Der inklusive Klima-Multilateralismus

Einige Grosskonzerne setzen sich ehrgeizigere Klimaziele als viele Staaten

Klimapolitik ist keine Domäne der Politiker mehr. Viele Konzernlenker setzen das Pariser Klimaabkommen mittlerweile in Eigenregie um.

Selten stand der Multilateralismus so sehr im Zentrum wie bei der UN-Generalversammlung. Der Grund: US-Präsident Donald Trump predigt Nationalismus. „Wir lehnen die Ideologie des Globalismus ab und akzeptieren die Doktrin des Patriotismus.“ [1] Dem hielten nahezu alle Führer der Welt entgegen, darunter EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: „Der multilaterale Ansatz ist unsere einzige Chance die Zukunft unseres Planeten zu gestalten in einer Weise, die für alle Anspruchsgruppen akzeptabel ist.“ [2] Dabei beziehen sich beide auf einen Multilateralismus auf der Ebene von Nationalstaaten. Parallel zur UN-Generalversammlung war aber noch eine weitere Form des Multilateralismus zu beobachten – bei der New Yorker Klimawoche. Hier stehen nicht so sehr Nationalstaaten im Vordergrund sondern Städte, Bundesstaaten, Firmen, Stiftungen und die Zivilgesellschaft. Patricia Espinosa, die Chefin des UN-Klimasekretariats, sagt zu diesem Ansatz: „Regierungen führen den Klimaprozess an, aber alleine können sie die Herausforderung nicht meistern und brauchen die Unterstützung all dieser Akteure. Dies führt langsam zu einem neuen, inklusiveren Multilateralismus.“ [3]

Wertschöpfungskette. Weltweit arbeiten 2,3 Millionen Menschen für Walmart. (Foto: Walmart)
Wertschöpfungskette. Weltweit arbeiten 2,3 Millionen Menschen für Walmart. (Foto: Walmart)

Dieser „inklusivere Multilateralismus“ wird inbesondere von Firmen getragen. Ein Beispiel ist hier die Initiative RE100: Hier haben sich mittlerweile 152 Konzerne dazu verpflichtet, ihren Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu decken. Der gemeinsame Umsatz dieser Firmen von 3800 Milliarden Dollar ist grösser als das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland. Auch der Strombedarf ist signifikant: 184 Terawattstunden pro Jahr. [4] Damit liegen die Firmen auf Platz 22 der Welt, zwischen Indonesien und Thailand. ZU RE100 verpflichten sich typischerweise die innovativeren und profitableren Unternehmen der jeweiligen Branche. Eine Studie der Beratungsfirma Capgemini zeigt, dass die RE100 Firmen eine Profitmarge haben, die um bis zu sieben Prozentpunkte über dem Branchenschnitt liegt. [5] Helen Clarkson, die Chefin der Climate Group, der Organisation hinter RE100 sagt denn auch: „Energie-intelligent und Geschäfts-intelligent zu sein, geht Hand in Hand.“ [4] Eine weitere Initiative der Climate Group ist EV100. Hier verpflichten sich Firmen ihre gesamte Flotte auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Dies haben mittlerweile 24 Konzerne wie die Deutsche Post oder Ikea getan. [4]

Die wohl anspruchsvollste Initiative der Wirtschaft nennt sich Science Based Targets. Hier setzen sich Firmen Klimaziele, die aus wissenschaftlicher Sicht ausreichen, um die Klimaerwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen. Praktisch bedeutet dies, dass die Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts auf Netto Null sinken müssen. Mittlerweile haben 140 Firmen ein solches Ziel, das bereits von der Organisation We Mean Business validiert wurde. [6] Die Ziele von 350 weiteren Unternehmen werden derzeit noch überprüft. Dazu gehören etwa die Deutsche Bahn und Daimler. Die Auswirkungen solcher Ziele lassen sich dann oft weltweit beobachten. Der Supermarktkonzernm Walmart hat sich etwa zum Ziel gesetzt in seiner Wertschöpfungskette bis zum Jahr 2030 eine Milliarde Tonnen CO2 einzusparen. Bis jetzt beteiligen sich mehr als 400 Walmart-Lieferanten am Projekt Gigatonne. Manche setzen sich dann ebenfalls ein wissenschaftsbasiertes Ziel wie etwa Yunus Textile Mills aus Pakistan, ein Hersteller von Heimtextilien. [7]

Die Firmen handeln dabei nicht losgelöst vom politischen Prozess sondern in einem Wechselspiel: Zum einen orientieren sie sich an den Zielen des Paris Abkommens und an den Berichten des Weltklimarats IPCC. Zum anderen bietet die Politik den Konzernlenkern eine grosse Bühne, auf der sie ihre Selbstverpflichtungen ankündigen können. So fand im Rahmen der New Yorker Klimawoche auch der One Planet Gipfel unter Schirmherrschaft von Frankreichs Präsident Emanuel Macron statt. Dort wurde etwa eine gemeinsame Initiative des deutschen Umweltministeriums und des grössten Vermögensverwalters der Welt, Blackrock, vorgestellt – dier Climate Finance Partnership. [8] Diese will ein Vehikel entwickeln, um in klimafreundliche Infrastruktur in Schwellenländern zu investieren. Eine ähnliche Kooperation ist auch Google eingegangen. Der Konzern will die Emissionen von 10‘000 Städten der Welt messen und arbeitet dazu mit einem Städteverbund zusammen. [8]

Der Gegensatz zwischen der US-Position und der Haltung der Grosskonzerne könnte dabei kaum grösser sein. Herbert McMaster, der frühere Sicherheitsberater von Trump beschrieb dessen Weltsicht einmal so: „Die Welt ist keine globale Gemeinschaft sondern eine Arena, in der Nationen und Firmen um ihren Vorteil konkurrieren.“ [9] Die sonst so wettbewerbsorientierten Konzernlenker hingegen, setzen auf Kooperation, um die grössten Probleme der Menschheit zu lösen. Trump könnte daher das Gegenteil von seinem Ziel erreichen: Nicht mehr Nationalismus und Eigennutz sondern eine Welt mit einem „neuen, inklusiveren Multilateralismus“. mic

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[1] Vox, 25.09.2018: Trump’s speech to the UN General Assembly

[2] NewEurope, 24.09.2018: Juncker says ‘multilateralism must have a chance’ at UN General Assembly

[3] UNFCCC, 03.09.2018: Progress Urged As Bangkok Climate Talks Open To Prepare Paris Agreement Implementation

[4] The Climate Group, 25.09.2018: Companies with cleaner, smarter energy use outperform their peers

[5] Capgemini, September 2018: Making business sense: How RE100 companies have an edge on their peers (PDF)

[6] Science Based Targets, Stand 27.09.2018: Meet the companies already setting their emissions reduction targets in line with climate science

[7] WRI, 14.11.2017: Major U.S. Businesses Have Pledged to Act on Climate. Here’s What That Looks Like.

[8] One Planet Summit, 26.09.2018: One Planet Summit 2018 announcements (PDF)

[9] H.R. McMaster und Gary D. Cohn, 30.05.2017: America First Doesn’t Mean America Alone