Ölpreis liegt unter 80 Dollar und bleibt weiter tief
Der Ölpreis ist in fünf Monaten um 30 Prozent gefallen und bleibt wohl auf Jahre hinaus tief. Zwei Verschwörungstheorien machen die Runde, um den spektakulären Preisverfall zu erklären. Und manche sorgen sich um die Stabilität des globalen Finanzsystems.
„Alle Gespräche begannen und endeten mit dem Ölpreis“ sagt David Kostin von der US Bank Goldman Sachs über einen Besuch in Texas. „Benommen von der Grausamkeit des Preisverfalls, hatten sich unsere Gesprächspartner damit abgefunden, dass der Ölpreis für mehrere Jahre tief bleiben wird.“ [1] Diese Einschätzung deckt sich mit einem Bericht der Internationalen Energieagentur IEA. Diese erwartet sogar noch tiefere Preise: „Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage deutet darauf hin, dass der Preisverfall noch nicht abgeschlossen ist. Der Druck auf den Preis könnte in der ersten Hälfte 2015 noch weiter zunehmen.“ [2] Dabei lag der Preis zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich unter 80 Dollar für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent, der Referenzpreis für mehr als die Hälfte des globalen Ölmarkts. Aus Sicht der IEA hat daher „ein neues Kapitel in der Geschichte des Ölmarkts begonnen“. [2] Dieses neue Kapitel zeichnet sich durch zwei Merkmale aus: eine geringere Nachfrage in China und Europa sowie durch die Frackingrevolution in den USA. Diese konnten ihre Ölproduktion in den letzten sechs Jahren um 70 Prozent steigern.
Nun ruhen alle Augen auf dem Opec Treffen am 27. November in Wien. Dort könnten die Minister des Ölländerkartells eine Kürzung der Produktion beschliessen. Dies gilt aber als unwahrscheinlich, denn die Disziplin der Kartellmitglieder ist chronisch schlecht. So fördern die Opec Länder derzeit 30,6 Millionen Barrel pro Tag statt der vereinbarten 30 Millionen. „Der Druck auf die Opec nimmt zu, die Produktion zu kürzen. Aber im Moment scheint es keinen Konsens über einen formellen Produktionsschnitt zu geben.“ schreibt die IEA. [2] Wenig Hoffnung hat auch der iranische Ölminister, Bijan Zanganeh: „Zum vorherigen Ölpreis zurückzukehren ist schwierig, aber wir sollten den Preis so stark verändern, wie es die neue Marktsituation erlaubt.“ [5] Zu diesem Zweck üben sich die Opec Minister seit einigen Tagen in hektischer Reisediplomatie. [6] Ausserdem soll das Nicht-Opec Mitglied Russland am Wiener Treffen teilnehmen. [7] Die meisten Opecländer brauchen aber die Einnahmen aus ihrer derzeitigen Ölproduktion und haben wenig Spielraum die Förderung zu senken. Einzig Saudi Arabien könnte seine Produktion deutlich drosseln, ohne dass der Staatshaushalt in Schieflage gerät. Doch das Wüstenkönigreich hat bereits angedeutet, dass es nicht bereit ist auf Marktanteile zu verzichten.
Derzeit machen zwei Verschwörungstheorien die Runde, warum Saudi Arabien auf seinem Marktanteil beharrt: Erstere geht von einem heimlichen Pakt zwischen den USA und Saudi Arabien aus. Die beiden Länder hätten vereinbart, den Ölpreis zu drücken, um Russland und dem Iran zu schaden. Russland braucht einen Ölpreis von 114 und der Iran von 136 Dollar, um den Staatshaushalt ausgleichen zu können. Der Schaden lässt sich auch schon besichtigen: Der Rubel ist dieses Jahr um knapp 40 Prozent gegenüber dem Dollar gefallen, die Wirtschaft stagniert und der russische Präsident spricht von einem „katastrophalen Preisverfall“. [6] Derweil muss der Iran auf seinen Staatsfonds zurückgreifen. [4] Falls es den Pakt gibt, funktioniert er also bestens. Und US-Aussenminister John Kerry stellt die Existenz des Pakts zumindest nicht in Abrede. Auf eine Frage nach dem Pakt sagte er: „Die Saudis sind sich sehr, sehr bewusst, dass sie die Möglichkeit haben, den Ölpreis zu beeinflussen.“ [8] Ein klares Dementi sieht anders aus.
