NGOs machen sich mit kleinen Fortschritten Mut

Klimaverhandlungen kommen zu langsam voran

Bei der Klimakonferenz in Bonn herrscht Einigkeit: Die Verhandlungen kommen zu langsam voran. Trotzdem ist die Stimmung unter den Ländern gut und in einzelnen Fragen können Fortschritte erzielt werden.

„Das Thema ‚Verluste und Schäden‘ hing wie eine schwarze Wolke über den Verhandlungen.“, sagt Julie-Anne Richards von der Klimaorganisation Climate Justice Program. ‚Verluste und Schäden‘ ist ein Versicherungsbegriff und bezeichnet Schäden durch die Klimaerwärmung, die nicht durch Anpassung an den Klimawandel aufgefangen werden können. So habe der Tropensturm Erika letzte Woche die Anstrengungen aus 20 Jahren Entwicklungsarbeit in der Dominikanischen Republik zunichte gemacht. Für viele Entwicklungsländer hat das Thema ‚Verluste und Schäden‘ daher hohe Priorität. Die Industriestaaten wollten bislang aber unbedingt verhindern, dass das Thema zu einem eigenständigen Pfeiler eines Klimaabkommens wird. Beobachter befürchteten daher, dass ‚Verluste und Schäden‘ einer der Stolpersteine sein könnte, die gar zu einem Scheitern der Klimakonferenz in Paris führen könnten. Doch nun gibt es Bewegung: Sowohl die Entwicklungs- als auch die Industrieländer haben neue Vorschläge zu diesem Thema präsentiert. „Dies ist das Resultat einer sehr viel besseren Stimmung.“, sagt Richards. „Dies gibt mir Hoffnung, dass wir das Thema ‚Verluste und Schäden‘ noch vor Paris weitgehend lösen können.“

Youngos. Vertreter der Jugend der Welt weisen darauf hin, dass der Klimawandel schon heute Schäden anrichtet, an die sich die Länder nicht anpassen können. Daher sollen 'Verluste und Schäden' Teil des Pariser Abkommens werden. (Foto: IISD)
Youngos. Vertreter der Jugend der Welt weisen darauf hin, dass der Klimawandel schon heute Schäden anrichtet, an die sich die Länder nicht anpassen können. Daher sollen ‘Verluste und Schäden’ Teil des Pariser Abkommens werden. (Foto: IISD)

Einen Erfolg hatte auch Jaco du Toit von der Umweltorgansation WWF zu vermelden: bei der Unterscheidung zwischen Ländern. Bislang unterscheidet die UN-Klimakonvention nur zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern. Mittlerweile haben aber einige sogenannte ‚Entwicklungsländer‘ wie Singapur ein höheres Pro-Kopf Einkommen als Portugal oder Griechenland. „Die Unterscheidung zwischen den Ländern war immer eine der schwierigsten Fragen.“, sagt du Toit. „Doch hier in Bonn gibt es nun zum ersten Mal eine Arbeitsgruppe, die sich direkt mit dieser Frage beschäftigt.“ Dabei haben sich die Länder darauf geeinigt, dass die Differenzierung zum Kern der Verhandlungen gehört, aber nicht von Klimadiplomaten gelöst werden kann sondern einer politischen Entscheidung bedarf. Einen Erfolg erkannte du Toit zudem bei den Verhandlungen über die Anpassung an den Klimawandel. Hier kommen die Industriestaaten den Entwicklungsländern entgegen und zeigen sich offen ein ‚globales Ziel‘ zur Anpassung an den Klimawandel in das Pariser Abkommen aufzunehmen.

Trotz der Fortschritte in einzelnen Bereichen herrscht aber vor allem in einer Frage Konsens: Die Verhandlungen kommen zu langsam voran. Aus Sicht von Alden Meyer von der US-Organsation Union of Concerned Scientists haben die Verhandlungen sogar noch nicht einmal richtig begonnen: „Bei der nächsten Verhandlungsrunde im Oktober in Bonn müssen wir mit richtigen Verhandlungen beginnen.“ Damit weist er darauf hin, dass derzeit in Bonn immer noch nicht Linie-für-Linie über den Text des Pariser Abkommens verhandelt wird. Denn ein Text der derartige Verhandlungen möglich machen würde, liegt immer noch nicht vor. Die Frage ist nun, wo ein solcher Text herkommen wird. „Wir werden am Ende dieser Woche keinen solchen Text haben.“, sagt Meyer. Etwas optimistischer zeigt sich da die französische Klimabotschafterin Laurence Tubiana: „Wir sind uns alle einig, dass wir beschleunigen müssen. Ich vertraue aber dem aktuellen (Verhandlungs-) Prozess in Hinsicht auf dieses Ziel.“ Für Tubiana besteht also noch die Chance, dass sich die über 190 Länder auf einen eigentlichen Verhandlungstext einigen können.

Sollte ihnen dies nicht gelingen, bestehen mehrere Möglichkeiten: Eine kleine Gruppe von Ländern könnte im Auftrag aller einen solchen Text zusammenstellen. Die Länder könnten die beiden Co-Vorsitzenden bitten, einen solchen Text auszuarbeiten. Und schliesslich könnte Frankreich als Gastgeber der Pariser Konferenz einen Verhandlungstext präsentieren. Diese Option weckt allerdings ungute Erinnerungen an die Klimakonferenz im Jahr 2009 in Kopenhagen. Damals hat die dänische Konferenzpräsidentschaft überraschend einen eigenen Text präsentiert. Durch die anschliessende Aufregung über dieses Vorgehen gingen dann wertvolle Verhandlungstage verloren. Derzeit loten die beiden Co-Vorsitzenden in bilateralen Gesprächen aus, wie weiter vorgegangen werden soll. Ob sie noch diese Woche eine Lösung vorlegen können, ist aber unklar. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS
oder folgen sie der Facebook Seite