Europa geht in Klimaoffensive

Von der Leyen kündigt „European Green Deal“ bei Klimakonferenz an

Ursula von der Leyen hatte eine „geopolitische EU-Kommission“ angekündigt. Mit ihrem Auftritt an der Klimakonferenz wird sie diesem Anspruch zumindest in der Klimapolitik gerecht: Während die USA aus dem Paris Abkommen aussteigen wollen und China zaudert, geht Europa in Führung.

Es war ihr erster wirklicher Arbeitstag und sie verbrachte ihn auf der UN-Klimakonferenz: Ursula von der Leyen gibt sich als neue Chefin der EU-Kommission Mühe, ihr vor ihrer Wahl bekundetes Interesse am Klimaschutz glaubhaft zu machen. Zum Auftakt des zweiwöchigen Klimagipfels in Madrid kündigte sie einen „European Green Deal“ an. Dazu sei ein Investitionsprogramm mit einem Umfang von einer Billion Euro über die nächsten zehn Jahre nötig. Losgehen soll der klimapolitische Neuanfang mit einem europäischen Klimagesetz im kommenden März.

Das Ziel sei, die EU bis 2050 zum „ersten klimaneutralen Kontinent“ zu machen, so von der Leyen. Klimaneutralität bis 2050 gilt als klimapolitisches Minimum, auch wenn sich durch Neuberechnungen des globalen CO2-Budgets in den vergangenen Monaten gezeigt hat, dass das wahrscheinlich nicht reicht. Ob die EU von der Leyens Ansage Folge leisten wird ist allerdings noch nicht sicher. Nächste Woche sollen die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten die Klimaneutralität bis 2050 als klimapolitisches Ziel des Staatenbundes beschließen – noch lehnen einige osteuropäische EU-Mitglieder wie Polen und Ungarn das aber ab.

Von der Leyen geht an ihrem ersten Tag daher ein gewisses Risiko ein. Wenn sie ihre heute getroffene Zusage zurücknehmen müsste, wäre das peinlich – andernfalls könnte sie dem globalen Klimaschutz auf die Sprünge helfen. Von Umweltschützern bekam von der Leyen Lob. „Der European Green Deal denkt die Klima-, Rohstoff- und Biodiversitätsfrage zusammen“, sagte Christoph Bals, Chef der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Mit einer finanziellen Ausstattung von einer Billion Euro in den kommenden zehn Jahren sende von der Leyen zudem „ein kraftvolles Signal“ zur Ernsthaftigkeit der europäischen Ambitionen. „Allerdings muss geprüft werden, was an dieser Summe wirklich neues Geld und was eventuell Luftbuchungen sind.“

Einen Wermutstropfen gibt es aber: Zum europäischen Klimaziel für das kommende Jahrzehnt sagte von der Leyen nichts – dabei ist es genau diese Periode, für die alle Staaten im Rahmen des Paris Abkommens nächstes Jahr verbesserte Klimaziele vorlegen sollen. „Damit die notwendige Dynamik zur Zielerhöhung weltweit entstehen kann, muss die EU während des Klimagipfels in Madrid noch deutlich konkreter werden“, mahnte Bals an. Ein stärkeres Klimaziel für 2030 sei ohnehin nötig, wenn die EU zur Hälfte des Jahrhunderts klimaneutral sein wolle.

UN-Chef António Guterres appellierte in diesem Sinne an die Staaten des Paris-Abkommens. „Der Punkt, an dem es keine Rückkehr aus der Krise gibt, ist nicht mehr jenseits des Horizonts, sondern in Sichtweite“, sagte er im Vorfeld der Verhandlungen in Madrid. Guterres warnte vor der Erreichung von Kipppunkten im Klimasystem, nach deren Überschreiten sich die Klimaüberhitzung selbst verstärkt und vom Menschen nicht mehr gestoppt werden kann. Solche Punkte sind etwa das Auftauen der Permafrostböden oder das Absterben des Amazonas Regenwalds.

Noch sei es aber möglich die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, doch es fehle der politische Wille, kritisierte der UN-Chef. Was die Staaten bislang an Klimaschutz versprochen haben, dürfte eine Klimaerhitzung zwischen drei und vier Grad zur Folge haben. „Bis jetzt waren unsere Anstrengungen, dieses Ziel zu erreichen, vollkommen unzureichend“, sagte Guterres. Er richtete sich vor allem an die Schwergewichte beim Treibhausgasausstoß wie die USA, China oder  die EU. „Die größten Emittenten tun nicht genug.“ Diese Analyse versucht von der Leyen nun zumindest teilweise zu entkräften. mic

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