„Beispiellose“ Veränderungen erforderlich, um Klimaerwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen
Der Weltklimarat IPCC berichtet, dass die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden kann. Die Frage, ob die dazu erforderlichen Veränderungen auch politisch durchsetzbar sind, bleibt aber unbeantwortet.
“Jedes Zehntelgrad zählt“, sagte Jim Skea, einer der Leitautoren des neuen Berichts des Weltklimarats IPCC. In dem Bericht haben Wissenschaftler den Kenntnisstand zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zusammengefasst. In dem Abkommen versprechen die Länder „Anstrengungen zu unternehmen, um die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen“. Im Vergleich zu einer Erwärmung um zwei Grad hätte dies grosse Auswirkungen, wie der IPCC Bericht nun zeigt. Das halbe Grad Unterschied entscheidet etwa darüber, ob es noch Korallenriffe geben wird oder nicht. Es entscheidet, ob 1,8 Millionen Quadratkilometer Permafrost, die fünffache Fläche Deutschlands, auftauen oder nicht. Und es entscheidet darüber, wie oft der Nordpol im Sommer eisfrei ist: Einmal in zehn oder einmal in hundert Jahren?
Das 1,5-Grad-Ziel ist allerdings deutlich anspruchsvoller als ein 2-Grad Ziel. Für 1,5 Grad müssen die globalen Emissionen bis 2030 um 45 Prozent sinken und für 2 Grad nur um 20 Prozent. Auch das Jahr in dem die Emissionen auf netto Null sinken, ist deutlich früher: 2050 für 1,5 Grad statt 2075 für 2 Grad. Ausserdem beruhen fast alle 1,5-Grad-Szenarien darauf, dass der Atmosphäre CO2 entzogen und anschliessend unterirdisch verpresst wird. Der Bericht schreibt denn auch: Die für das 1,5-Grad-Ziel erforderlichen Veränderungen seien „beispiellos hinsichtlich ihres Ausmasses.“ [1 s. C2] Das gilt allerdings nicht für ihre Geschwindigkeit: „Das Tempo an Systemveränderungen ist in der Vergangenheit vorgekommen – innerhalb spezifischer Sektoren, Technologien und räumlicher Kontexte.“ [1 s. C2.1] Und auch die Kosten sind überschaubar: Für 1,5 Grad müssen die Investitionen in die Energieversorgung um 12 Prozent höher liegen als für 2 Grad. [1 s. C2.6] IPCC-Chef Hoesung Lee sagte denn auch: Es sei „nicht unmöglich“ das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen.
Dies beziehe sich allerdings nur auf die physikalisch-chemische und technologische Dimension der erfoderlichen Transition, sagte Jim Skea. „Ob das politisch und institutionell machbar ist, kann von Wissenschaftlern nicht abgeschätzt werden“. Einen Fingerzeig könnte hier die heutige (Dienstag) Sitzung der EU-Umweltminister geben. Wenn man den IPCC-Bericht ernst nimmt, müsste die EU ihr Klimaziel für das Jahr 2030 deutlich anheben. Bislang strebt sie eine Emissionsreduktion von 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 an. Für das 1,5-Grad-Ziel wäre aber eine Reduktion um mindestens 53 Prozent erforderlich. Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist skeptisch, dass dies durchsetzbar ist: „Politisch und auch gesellschaftlich erscheint das sehr unrealistisch.“
Umgekehrt habe der IPCC-Bericht aber auch eine Wirkung auf die Politik, sagte Niklas Höhne vom New Climate Institute: „Durch den Bericht steigt der Handlungsdruck enorm.“ Dies liegt nicht zuletzt an der Art, wie der IPCC seine Berichte erstellt. Erst haben Wissenschaftler alle aktuellen Studien ausgewertet und einen gut 400-seitigen Bericht erstellt. Anschliessend haben dann Diplomaten über die „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“ verhandelt, die noch 33 Seiten hat. „Die Tatsache, dass jeder Staat der Zusammenfassung zustimmen muss, gibt dem Bericht enorme Legitimität“, sagte Höhne. „In der Vergangenheit wurden die Berichte des IPCC immer als Richtschnur für politisches Handeln herangezogen.“ Für manche Länder gilt dies allerdings nur noch eingeschränkt: Die USA haben mitgeteilt, die US-Zustimmung „sollte nicht als US-Unterstützung für alle Erkenntnisse und Schlüsselaussagen verstanden werden“. mic
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[1] IPCC, 08.10.2018: Global Warming of 1.5 Degrees – Summary for Policymakers (PDF)