Kohlenstoffmärkte sollen Kosten für Klimaschutz senken

Im Jahr 2030 könnte ein Zehntel aller Emissionen zwischen den Ländern umverteilt werden

Durch den Handel mit Kohlenstoffzertifikaten wird Klimaschutz billiger. Damit das Klima auch etwas davon hat, müssen aber die Marktregeln stimmen. Diese richtig hinzubekommen ist allerdings schwierig, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

Die Grundüberlegung ist simpel: Wenn man die Freisetzung von einer Tonne CO2 vermeiden oder der Atmosphäre eine Tonne CO2 entziehen will, entstehen Kosten. Doch diese Kosten sind von Firma zu Firma und von Land zu Land verschieden. Daher sollte man dort anfangen, wo die Tonne am billigsten zu haben ist. Das kann man erreichen, indem man CO2 in Form von Zertifikaten verbrieft und anschließend handelt. Soweit die Theorie. Damit das Klima aber wirklich etwas davon hat, müssen die Regeln für die Kohlestoffmärkte stimmen. Und hier wird es schwierig, wie nicht zuletzt ein Blick auf die bestehenden Märkte zeigt. Erschwert werden die Verhandlungen zusätzlich, weil es dabei noch um einen anderen Rohstoff geht: Geld, viel Geld.

Bei Kohlenstoffmärkten werden zwei Typen unterschieden. Der bekannteste und größte Markt ist das Emissionshandelssystem der EU. Hier werden Verschmutzungsrechte gehandelt. Die Verkäufer dieser Rechte sind die EU-Staaten und die Käufer sind große Emittenten wie Kraftwerke oder Zement- und Stahlproduzenten. Diese müssen für jede Tonne CO2, die sie in einem Jahr emittieren, ein Zertifikat kaufen und dann abgeben. Weil die Zahl der verfügbaren Zertifikate von Jahr zu Jahr sinkt, sinken so auch die Emissionen. Das System hat aber lange nicht richtig funktioniert, weil zu viele Zertifikate im Markt waren und der Preis für eine Tonne CO2 unter fünf Euro lag. Nach einigen Korrekturen liegt der Preis mittlerweile aber wieder bei rund 24 Euro.

Marktordnung. Jeder Markt hat Regeln, egal wo auf der Welt. (Foto: Kim Seng / Flickr)
Marktordnung. Jeder Markt hat Regeln, egal wo auf der Welt. (Foto: Kim Seng / Flickr)

Beim zweiten Markttyp werden nicht Verschmutzungsrechte für die Zukunft gehandelt, sondern Emissionen, die in der Vergangenheit nachweislich vermieden wurden. Damit können Privatpersonen, Firmen und ganze Staaten ihre Emissionen kompensieren. Indem sie ein „Offset- Zertifikat“ kaufen, finanzieren sie ein Klimaprojekt und können sich dessen Nutzen anrechnen. Ein solcher Markt wurde durch das Kyoto Protokoll geschaffen, der Clean Development Mechanism, kurz CDM. Hier wurde seit dem Jahr 2001 in 8000 Projekten die Emission von zwei Milliarden Tonnen vermieden. Anschließend hat das UN-Klimasekretariat dafür handelbare Zertifikate ausgestellt. Diese haben aber einen schlechten Ruf, weil oft Projekte gefördert wurden, die sich auch ohne den Zertifikatehandel gerechnet hätten. Daher gibt es quasi keine Käufer mehr für diese Papiere und deren Preis liegt schon seit Jahren unter einem Euro pro Tonne.

Bei den UN-Klimaverhandlungen in Madrid soll nun ein neuer Offset-Markt geschaffen werden, mit dem Staaten und die Flugindustrie einen Teil ihrer Emissionen kompensieren können. Dadurch werden letztlich Emissionen von Land zu Land und von Industrie zu Industrie verschoben. Das Potential ist riesig wie eine Studie der Emissions Trading Association (IETA), einem Verband der Zertifikatehändler, zeigt: Im Jahr 2030 könnten so 4,3 Milliarden Tonnen CO2 verschoben werden. Das entspricht rund zehn Prozent der globalen Emissionen. [1 s. S. 6] Dadurch werde der globale Klimaschutz um 250 Milliarden Dollar billiger als ohne den Offset-Handel, sagt IETA. [1 s. S. 1] Damit diese Rechnung auch aus Klimasicht aufgeht müssen aber zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die geförderten Projekte dürfen sich nur dank der Einnahmen aus dem Zertifikateverkauf rechnen, denn sonst sind sie nicht zusätzlich. Außerdem darf die Emissionsminderung nicht auf das CO2-Ziel des Projektlandes und des Käufers angerechnet werden, sonst würde die Minderung doppelt gezählt.

Selbst wenn in Madrid Regeln vereinbart werden, die diese beiden Voraussetzungen erfüllen, heißt das noch nicht, dass der Markt tatsächlich so groß wird, wie von IETA errechnet. Schließlich müssen erst Offset-Zertifikate erarbeitet werden, bevor sie jemand kaufen kann. Das Stockholm Environmental Institute hat sich das Zertifikate-Angebot genauer angeschaut. Wenn besonders strenge Kriterien an die Offset-Projekte angelegt werden, dann stehen pro Jahr 190 Millionen Zertifikate zur Verfügung. [2 s. S. 1] Mit weniger strengen Kriterien und dem Einbezug von Waldprojekten sind dies 470 Millionen Zertifikate. Selbst letzteres entspricht nur gut einem Zehntel der von IETA prognostizierten Nachfrage.

Bei der Klimakonferenz letztes Jahr in Katowice konnten sich die Verhandler nicht auf die Regeln für die Kohlenstoffmärkte einigen. „Die Länder haben damals entschieden: Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal“, sagt Kelley Kizzier von der Umweltorganisation EDF. Bei der diesjährigen Konferenz in Madrid stehen die Märkte daher im Mittelpunkt. Das von Kizzier erwähnte Motto, gilt aber auch dort. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email
oder folgen sie der Facebook Seite

[1] IETA, September 2019: The Economic Potential of Article 6 of the Paris Agreement and Implementation Challenges (PDF)

[2] SEI, 2016: Supply and sustainability of carbon offsets and alternative fuels for international aviation (PDF)