Russlands Karten werden immer schlechter

Nach dem Ölpreis fällt auch der Gaspreis, während billige Kohle die Gasnachfrage dämpft

Über Jahrzehnte waren Russland und Europa von einander abhängig: Europa brauchte Gas und Russland die Einnahmen. Doch nun sinkt der Gaspreis weltweit und Europa hat die Möglichkeit immer mehr Flüssiggas zu importieren.

Das vergangene Jahr war nicht gut für Russland. Der Ölpreis fiel um rund 60 Prozent wie auch der Rubel. 150 Milliarden Dollar sind aus Russland abgeflossen, ein neuer Rekord bei der Kapitalflucht. [1] Russische Staatsanleihen liegen aus Sicht der Rating Agenturen nur noch knapp über Ramschniveau. Die Inflation liegt über zehn Prozent und dem Land droht eine Rezession von fünf Prozent. Das hat auch Spuren in der Bilanz von Gazprom hinterlassen: Im dritten Quartal 2014 fiel der Gewinn um 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. [2] Dabei hatte im dritten Quartal 2014 der Ölpreisverfall noch kaum Spuren im Gaspreis hinterlassen. Bei vielen der langfristigen Lieferverträgen wird der Gaspreis erst nach sechs Monaten an den Ölpreis angepasst. Doch nun hat sich der Ölpreis deutlich unter 60 Dollar pro Barrel (159 Liter) Öl der Nordseesorte Brent eingependelt, was ab April zu tieferen Gaspreisen führt: Statt bei 350 Dollar für 1000 Kubikmeter Gas wie in den ersten neun Monaten des letzten Hahres wird der Preis dieses Jahr bei 200 bis 250 Dollar liegen schätzt der Analyst Alexander Kornilov von der russischen Alfa Bank. [2]

Putins Albtraum: Dank Flüssiggastankern kann Europa sein Gas auch auf dem Weltmarkt einkaufen. Seit die Gaspreise fallen, lohnt sich das sogar. (Grafik: Wikimedia)
Putins Albtraum: Dank Flüssiggastankern kann Europa sein Gas auch auf dem Weltmarkt einkaufen. Seit die Gaspreise fallen, lohnt sich das sogar. (Grafik: Wikimedia)

Der Gaspreis sinkt aber nicht nur, weil viele Lieferverträge an den Ölpreis gekoppelt sind, sondern weil auch im Gasmarkt ein Überangebot besteht. Die Gasnachfrage wird durch zwei Faktroren beeinträchtigt: Die Wirtschaft in China, Europa und Japan wächst noch immer nur schleppend. Zudem ist der Preis für Kohle so stark gefallen, dass auch ein niedrigerer Gaspreis nicht zu einer Verdrängung von Kohle bei der Stromerzeugung führt. Russische Kohle kostet in Europa noch 50 Dollar während der Preis vor einem Jahr noch bei 83 Dollar lag. [3] Hinzu kommt, dass dieses Jahr in den USA rund fünf Prozent aller Kohlekraftwerke stillgelegt werden, weil sie neuen Auflagen gegen Luftverschmutzung nicht genügen. Damit drängt noch mehr US-Kohle auf den Weltmarkt.

Auf der Angebotsseite nimmt dieses Jahr die Menge an Flüssiggas deutlich zu. In Australien, den USA und Indonesien gehen insgesamt sechs neue Terminals in Betrieb in denen Gas verflüssigt wird. Damit steigt das weltweite Angebot an Flüssiggas um zehn Prozent und sorgt für ein Überangebot bis ins Jahr 2023 schätzen die Analysten von Bernstein Research. [4] Dabei ist die Preisdifferenz zwischen dem teureren, asiatischen und dem billigeren, europäischen Gasmarkt bereits auf ein Zehntel gefallen. Damit lohnt es sich auch für Europas Gaskonzerne Flüssiggas zu kaufen. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall schätzt, dass Europa dieses Jahr knapp ein Fünftel mehr Flüssiggas kauft als 2014. „Die Preise in Asien fallen aus einem Grund. Es ist entweder die Nachfrage oder das Angebot oder beides. Das bedeutet, dass Qatar nichts anderes übrig bleibt, als mehr Flüssiggas nach Europa zu schicken.“, sagt Frank van Doorn, der bei Vattenfall für den Gashandel zuständig ist. Qatar ist der grösste Exporteur von Flüssiggas weltweit. „Wieviel Flüssiggas schliesslich nach Europa kommt ist schwierig zu sagen, aber es wird sicherlich Druck auf die Preise ausüben.“ [5]

Aus europäischer Sicht haben Flüssiggasimporte einen doppelten Vorteil: Zum einen sinkt dadurch der Gaspreis und zum anderen wird Europa unabhängiger von russischen Gaslieferungen. Bislang wurde rund 30 Prozent der europäischen Gasnachfrage mit russischem Gas gedeckt. Sogar die Ukraine braucht immer weniger russisches Gas: „Im Jahr 2015 planen wir, dass 60 Prozent des Gases aus Richtung der EU kommt.“, sagt Andriy Kobolyev, der Chef des ukranischen Gaskonzerns Naftogaz. Trotzdem droht Russland, den Gaspreis für die Ukraine im April um 100 Dollar anzuheben. Dann läge der Preis bei rund 450 Dollar und wäre „nicht mehr konkurrenzfähig“. „Russland sollte akzeptieren, dass sich die Märkte verändert haben.“, sagt Kobolyev. [6] Dem stimmt auch der Analyst Daragh McDowell von Verisk Maplecroft zu: „Da sind all diese Faktoren, die schlecht sind für Russlands Position als ein Lieferant von Gas für Europa. Russlands Hand ist schwach und wird immer schwächer.“ [7] Das dürfte sich dann auch im russischen Staatshaushalt zeigen, da Gas 14 Prozent der russischen Exporte ausmacht. „Hinsichtlich der Einnahmen hat Gas einen geringeren Anteil als Öl. Aber wenn man eh schon eine schlechte Haushaltslage hat, dann wird alles ‚wichtig‘.“, sagt die Analystin Lelsie Palti-Guzman von der Eurasia Group, einer Firma, die auf politische Risiken spezialisiert ist. [7] Die russische ‚Gaswaffe‘ könnte nach hinten losgehen. mic

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[1] Anadolu Agancy, 17.01.2015: Russia’s capital flight highest ever in 2014

[2] Wall Street Journal, 29.01.2015: Gazprom Braces for Oil Price Impact

[3] Powersource, 31.01.2015: Coal keeps sliding as OPEC-like tactic stymied by dollar

[4] Business Recorder, 26.01.2015: Global Gas Prices to Sink Further in Coming Months

[5] Bloomberg, 29.01.2015: EU Gas Prices Prone to Declines on LNG Supplies, Vattenfall Says

[6] Wall Street Journal, 29.01.2015: Why Russia’s Grip on Europe’s Gas Markets Is Weakening

[7] Hellenic Shipping News, 09.01.2015: Add Natural Gas Prices to Putin’s Long List of Problems