sollten die aktuell eh schon hohen Preise noch weiter steigen, könnte es daher in manchen Ländern zu Unruhen kommen.

In Deutschland, wo Lebensmittel nur zehn Prozent der Ausgaben eines Haushalts ausmachen, wären die Folgen weniger dramatisch. Doch auch hier sind Lebensmittel für einen großen Teil der Inflation verantwortlich: Im Jahresdurchschnitt waren diese letztes Jahr 8,8 Prozent teurer als im Jahr 2020. Und der Anstieg geht weiter: Im Dezember waren die Preise um 22,1 Prozent höher als im Vorjahr. Damit dürfte der Jahresdurchschnittswert auch dieses Jahr weiter steigen – auch ohne Krieg in der Ukraine.

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[1] FAO, Stand 14.02.2022: FAO food price index

[2] TASS, 02.02.2022: Russia introduces export ban on ammonium nitrate for two months — government

[3] Knoema, 14.02.2022: Ammonium nitrate (AN) – production

[4] Reuters, 26.01.2022: Ukraine’s rising role in grain exports complicates impact of crisis

[5] EU, 17.03.2021: Agri food trade European Union – Ukraine (PDF)

[6] Breakthrough Institute, 24.01.2022: A Russia-Ukraine War Could Ripple Across Africa and Asia

[7] Wikipedia, Stand 14.02.2022: List of countries by wheat exports

[8] Wikipedia, Stand 14.02.2022: List of countries by maize exports

[9] DeStatis, 14.02.2022: Producer prices of agricultural products up 22.1% in December 2021 year on year