EU-Energiekonzerne fordern die Türkei heraus

Frankreichs und Italiens Verteidigungsministerinnen geben ihren Multis Rückendeckung

Die Türkei droht mit einer „Intervention“ falls die Energiemultis Eni und Total in Zyperns Gewässern nach Gas suchen. Die Verteidigungsministerinnen von Italien und Frankreich signalisieren aber, dass sie hinter den Konzernen stehen.

Wem gehört Zyperns 200-Meilen-Zone? Aus Sicht der UN-Seerechtskonvention Unclos ist die Antwort klar: Sie gehört Zypern. Diese Ansicht teilen auch die EU und die USA. Die Türkei als Nicht-Mitglied von Unclos sieht dies aber anders: Aus türkischer Sicht haben Inseln nicht die gleichen Rechte wie Staaten auf dem Festland und Ankara will daher Zypern nur eine 12-Meilen-Zone zugestehen. Diese unterschiedlichen Sichtweisen haben bislang nur zu wenigen Friktionen geführt. Doch dies könnte sich im November ändern. Dann beginnt der italienische Energiekonzern Eni in Zyperns 200-Meilen-Zone mit neuen Probebohrungen nach Gas. „Wir glauben, dass es in der Region ein anderes Zhor Gasfeld geben könnte. Wir hoffen es“, sagte Luca Bertelli, Enis Chefexplorateur. [1] Zhor ist ein riesiges Gasfeld, das Eni im Jahr 2011 in ägyptischen Gewässern gefunden hat.

Klare Kante? Die Türkei beansprucht Teile der Blöcke 1, 4, 5, und 7 weil sie mit dem Kontinentalschelf überlappen. (Karte: Zypriotische Regierung)
Klare Kante? Die Türkei beansprucht Teile der Blöcke 1, 4, 5, und 7 weil sie mit dem Kontinentalschelf überlappen. (Karte: Zypriotische Regierung)

Eni plant fünf Probebohrungen: Zwei in Block 8, zwei in Block 3 und einen in Block 6 (siehe Karte). [10] Block 8 und Block 3 werden nicht von Ankara beansprucht. Hier ist die Türkei aber der Meinung die Suche nach Rohstoffen könne erst beginnen, wenn die Zypernfrage gelöst ist. Die Verhandlungen über die Wiedervereinigung von Zypern mit Nordzypern sind aber im Juli erneut gescheitert. Noch heikler ist Block 6, den sich Eni und der französische Energiekonzern Total hälftig teilen (siehe Tabelle). Die Türkei beansprucht rund die Hälfte dieses Seegebiets ebenso wie Teile der Blöcke 1, 4, 5 und 7. [2] Der türkische Präsident Recep Erdogan warnte denn auch im Juli: „Wir erwarten von allen, die sich im Hinblick auf die Entwicklungen in Zypern auf eine Seite schlagen, auf Schritte zu verzichten, die zu neuen Spannungen führen.“ Sonst „könnten sie einen Freund wie die Türkei verlieren“. [3]

Lizenznehmer für Zyperns Erkundungsblöcke für Gas

BlockPartner
2Eni (80%), Kogas
3Eni (80%), Kogas
6Eni, Total (je 50%)
8Eni (100%)
9Eni (80%), Kogas
10ExxonMobil, Qatar Petroleum (Aufteilung unbekannt)
11Total, Eni (je 50%)
12 (Aphrodite)Noble (35%), Shell (35%), Delek & Avner (je 15%)
Block 3 wurde bislang nicht versteigert und für die Blöcke 1, 4, 5, 7 und 13 gab es keine Gebote. (Quelle: Unternehmensangaben)

 

Frankreich und Italien stehen aber hinter ihren Energiekonzernen und haben dies mit Besuchen in Zypern unterstrichen. Mitte Juli war Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly dort zu Besuch. Im Anschluss sagte ihr zypriotischer Kollege Christoforos Fokaides: „Wir arbeiten in Kooperation mit den lizenzierten Firmen und den interessierten Ländern auf der Grundlage von internationalem Recht.“ [4] Italiens Verteidigungsministerin Roberta Pinotti sagte bei einem Besuch Ende Juli in Zyperns Hauptstadt Nicosia: „Eni arbeitet jetzt in Zypern und ich glaube, dass wir eine positive Entwicklung für ganz Europa sehen werden.“ [5]

