Das Spielbrett vorbereiten

Die letzten offenen Punkte an der Klimakonferenz dienen der taktischen Positionierung für die kommenden Jahre

Bei Klimakonferenzen stehen meist die grossen Fragen im Zentrum etwa das Wohlergehen der Menschheit in den nächsten tausend Jahren. Aber die Verhandlungen haben auch eine taktische Komponente.

Der inhaltliche Teil der Klimakonferenz in Marrakesch ist abgeschlossen: Die Länder haben sich auf einen Arbeitsplan geeinigt, mit dem sie bis 2018 die ‘Bedienungsanleitung’ für das Paris-Abkommen schreiben wollen. Das bedeutet aber nicht, dass die Verhandlungen vorbei sind. Drei Punkte sind noch offen:

  • Soll der Fortschritt der Arbeiten nächstes Jahr in einer “gemeinsamen” Sitzung der Vertragsparteien der UN-Klimakonvention und des Paris-Abkommens diskutiert werden oder sollen dies nur die Vertragsparteien des Paris-Abkommens tun? Diese Frage stellt sich, weil nicht alle Mitglieder der UN-Klimakonvention auch dem Paris-Abkommen beitreten wollen. Insbesondere Nicaragua lehnt den Pariser Klimavertrag ab, beharrt aber darauf, dass dieser “unter” der Konvention steht und Nicaragua folglich auch bei Fragen zum Paris-Abkommen mitreden darf.
  • Das Paris-Abkommen sagt, der Anpassungsfonds des Kyoto-Protokolls “könnte” auch dem Paris-Abkommen dienen. Viele Entwicklungsländer wollen nun, dass in Marrakesch entschieden wird, dass dies so kommt. Die Industriestaaten sagen aber, eine solche Entscheidung sei verfrüht, da erst wichtige Details geklärt werden müssten. Derzeit kursiert ein Kompromissvorschlag, der besagt der Anpassungsfonds “sollte” dem Paris-Abkommen dienen, “vorausgesetzt” die technischen Details werden vorab geklärt.
  • Die schwierigste noch offene Frage versteckt sich hinter dem harmlosen wirkenden Titel “Weitere Themen im Hinblick auf die Implementierung des Paris Abkommens”. Hier wird die APA (Ad Hoc Working Group on the Paris Agreement) dazu aufgefordert, die Behandlung “zusätzlicher Themen” fortzusetzen, im Hinblick auf eine Entscheidung an der Klimakonferenz nächstes Jahr. Diese Formulierung ist problematisch sowohl für ihre Schärfe als auch für ihre Unschärfe. Die Industriestaaten wollen nicht, dass schon nächstes Jahr erste Entscheidungen zur ‘Bedienungsanleitung’ für das Paris-Abkommen getroffen werden. Sie wollen das ganze Handbuch im Jahr 2018 als Paket verabschieden. Schwierig ist aber auch die Unschärfe des Begriffs “zusätzliche Themen”, denn dieser ebnet langwierigen Diskussionen den Boden, was dazu gehören soll.

Grund für die anhaltenden Verhandlungen sind nicht inhaltliche Gegensätze bei den drei Punkten. So besteht etwa beim Anpassungsfonds weitgehende Einigkeit unter den Ländern, dass es sinnvoll wäre, diesen auch für das Paris-Abkommen zu nutzen. Grund für die bislang ausbleibende Eingung sind taktische Überlegungen. Die Länder versuchen das Spielbrett für die Verhandlungen in den nächsten beiden Jahren vorzubereiten: So wollen die Entwicklungsländer eine schnelle Entscheidung zum Anpassungsfonds, damit dieser den Industriestaaten nicht länger als Verhandlungsmasse zur Verfügung steht. Umgekehrt versuchen einige Entwicklungsländer, sich Verhandlungsmasse unter der Rubrik “Weitere Themen” zu schaffen. Ein Thema, das sie hier diskutieren wollen, sind die Klimahilfen nach dem Jahr 2025. Aus Sicht der Industriestaaten besteht hier kein Grund zur Eile. Gelingt es den Entwicklungsländern aber, dieses Thema zu setzen, hätten sie einen wertvollen Spielstein gewonnen: Jahr für Jahr könnten sie für die Vertagung dieses Themas, Zugeständnisse heraushandeln.

Startposition. Die Verhandlungen werden jeweils dort wieder aufgenommen, wo sie unterbrochen wurden. Daher lohnt es sich, in Marrakesch schon die Eröffungszüge der nächsten Konferenz vorzubereiten. (Grafik: Pixabay)
Startposition. Die Verhandlungen werden jeweils dort wieder aufgenommen, wo sie unterbrochen wurden. Daher lohnt es sich, in Marrakesch schon die Eröffungszüge der nächsten Konferenz vorzubereiten. (Grafik: Pixabay)

Für zusätzliche Komplexität sorgt der Umstand, dass sich bei vielen Themen nicht einfach Industrie- und Entwicklungsländer gegenüber stehen. Dies gilt etwa für die Dauer der Klimapläne. Brasilien will, dass unter “Weitere Themen” entschieden wird, dass Klimapläne jeweil fünf Jahre abdecken. Für China ist das aber eine ‘Rote Linie’. Peking will auch in Zukunft Klimapläne für jeweils zehn Jahre erstellen. “Ursprünglich war uns nicht klar, dass dieser Punkt für China so wichtig ist”, sagt eine europäischer Diplomat. “China hatte gehofft, dass die Industriestaaten die ‘Weiteren Themen’ abschiessen würden. Erst nachdem diese es auch in den aktuellen Entwurf geschafft hatten, musste China hier Farbe bekennen. Jetzt findet der Streit zwischen China und Brasilien statt.” Einen gewissen Spass an diesen taktischen Zügen kann er dabei nicht verhehlen: “Manchmal sind die Verhandlungen, wie wenn man im Billiard über Bande spielt.” mic

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