Australien verliert sein Geschäftsmodell

Konservative Regierung reagiert geradezu hysterisch auf Klimapläne von Exportkunden und Banken

Australiens konservative Regierung sieht ihr Mandat darin, die Kohleexporte zu fördern. Damit wirkt sie zunehmend wie aus der Zeit gefallen, denn ein Land nach dem anderen kündigt an, die Emissionen auf null zu senken.

Tausche Bodenschätze gegen Alles andere. Dieses Geschäftsmodell hat für Australien in den vergangenen Jahrzehnten gut funktioniert. Eisenerz, Flüssiggas, Gold, Kohle und diverse andere Metalle machen mehr als die Hälfte aller australischen Exporte aus. [1] Die wichtigsten Abnehmer für diese Produkte sind China, Japan und Südkorea. [2] Abgesehen von ihrer Bedeutung für den australischen Bergbau haben diese drei Länder aber noch etwas anderes gemein: Sie haben diese und letzte Woche angekündigt ihre CO2-Emissionen auf null zu senken. Japan und Südkorea wollen das bis 2050 erreichen und China bis „spätestens 2060“. Steven Hamilton vom Thinktank Blueprint Institute sagte anlässlich der Vorstellung einer neuen Studie dazu: „Australiens drei größte Exportkunden, die 96 Prozent unseres Eisenerzes und zwei Drittel unserer Kohle kaufen, haben sich alle zu netto-null verpflichtet. Wenn wir nicht schnell handeln und uns ihnen anschließen, dann bleiben wir im Staub zurück.“ [3] Und viel Zeit bleibt Australien tatsächlich nicht: Hauptabnehmer Japan hat schon im Juli bekannt gegeben, dass 100 der 140 Kohleblöcke in den nächsten zehn Jahren stillgelegt werden.

Fanatisch. Scott Morrison hat einmal ein Stück Kohle mit ins Parlament gebracht. (Video: Australian Parliament)

Australien kommt aber auch politisch unter Druck. Die konservative australische Regierung von Premierminister von Scott Morrison weigert sie sich nach wie vor zu sagen, bis wann die australischen CO2-Emissionen bei null liegen sollen. Dies geschehe „in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts“. Doch damit ist die Regierung selbst im eigenen Land isoliert. Jeder australische Bundesstaat will ab 2050 CO2-frei wirtschaften. [4] Die Zentralregierung hingegen kann sich noch nicht mal dazu durchringen, die neuen Klimaziele von China, Japan und Südkorea zu „begrüßen“. Danach gefragt, sagte Außenministerin Marise Payne: Die Regierung habe diese Entscheidungen „zur Kenntnis genommen“. [5]

Die Regierung hält auch daran fest, das Klimaziel für 2030 nicht durch Emissionssenkungen sondern mit Hilfe von überschüssigen CO2-Zertifikaten aus dem Kyoto-Protokoll zu erfüllen. Auch damit ist das Land isoliert, wie der Jamie Isbister, der Chefunterhändler bei den UN-Klimaverhandlungen eingestehen musste. Derzeit sei „Australien das einzige Land“ das dies vorhabe. [6] Beides wird scharf in der Blueprint Studie kritisiert: „Wenn wir uns nicht bald verpflichten, bis 2050 Netto-Null zu erreichen, wird dies unser internationales Ansehen schmälern und unserer Wettbewerbsfähigkeit schaden.“ Und: „Wir sollten uns heute verpflichten, unser Paris Ziel zu erreichen, ohne unsere Kyoto-Gutschriften zu verwenden.“ [7] Das pikante an diesen Statements: Das Blueprint Institute steht eigentlich der konservativen Partei nahe.

Bank run. Zur Not wird halt das Finanzsystem destabilisiert, solange es nur der Kohleindustrie etwas bringt. (Foto: Georg Pahl / Wikipedia)

Auch die australischen Banken haben längst kein Verständnis mehr für den Pro-Kohle-Kurs der Regierung. Diese Woche kündigte die ANZ Bank als dritte Großbank an, keine Kredite für neue Kohleprojekte zu vergeben und bestehende Kredite an Kohlekonzerne bis 2030 auslaufen zu lassen. Daraufhin riefen drei Minister zum Boykott der Bank auf. Landwirtschaftsminister David Littleproud sagte, Banken dürften nicht „zum moralischen Kompass und Schiedsrichter werden“ und drohte ANZ sogar damit, die staatliche Einlagengarantie zurückzunehmen. [8] Daraufhin warnte der ehemalige Chef der australischen Zentralbank Bernie Fraser vor einem „Banksturm“: „Die Einlagegarantie wurde in der Finanzkrise geschaffen, um zu verhindern, dass Bankkunden all‘ ihr Geld abheben und die Banken in den Konkurs treiben, wie es in vielen anderen Ländern passiert ist.“ [9] ANZ-Chef Shayne Elliott nahm die Drohung derweil gelassen und sagte manche Reaktionen auf die neue Klimapolitik der Bank seien „hysterisch“. [9] mic

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[1] Australian Government, September 2020: Resources and Energy Quarterly

[2] OEC, Stand 30.10.2020: Australia

[3] Financial Review, 30.10.2020: Net-zero goals cloud $76b of exports

[4] ECIU, Stand 30.10.2020: Karte der Länder mit Netto-Null Zielen

[5] Guardian, 29.10.2020: Marise Payne declines to welcome adoption of net zero emissions target by Japan and South Korea

[6] Renew Economy, 29.10.2020: Foreign minister refuses to ‘welcome’ zero carbon pledges, as Australia goes it alone

[7] Blueprint, Oktober 2020: Powering the next boom – Priorities for energy reform in the coming decade (PDF)

[8] SMH, 29.10.2020: ‘Sheer virtue signalling’: ANZ carbon policy riles Nationals

[9] Financial Review, 29.10.2020: Bank ‘run’ risk from ANZ climate lashing