Pipelinepoker im Mittelmeer

Eine Gaspipeline von Israel in die Türkei könnte helfen, den Zypernkonflikt zu lösen

Im östlichen Mittelmeer wurden in den letzten Jahren mehrere grosse Gasfelder entdeckt. Doch deren Erschliessung lohnt sich nur, wenn ein Teil des Gases exportiert wird. Eine Option ist hier eine Pipeline von Israel durch zypriotische Gewässer in die Türkei.

„Moses hat uns 40 Jahre lang durch die Wüste geschleppt, um uns in das einzige Land im Mittleren Osten zu bringen, das kein Öl hat.“ Diesen Witz hat die ehemalige israelische Premierministerin Golda Meir anlässlich eines Staatsbanketts für den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt im Jahr 1973 gemacht. Mittlerweile stimmt das Bonmot nur noch bedingt. In den letzten Jahren wurden in israelischen Gewässern mehrere grosse Gasfelder entdeckt mit vermuteten Gasreserven von über 1000 Milliarden Kubikmetern (siehe Tabelle). Dies entspricht dem deutschen Gasverbrauch von zwölf Jahren und dem israelischen von über 100 Jahren.

Die grössten, neu entdeckten Gasfelder im Mittelmeer

LandGasfeldEndecktGasmenge
ÄgyptenZhor2015850 Mrd. m3
IsraelTamar2009283 Mrd. m3
Leviathan2010623 Mrd. m3
ZypernAphrodite2011198 Mrd. m3

Noch sind diese Gasfelder (mit Ausnahme von Tamar) aber nicht erschlossen. Dieses Schicksal teilen sie mit mehreren anderen Gasfeldern im östlichen Mittelmeer. Auch in zypriotischen und ägyptischen Gewässern wurden grosse Gasvorkommen entdeckt. Dadurch hat sich das Kalkül zu deren Erschliessung mehrfach geändert. So hatte Israel ursprünglich gehofft, Gas durch eine bestehende Pipeline nach Ägypten exportieren zu können. Doch durch die Entdeckung des ägyptischen Zhor Feldes im vergangenen Jahr hat sich diese Option de facto zerschlagen. Eine andere Variante war zeitweise, Gas aus den Leviathan und Aphrodite Feldern nach Zypern zu pumpen, um es dort für den Export zu verflüssigen. Doch dann ist der Gaspreis deutlich gefallen. Zudem sind derzeit in Australien und den USA mehrere Anlagen zur Verflüssigung von Gas im Bau, sodass eine Schwemme auf dem Markt für Flüssiggas droht.

Grenzöffnung. Im Jahr 2008 wurde der Grenzübergang an der Ledra Strasse in Zyperns Hauptstadt Nicosia geöffnet. Wiedervereinigt ist die Insel damit aber noch nicht. (Foto: Steffen Löwe / Wikipedia)
Grenzöffnung. Im Jahr 2008 wurde der Grenzübergang an der Ledra Strasse in Zyperns Hauptstadt Nicosia geöffnet. Wiedervereinigt ist die Insel damit aber noch nicht. (Foto: Steffen Löwe / Wikipedia)

Damit kommt die Türkei ins Spiel. Im Juni dieses Jahres haben Israel und die Türkei wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen. Diese waren vor sechs Jahren abgebrochen worden, nachdem israelische Einheiten ein türkisches Schiffe mit Hilfsgütern für den Gazastreifen geentert hatten. „Bei der Aussöhnung geht es um Sicherheitspolitik“, sagte im Juni Brenda Shaffer von der Georgetown Universtität in den USA aber „Energiediplomatie war wichtig um, die Beziehung zu ölen, indem sie den beiden Ländern eine unkontroverse Plattform für Gespräche geschaffen hat.“ [1] Der Hintergrund: Die Türkei will ihre Abhängigkeit von russischem Erdgas reduzieren und da bietet sich das israelische Gas an.

Doch bevor eine Gaspipeline von Israel in die Türkei gebaut werden kann, muss noch ein anderes regionales Problem gelöst werden: der Zypernkonflikt. Denn für die Israel-Türkei Pipeline gibt es nur zwei Routen: Entweder durch zypriotische Gewässer oder durch libanesische und dann syrische. Aus politischen und militärischen Gründen ist aber nur die erste Route realistisch. Die Regierung Zyperns hat allerdings schon klar gemacht, dass sie einer Pipeline nur nach einer Wiedervereinigung mit Nordzypern zustimmen wird. Nordzypern wurde 1974 von der Türkei besetzt und bislang sind alle Versuche gescheitert, die Teilung der Insel zu überwinden. Für den nord-zypriotischen Präsidenten Mustafa Akıncı könnte nun das israelische Gas zum Schmiermittel für eine Wiedervereinigung werden: „Die Normalisierung der türkisch-israelischen Beziehungen eröffnet neue Kooperationsmöglichkeiten insbesondere hinsichtlich des Gases im östlichen Mittelmeer. Wenn das Zypernproblem gelöst ist, kann das zypriotische und das israelische Gas ‚gepooled‘ und in die Türkei und dann nach Europa gepumpt werden. Das ist das realitischste Projekt zum Vorteil aller Beteiligten.“ [2]

Shaffer stimmt dem zu: „Die Verhandlungsposition des Südens ist besser als meist, weil die Türkei Interesse an einer Pipeline hat und Interesse hat, zu zeigen, dass sie sich mit allen aussöhnt.“ [3] Ob das nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei immer noch gilt, ist allerdings unklar. Zudem treibt der türkische Präsident Recep Erdogan auch die Aussöhnung mit Russland voran. Seine erste Auslandsreise nach dem versuchten Staatsstreich führt ihn Anfang August nach Russland. Dort wird er mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin auch erörtern, ob das ‚Turkish Stream‘ Pipelineprojekt wiederbelebt werden soll – eine neue Pipeline von Russland in die Türkei. Die mögliche Israel-Türkei Pipeline stärkt dabei Erdogans Verhandlungsposition gegenüber Putin so wie die Option auf ‚Turkish Stream‘ die türkische Verhandlungsposition gegenüber Israel und Zypern stärkt. Wer schliesslich die besten Karten in der Hand hält, ist daher noch nicht absehbar. mic

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[1] Foreign Policy, 27.06.2016: Israel’s Reconciliation With Turkey Could Lead to New Energy Deals

[2] Interfax, 07.07.2016: Cyprus moves to block Israel-Turkey gas pipeline

[3] Foreign Policy, 27.07.2016: Can Natural Gas Put Cyprus Back Together Again?