Guterres setzt Länder beim Klima unter Druck

Der UN-Chef setzt auch auf ungewöhnliche Mittel, damit die Länder ihre Klimaziele nachbessern

In normalen Zeiten hat der UN-Chef eine Vermittlerrolle. Doch angesichts der Klimakrise reicht das nicht mehr aus, meint António Guterres. Aus diesem Grund macht er den Ländern klare Vorgaben, was beim Klima passieren muss.

In nur 16 Jahren wird sich das Klima um 1,5 Grad aufgeheizt haben, wenn die Länder keine zusätzlichen Massnahmen zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen ergreifen. Das ist die neuste Schätzung des Climate Action Trackers. [1] Und anschliessend wird es noch wärmer: Zwei Grad sind im Jahr 2053 erreicht und Ende des Jahrhunderts sind es 3,2 Grad. Zwischendurch hat das Klimasystem dann voraussichtlich einige Kipppunkte überschritten und die Erwärmung verstärkt sich selbst, sodass der Mensch sie nicht mehr stoppen kann. Vor diesem Hintergrund findet am Montag in New York ein Klimagipfel auf Einladung von UN-Chef António Guterres statt. „Wir verlieren das Rennen“ gegen die Klimaüberhitzung, sagte Guterres und bezeichnete die Situation als „Notstand“. [2]

Aus diesem Grund verlangt Guterres von seinen Gästen „klare Pläne und keine Reden“. Ausserdem liess er sie auch gleich wissen, was in den Plänen stehen soll: Klimaneutral bis 2050, keine neuen Kohlemeiler ab nächstem Jahr, ein Ende der Subventionen für Kohle, Öl und Gas und ein CO2-Preis. [3] Derart klare Forderungen sind für einen UN-Chef zumindest ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist auch, dass nicht jeder Regierungschef reden darf. Einen Drei-Minuten-Slot auf der Weltbühne bekommt nur, wer einen ausreichend guten Plan mitbringt. „Nur die kühnsten Pläne werden es auf die Bühne schaffen“, sagte UN-Vizechefin Amina Mohammed. „Am Montag werden wir sehen, wer vortreten wird.“ [4] Noch ist das ein gut gehütetes Geheimnis. Klar ist nur, wer nicht sprechen wird: Die USA, Brasilien, Australien, Japan und Südafrika.

The day after. UN-Chef António Guterres begutachtet die Schäden auf den Bahamas nach dem Hurrikan Dorian. Das Niveau der Zerstörung sei "einzigartig" so Guterres. (Foto: Mark Garten / UN OCHA)
The day after. UN-Chef António Guterres begutachtet die Schäden auf den Bahamas nach dem Hurrikan Dorian. Das Niveau der Zerstörung sei “einzigartig” so Guterres. (Foto: Mark Garten / UN OCHA)

Am meisten Spannung herrscht bezüglich China. Der UN-Sondergesandte fürs Klima, Luis Alfonso de Alba, sagte im Vorfeld: Er sei „sehr zuversichtlich, dass China mit klaren Zusagen in mehreren Bereichen zum Gipfel kommen wird, mit einem deutlich höheren Ambitionsniveau“. [5] Umgekehrt schickt China angeblich aber einen relativ niedrigrangigen Vertreter nach New York, was tendenziell gegen eine wichtige Ankündigung spricht. China entwickelt derzeit seinen Fünf-Jahres-Plan für die Periode 2021 bis 2025. [6] Bislang hat Peking nur zugesagt, dass die Emissionen im Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreichen. Ein regierungsnaher Thinktank fordert allerdings, dass dies schon im Jahr 2025 geschehen soll. [7] Chinas Klimaplan hänge zudem von weiteren Faktoren ab, meint Li Shuo von Greenpeace China: „Vor dem Hintergrund schwieriger wirtschaftlicher und geopolitischer Aussichten wägt China seine Möglichkeiten beim Klima ab.“ [8]