Troublemaker? Eni hat für die Probebohrungen in zypriotischen Gewässern die Saipem 12000 gechartert. (Foto: John A. Konrad V / Wikimedia)
Troublemaker? Eni hat für die Probebohrungen in zypriotischen Gewässern die Saipem 12000 gechartert. (Foto: John A. Konrad V / Wikimedia)

Der türkische Diplomat Oktay Aksoy sagte hingegen gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Sputnik: „Die Türkei wird den Provokationen nicht erliegen. Die Türkei wird keine militärische Intervention in Zypern unternehmen im Hinblick auf die französischen und italienischen Aktionen – zumindest nicht sofort.“ Dann erklärt Aksoy wie Ankara vorgehen wird: „Wir werden uns erst an die Nato wenden und versuchen die Situation zu erklären. Wenn sich die Allianz aber auf die Seite der europäischen Länder schlägt, wird die Türkei eigene, scharfe Massnahmen ergreifen bis zu einer direkten Intervention in die internen Angelegenheiten der Insel.“ [6]

Dies könnte drei weitere Länder auf den Plan rufen: Griechenland, Grossbritannien und die USA. Die ersten beiden sind wie die Türkei gemäss dem ‚Londoner Garantievertrag‘ Schutzmächte Zyperns. Grossbritannien unterhält sogar eine Militärbasis auf der Insel. Die USA sind hingegen über einen Energiekonzenrn in den Konflikt involviert. ExxonMobil hat die Lizenz für die Erkundung von Block 10 und plant erste Probebohrungen im kommenden Jahr. [7]

Kompliziert wird die Lage zusätzlich durch die Pipelinefrage. [8] In israelischen und ägyptischen Gewässern warten zwei riesige Gasfelder auf Erschliessung: Leviathan und Zhor. Deren Ausbeutung lohnt aber nur, wenn ein Teil des Gases exportiert wird. Hierzu sagte der israelische Energieminister Yuval Steinitz: „Derzeit sind intensive Gespräche im Gang über den Bau von zwei Pipelines: Eine über die Türkei nach Europa und die andere über Zypern nach Griechenland und dann Italien.“ [9] Ankara favorisiert erstere und hofft zur Gasdrehscheibe für Europa zu werden. Das Problem ist aber, dass diese Pipeline entweder durch libanesische und syrische Gewässer führt oder durch zypriotische. Die zweite Option ist hingegen eher im Interesse von Europa, da damit eine Abhängigkeit von der Türkei beim Gasimport vermieden wird.

Möglich ist auch, dass schliesslich keines der Felder erschlossen und keine der Pipelines gebaut wird. Zum einen könnten sich die geopolitischen Probleme als unüberwindlich erweisen und zum anderen könnte sich die Ausbeutung des Gases im östlichen Mittelmeer schlicht nicht lohnen. Denn auf dem internationalen Gasmarkt besteht wohl noch für Jahre ein Überangebot, das für niedrige Preise sorgt. Womöglich streiten sich daher die Türkei und Zypern um Gas, das keiner braucht. mic

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[1] Cyprus Mail, 14.03.2017: Energy giant ENI believes there could be another Zohr field in the region

[2] Cyprus Mail, 23.07.2017: Cyprus should seek maritime arbitration to nullify Turkish EEZ claims

[3] Daily Sabah, 13.07.2017: Turkey sends frigate to observe Greek Cypriot drilling

[4] Cyprus Mail, 17.07.2017: Fokaides briefs French defence minister on EEZ activity

[5] Cyprus Weekly, 01.08.2017: ENI drilling could lead to positive development for Europe

[6] Sputnik, 07.08.2017: Cyprus and Gas: Turkey Might Launch ‘Interference if NATO Takes the EU’s Side’

[7] NewEurope, 22.08.2017: US’ ExxonMobil set for 2018, Ankara warnings ignored

[8] Siehe Weltinnenpolitik, 29.07.2016: Pipelinepoker im Mittelmeer

[9] Strategic Culture, 27.08.2017: Gas Games in the Eastern Mediterranean are Threatening Europe

[10] Cyprus Weekly, 20.08.2017: ENI goes boldly forward