Die zweite Theorie geht von einem Preiskrieg Saudi Arabiens gegen die US-Frackingfirmen aus. Durch einen tiefen Ölpreis sollen diese aus dem Markt gedrängt werden. In Saudi Arabien kostet die Förderung von einem Barrel Öl sechs Dollar. [9] Für die Frackingfirmen sind die Kosten derweil sehr unterschiedlich: zwischen 40 und 100 Dollar. [13] Die US Bank Citi schreibt in einer neuen Studie, dass der Ölpreis auf 50 Dollar sinken müsste, bevor die US-Ölproduktion zurückgeht. [11] Trotzdem nimmt auch in der US-Öl- und Finanzindustrie die Nervosität zu. Grund ist die Finanzierung der vielen, oft relativ kleinen Frackingfirmen. Diese haben ihre Pumpen zu einem grossen Teil auf Pump finanziert – mit Ramschanleihen, den sogennanten ‚Junk Bonds‘. Diese Anleihen zeichnen sich durch hohe Zinsen und hohes Risiko aus. Der Anteil von Energiefirmen am Markt für Junk Bonds ist in den letzten vier Jahren deutlich gestiegen, von von fünf auf 15 Prozent. Ausserdem hat sich das Volumen des Junk Bond Markts seit 2008 verdreifacht. [12] Die Deutsche Bank hat einen ‚Stresstest‘ für den Junk Bond Markt durchgeführt: Wenn der Ölpreis auf 60 Dollar fällt, dann droht bei knapp einem Drittel der Anleihen ein Ausfall. Und weiter: „Ein Schock dieser Grössenordnung könnte ausreichen, um eine breitere Welle an Anleihenausfällen auszulösen.“ [13]
Dies ruft Erinnerungen an die Finanz- und Wirtschaftskrise wach: Im Jahr 2008 hat der Zusammenbruch des Markts für Ramschhypotheken (Sub-Prime-Krise) erst die Bank Lehman Brothers und dann die ganze Welt in den Abgrund gerissen. Trotzdem ist ein Vergleich mit der Sub-Prime-Krise gewagt: Es sind heute viel weniger Ramschanleihen von Frackingfirmen ausstehend als Ramschhypotheken im Jahr 2008. Den Käufern von Junk Bonds ist das Risiko bewusst, während viele Sub-Prime Hypotheken so geschickt gebündelt wurden, dass sie als mündelsicher galten. Und wegen der strengeren Regulierung der Banken nach der Krise 2008, halten diese weniger Ramschpapiere als früher, da sie diese mit relativ viel, wertvollem Eigenkapital unterlegen müssen. Zudem stimuliert der Verfall des Ölpreises die Wirtschaft, was für die meisten anderen Junk Bonds positive Auswirkungen haben dürfte: Die US-Bank Citi schätzt, dass der Ölpreisverfall einem Stimuluspaket für die Weltwirtschaft von 1,5 Prozent des Welt-BIPs entspricht. [14] Es gab schon schlechtere Nachrichten so kurz vor Weihnachten. mic
Einigen sich der Iran und die USA auf einen Atomdeal?
Diese Woche verhandelt eine Staatengruppe mit dem Iran über dessen Atomprogramm und hier bestehen erstaunlich gute Aussichten auf eine Einigung. Letzte Woche hat Russland angekündigt, dem Iran acht weitere Atomkraftwerke zu verkaufen. Die Brennstäbe für diese Atommeiler sollen in Russland aus Uran hergestellt werden, das im Iran angereichert wurde. Dadurch hätte der Iran nie genug Uran für den Bau einer Atombombe vorrätig. Damit haben sich die Chancen verbessert, eine Lösung für die Urananreicherung im Iran zu finden. In diesem Fall würden die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben, und das Land könnte seine Ölexporte deutlich steigern: Vor den Sanktionen exportierte der Iran 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag, heute nur noch eine Million. Eine Einigung mit dem Iran würde daher den Ölpreis zusätzlich unter Druck setzen. mic
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[1] Business Insider, 16.11.2014: GOLDMAN: Everybody In Texas Is Resigned To Lower Oil Prices
[2] Reuters, 14.11.2014: IEA sees new era, no quick rebound in oil prices
[4] Reuters, 15.11.2014: Iran to draw on sovereign fund to withstand oil price slide
[5] Hellenic Shipping News, 17.11.2014: Oil price recovery difficult: Iran minister
[6] Bloomberg, 18.11.2014: Venezuela and Russia Discuss Coordinating to Defend Oil Price
[7] Voice of America, 17.11.2014: Russia Oil Czar to Meet With OPEC in Vienna
[8] Reuters, 18.11.2014: Saudi oil policy uncertainty unleashes the conspiracy theorists
[9] Reuters, 28.07.2009: FACTBOX-Oil production cost estimates by country
[11] Business Insider, 06.11.2014: Saudi Arabia Won’t Win This Oil-Price Standoff
[12] Die Welt, 11.11.2014: Ölpreiskrieg kann neuen Finanzcrash auslösen
[13] The Telegraph, 14.11.2014: Oil price slump to trigger new US debt default crisis as Opec waits
[14] Bloomberg, 17.10.2014: Citigroup Sees $1.1 Trillion Stimulus From Oil Plunge