Auch Indien dämpfte vor dem Gipfel die Erwartungen: „Im Moment ist Indien nur in der Position seinen (bestehenden) Klimaplan zu erläutern“, teilte Delhi mit. [9] Zudem fordert Indien Unterstützung von den Industriestaaten und beklagt: „Zurzeit ist die Bereitstellung von Technologie und Geld unsicher.“ [9] Das bezieht sich insbesondere auf den Green Climate Fund (GCF). Dieser hat seit der Gründung im Jahr 2015 fünf Milliarden Dollar für über hundert Klimaprojekte auf der ganzen Welt zugesagt und benötigt frisches Geld. Dazu findet Ende Oktober in Paris eine Geberkonferenz statt. Während die USA und Australien bereits gesagt haben, dass sie nichts geben werden, haben einige Länder wie Deutschland, Norwegen, Grossbritannien und Frankreich angekündigt, ihren Beitrag zu verdoppeln. Nicht zuletzt deshalb wird erwartet, dass die Regierungschefs dieser Länder am Montag je drei Minuten reden dürfen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird bei dieser Gelegenheit den neuen Klimaplan Deutschlands vorstellen, der wohl auch wegen des UN-Gipfels unbedingt heute fertig werden muss. Dabei wird sie wahrscheinlich unterschlagen, dass der Plan nicht ausreicht, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Nahezu sicher ist auch, dass ein EU-Vertreter reden wird. Doch dieser wird nichts wirklich Neues ankündigen können. Noch hat sich die EU nicht darauf geeinigt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Beim letzten EU-Gipfel widersetzten sich vier osteuropäische Länder diesem Ziel der EU-Kommission. Dabei hatte auch hier der UN-Chef ungewöhnlich direkt interveniert. Guterres schrieb an EU-Ratspräsident Donald Trump: „Ich zähle auf Sie, wieder die Führung der EU zu demonstrieren.“ [10] Konkret verlangte Guterres, dass die EU ihr Klimaziel für das Jahr 2030 von minus 40 Prozent auf minus 55 Prozent anhebt und bis 2050 klimaneutral wird.

Mit diesen etwas hemdsärmeligen Methoden will Guterres sicherstellen, dass die Länder gut vorbereitet zur UN-Klimakonferenz nächstes Jahr in Glasgow kommen. Gemäss Paris Abkommen müssen sie dort neue Klimapläne vorlegen. Die Klimapläne der meisten Staaten stammen noch aus der Zeit vor der Pariser Klimakonferenz im Jahr 2015. Allein dem UN-Chef zuliebe wird aber kein Land das Klima retten. Das weiss auch Guterres. Daher setzt er auf einen ungewöhnlichen Verbündeten: die Macht der Strasse. Er hoffe, dass die Demonstrationen der Jugendlichen „sehr starke Wirkung auf die ganze Gesellschaft, auf die Familien und dadurch auf ihre Regierungen haben“. [11] mic

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[1] Climate Action Tracker, 20.09.2019: Warming Projections Global Update – September 2019 (PDF)

[2] Guardian, 18.09.2019: ‘We’re losing the race’: UN secretary general calls climate change an ’emergency’

[3] unclimatesummit.org, 20.09.2019: Expectations

[4] FT, 19.09.2019: Leading countries blocked from speaking at UN climate summit

[5] Climate Home News, 11.09.2019: UN ‘very confident’ China plans to raise climate ambition

[6] China Dialogue, 07.08.2019: The 14th Five Year Plan: what ideas are on the table?

[7] Reuters, 14.08.2019: China government think tank presses for 2025 CO2 cap

[8] Climate Home News, 17.09.2019: China and India demand cash for climate action on eve of UN summit

[9] India Ministry of Finance, 17.09.2019: “Climate Summit for Enhanced Action: A Financial Perspective from India”

[10] Reuters, 15.06.2019: U.N. chief calls on EU to raise 2030 climate goal to 55%

[11] Climate Home News, 19.09.2019: Millions expected to make Friday climate protest the largest in history