Handel mit Emissionszertifikaten entpuppt sich als grösste Hürde für Erfolg bei der Klimakonferenz
Meist werden Klimakonferenzen durch politische Differenzen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geprägt. Nicht so in Katowice: Dort ist ein technischer Nebenschauplatz, die Märkte, plötzlich das grösste Problem.
Am Donnerstagabend um neun Uhr lag er endlich vor: der Verhandlungstext für die letzte Phase der UN- Klimakonferenz in Katowice. Zwei Stunden später trafen sich die Vertreter der verschiedenen Ländergruppen zu einer ersten, vierstündigen Aussprache. Es herrschte grosse Einigkeit: „Niemand mochte den Text und es gab harsche Wortmeldungen“, berichtete der Leiter der Schweizer Delegation Franz Perrez. „Es sah so aus, als hätten wir in den drei Jahren seit Verabschiedung des Paris Abkommens keinerlei Fortschritt gemacht.“ Im Anschluss präsentierte Konferenzpräsident Michal Kurtyka dann eine neue Version des Texts, die seit Freitagmorgen als Grundlage der Verhandlungen diente.
Seither hat sich das technischste Kapitel als das schwierigste erwiesen: die Märkte. Einige wenige Länder wie die Schweiz, Neuseeland und Südkorea wollen einen Teil ihrer Emissionen im Ausland kompensieren. Damit das auch tatsächlich dem Klima etwas bringt, muss sichergestellt sein, dass die Emissionsreduktionen nicht doppelt gezählt werden – etwa einmal in Brasilien und einmal in der Schweiz. Während die drei potentiellen Käufer von Emissionszertifikaten wasserdichte Regeln wollen, blockiert der potentiell wichtigste Verkäufer aber die Verhandlungen: Brasilien. Das hat einen einfachen Grund: Interessant sind nicht die Schweiz,Neuseeland und Südkorea. Interessant ist Corsia. Das ist das System zur Kompensation der Emissionen des weltweiten Luftverkehrs. Dessen CO2-Ausstoss soll auf dem Niveau des Jahres 2020 gedeckelt werden. Dazu sind Zertifikate für mehr als drei Milliarden Tonnen CO2 in den nächsten 15 Jahren erforderlich. Schon bei einem bescheidenen Preis von 20 Euro pro Tonne CO2 geht es daher um sehr viel Geld: 60 Milliarden. „Dieses Thema baut sich zu einem Showdown auf“, sagt Perrez, an dem die Konferenz in Katowice sogar scheitern könnte. Niemand weiss, ob die vier betroffenen Länder einem Abschlussdokument zustimmen werden, wenn darin keine zufriedenstellende Regelung für den Zertifikatehandel enthalten ist.
Die viel politischeren Kapitel, die am Anfang der Konferenz im Zentrum standen, haben sich im Vergleich als einfacher erwiesen. Mittlerweile wird etwa erwartet, dass sich die Länder auf einheitliche Regeln für die Berichterstattung über ihre Emissionen einigen werden. Ursprünglich hatten die Entwicklungsländer hier „Flexibilitäten“für sich reklamiert. Einfachere Regeln wird es wohl aber nur für Mikrostaaten wie Tuvalu und die 47 ärmsten Länder der Welt geben. Diese haben schlicht nicht die nötige Kapazität, um ihre Emissionen zuverlässig zu messen. Auch die stets heiss umstrittenen Finanzhilfen der reichen für die armen Länder befinden sich nach Aussage von Verhandlern auf der Zielgeraden. Die Industriestaaten sind hier bereit, unverbindlich über ihre Pläne zur Klimafinanzierung zu berichten. Ausserdem wird wohl im Jahr 2020 oder 2021 ein Prozess etabliert, der darüber nachdenkt, wie diese Finanztransfers nach dem Jahr 2025 auf über 100 Milliarden Dollar pro Jahr gesteigert werden können. Aus Sicht der herkömmlichen Geberländer wie Deutschland oder der Schweiz wird es dabei auch um die Frage gehen, was wohlhabende Entwicklungsländer wie Singapur, Saudi Arabien oder China zur Unterstützung wirklich armer Länder beitragen können.
Selbst für den heiss umkämpften Bericht des Weltklimarats IPCC zum 1,5-Grad-Ziel zeichnete sich zuletzt eine Lösung ab, die es allen Ländern ermöglicht ihr Gesicht zuwahren: Der Bericht wird weder „Willkommen geheissen“ noch „zur Kenntnis genommen“. Stattdessen wird dem IPCC und den Wissenschaftlern „gedankt“. Wichtiger als diese Spitzfindigkeit ist allerdings, dass der Inhalt des Berichts explizit Erwähnung findet: Die globalen Treibhausgasemisionen müssen in den nächsten zwölf Jahren von heute 50 Milliarden auf „25 bis 30 Milliarden Tonnen“ CO2 (-Äquivalente) fallen. Wenn dies gelingt, reduziert das auch die „Verluste und Schäden“ in Folge der Klimakrise. In einem Kapitel des aktuellen Texts figuriert dieses Thema nur in einer Fussnote. Beobachter gehen aber davon aus, dass die „Verluste und Schäden“ auch dort in den eigentlichen Text befördert werden.
Abgesehen von den Märkten ist so die spannendste Frage, wann die Konferenz zu Ende sein wird. Die meisten wetten hier auf Samstag, ein paar Optimisten auf Freitagnacht und einige auf Sonntag. mic
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