Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad ist ohne negative Emissionen kaum möglich
Die CO2-Emissionen können wahrscheinlich nicht schnell genug gesenkt werden, um die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Daher wird die Menschheit auf umstrittene Methoden zurückgreifen müssen, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen.
Die gute Nachricht lautet: Noch ist es theoretisch möglich, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Und die schlechte: „Es gibt keine einfach Antwort auf die Frage, ob es machbar ist“. [1 s. A5] So stand es in einem Entwurf des Berichts des Weltklimarats IPCC zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Der Bericht wird am Montag in Südkorea vorgestellt und wird verschiedene Entwicklungspfade aufzeigen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Dabei ist jetzt schon klar: „Alle diese Pfade implizieren eine schnelle Reduktion der CO2 Emissionen, um bis zur Mitte des Jahrhunderts netto Null zu erreichen.“ [1 s. C1] Nahezu alle Pfade erfordern zudem, dass mit „negativen Emissionen“ der Atmosphäre CO2 entzogen wird. Zum Glück gibt es aber „verschiedene Methoden“ [1 s C1.2], um das zu erreichen.
Am naheliegendsten sind das Wiederaufforsten gerodeter Wälder, die Wiedervernässung trockengelegter Feuchtgebiete und die Wiederherstellung von Mangrovenwäldern und Seegraswiesen. Alle diese Massnahmen hätten zusätzlich einen Nutzen für die Artenvielfalt. Bestehende Wälder können ausserdem mehr CO2 Speichern, wenn Raubtiere wieder angesiedelt werden, die dann die Pflanzenfresser in Schach halten. Auf Agrarland lässt sich derweil mit geeigneten landwirtschaftlichen Methoden die Speicherung von CO2 im Boden verbessern. Möglich wäre hier auch das Unterpflügen von Biokohle. CO2 liesse sich schliesslich auch in Gebäuden binden, indem man mit Holz baut. Dadurch würde zusätzlich der Betonverbrauch reduziert.
Doch all‘ das wird voraussichtlich nicht reichen. Die meisten 1,5-Grad-Pfade beinhalten eine Technik namens BECCS. Dabei wird pflanzliches Material verbrannt und Bioenergie (BE) erzeugt. Anschliessend wird aus dem Rauch das CO2 herausgefiltert und in geeigneten Gesteinsformationen verpresst (CCS von englisch Carbon Capture and Storage). So ist das CO2, das die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen haben, langfristig der Atmosphäre entzogen. Das Erfordernis für BECCS ist je nach Pfad unterschiedlich. Im Extremfall müssen damit aber jährlich negative Emissionen von neun Milliarden Tonnen im Jahr 2050 und 16 Milliarden Tonnen im Jahr 2100 erzielt werden. [1 s. C2.3] Dies entspricht 20 respektive 36 Prozent der aktuellen, globalen Treibhausgasemissionen von 45 Milliarden Tonnen. Angesichts dieser Zahlen stellt sich allerdings wieder die Frage nach der Machbarkeit. Denn dazu wäre eine riesige CCS Infrastruktur erforderlich und an Land oder im Meer müssten grosse Mengen an Energiepflanzen produziert werden.
Ohne Energiepflanzen und CCS kommt eine andere Methode für negative Emissionen aus, die dafür in die Kategorie „Geoengineering“ fällt: die Verwitterung von Gestein. Dabei wird CO2 gebunden. Dieser Prozess lässt sich beschleunigen, indem man Gestein zu Pulver zermahlt und dann Regen aussetzt. Anschliessend kann man das Gesteinsmehl auf Äckern als Mineraldünger ausbringen oder ins Meer schütten, wo es auch bei natürlicher Verwitterung gelandet wäre. Dort wirkt der Gesteinsstaub der Versauerung der Ozeane entgegen. Eine aktuelle Studie zu meeresbasierten Klimaschutzmassnahmen warnt allerdings: Der doppelte Nutzen müsse „abgewogen werden mit den Kosten und der Umweltwirkung des Abbaus riesiger Mengen an alkalischem Material (wie Kalk) und deren globaler Verteilung“. [2] Eine weitere meeresbasierte Methode des Geoengineerings ist die Meeresdüngung etwa mit Eisenspäne. Dadurch wird das Algenwachstum angeregt. Wenn diese dann absterben und auf den Meeresboden sinken, ist ebenfalls CO2 gebunden.
Weder Pflanzen noch Gestein braucht schliesslich eine dritte Methode: das Herausfiltern von CO2 aus der Luft. Hier strömt Luft durch einen Filter, der das CO2 bindet. Wenn der Filter mit CO2 gesättigt ist, wird er erhitzt. Dadurch gibt der Filter das CO2 wieder frei, das anschliessend mittels CCS entsorgt wird. Doch ohne Input kommt auch diese Methode nicht aus. Die „Direct Air Capture“ (DAC) genannte Technik benötigt Strom. Folglich ist DAC nur sinnvoll, wenn Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht. Zudem steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen. Weltweit gibt es erst einige Pilotanlagen. Führend ist hier ein Unternehmen aus der Schweiz: Climeworks. Die Firma hat soeben in Italien eine Anlage in Betrieb genommen, die pro Jahr 150 Tonnen CO2 aus der Luft filtert. [3] Dieses wird dann aber nicht verpresst, sondern zu Methan (Biogas) weiterverarbeitet, indem man das CO2 mit reinem Wasserstoff reagieren lässt. Das Verfahren nennt sich „Power to Gas“ (Strom zu Gas) und ist eine Möglichkeit, überschüssige Wind- oder Solarenergie zu speichern. Wenn das Gas anschliessend in einem Kraftwerk mit CCS verbrannt wird, erzielt man auch hier negative Emissionen.
Letztlich hat die Menschheit also die Wahl: CCS oder Geoengineering. Beides ist umstritten. Unstrittig ist dafür mittlerweile: Eine Klimaerwärmung um zwei Grad ist hochriskant, wie eine Studie von Johan Rockström, dem künftigen Co-Chef des Potsdam Instituts zeigt. Denn damit könnte ein Kipppunkt erreicht werden, ab dem sich der Klimawandel selbst verstärkt. Dies hätte eine „Heisszeit“ zur Folge und wäre eine Gefahr für unsere Zivilisation: „Eine Heisszeit birgt letztlich ein grosses Risiko für die Bewohnbarkeit des Planeten für Menschen.“ [4] Dann doch lieber CCS. mic
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email
oder folgen sie der Facebook Seite
[1] IPCC, 04.06.2018: Entwurf des Summarz for Policz Makers (PDF)
[4] Will Steffen et al., 06.08.2018: Trajectories of the Earth System in the Anthropocene