Die Spieltheorie zeigt, was die Klimaverhandlungen mit Untersuchungshäftlingen zu tun haben
Der Schutz des Klimas gilt als die komplexeste Aufgabe der Menschheitsgeschichte. Seit über 20 Jahren ist es daher der UN-Klimakonvention nicht gelungen, ein wirksames Abkommen abzuschliessen. Die Spieltheorie zeigt aber, dass dies nicht unmöglich ist.
Zwei Männer werden verhaftet und eines Verbrechens beschuldigt. Doch es gibt keine Beweise. Die Männer sitzen in Einzelhaft und können sich nicht absprechen. Dann schlägt die Staatsanwaltschaft den beiden getrennt folgenden Deal vor: Wenn keiner die Tat gesteht werden beide aus Mangel an Beweisen frei gelassen. Wenn beide gestehen bekommen sie jeweils zwei Jahre. Wenn nur einer gesteht, bekommt er als Kronzeuge ein Jahr und der andere vier. Das bedeutet: Kooperation, also die gemeinsame Verweigerung der Aussage ist für beide die beste Strategie. Doch wenn sie rational handeln werden sie die Tat gestehen. Denn ein Geständnis führt im Schnitt zu anderthalb Jahren Gefängnis und ein Nicht-Geständnis im Schnitt zu zwei Jahren. Das sogenannte ‚Gefangenen Dilemma‘ zeigt, dass absolut rational handelnde Akteure nicht zwingend zur besten Lösung, Kooperation, gelangen.
Vor genau diesem Problem stehen die Klimaverhandlungen, insbesondere die Klimapolitik der USA und Chinas. Koopeeration, also der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel ist die beste Strategie. Doch wenn der andere nicht mitzieht, dann hat der Vorreiter die ganzen Kosten und die Klimaerwärmung geht trotzdem weiter. Aus diesem Grund ist die Klimaübereinkunft zwischen US-Präsident Barack Obama und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping bedeutsam. Die beiden Akteure haben sich abgesprochen und konnten sich daher auf die beste Strategie einigen: der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel.
Doch damit ist das Klimaproblem noch nicht gelöst: „Nicht in meinen wildesten Träumen glaube ich, dass das Abkommen von Paris die Lücke zum Zwei-Grad-Ziel schliessen wird.“ sagt Yvo de Boer, der frühere Chef der UN-Klimakonvention. [1] In Paris soll nächstes Jahr ein neuer Weltklimavertrag geschlossen werden, der dann im Jahr 2020 in Kraft tritt. Wenn das Zwei-Grad-Ziel aber nicht mit einem ‚Big Bang‘ erreicht werden kann, dann seien die Klimaverhandlungen mit einem Gefangenen Dilemma zu vergleichen, das in mehreren Runden gespielt wird, sagt Michael Liebreich von Bloomberg New Energy Finance. „Sobald man die Klimaverhandlungen als wiederholtes Gefangenen Dilemma versteht, ändert sich Alles: Die Gewinner sind dann nicht die Trittbrettfahrer, da diese aus der Familie der Handelsmächte ausgeschlossen werden.“ Gewinner sind dann die Länder, die „nett und klar sind, verzeihen und kooperatives Verhalten anderer belohnen während sie unkooperatives Verhalten bestrafen“ (Tit for Tat). [2] Dies ist die Siegerstrategie bei wiederholten Gefangenen Dilemmata wie sie Robert Axelrod in seinem Buch „Die Evolution der Kooperation“ beschrieben hat.
Aber die Spieltheorie alleine reicht nicht aus, um den Erfolg bei den Klimaverhandlungen sicher zu stellen. Dies zeigen sowohl das Kyoto Protokoll und die gescheiterte Klimakonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009. In beiden wurde ein ‚top-down‘ Ansatz verfolgt, also versucht ‚von oben‘ die erfoderlichen Emissionssenkungen vorzugeben. Dies hat dazu geführt, dass nur noch ein paar europäische Länder dem Kyoto Protokoll angehören und die Führer der Welt in Kopenhagen den vorbereiteten Vertragstext verworfen haben, um auf einem Blatt Papier ein paar wenige Punkte festzuhalten. Seither folgen die Klimaverhandlungen einem ‚bottom-up‘ Ansatz. ‚Von unten‘ her werden Klimaschutzmassnahmen gesammelt, in der Hoffnung, dass sich die Länder gegenseitig zu immer grösserem Ehrgeiz anstacheln. Dies entspricht den Erkenntnissen der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom, die erforscht hat wie gemeinsame Ressourcen wie Allmenden oder eben das Klima am besten verwaltet werden. „Aufgrund der Komplexität des Problems und der Vielfalt der Akteure war ihr Vorschag, dass Entscheidungen so nah wie möglich am Geschehen und den Akteuren getroffen werden.“ schreibt das Norwegische Insitut für Regionalforschung. [3] Dabei erscheint der Top-Down Ansatz auf den ersten Blick als die logischere Variante: Wissenschaftler definieren ein CO2-Budget, das nicht überschritten werden darf, wenn das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden soll. Anschliessend verteilen die Länder das Budget durch Verhandlungen unter sich auf. Das Problem: Dies ist ein Null-Summen-Spiel. Jede Tonne CO2, die ein Land ausstösst, muss ein anderes Land einsparen. „Ich glaube nicht, dass das möglich ist“, sagte die aktuelle Chefin der UN-Klimakonvention Christiana Figueres daher schon vor einem Jahr. „Politisch wäre das sehr schwierig.“ [4]
Aber braucht es dann überhaupt noch die Klimaverhandlungen, wenn jeder sowieso macht, was er will? Ja, sagt Todd Stern, der US-Verhandlungsführer: „Nationale Massnahmen werden nur dann ehrgeizig genug sein, wenn diese in einem starken und effektiven System verankert sind. Internationale Klimaabkommen dienen drei Aufgaben: Sie geben den Ländern das Vertrauen, dass die anderen Länder mitziehen, wenn man ehrgeizige Klimaziele verfolgt. Sie senden ein Signal an andere Akteure auf sub-nationaler Ebene und in der Wirtschaft. Und sie zwingen die Länder Massnahmen zu ergreifen, um ihre Klimaziele auch zu erreichen.“ [4] mic
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[1] Reuters, 23.11.2014: Prospects rise for a 2015 U.N. climate deal, but likely to be weak
[2] Michael Liebreich, 26.08.2014: Climate change talks – the rocky road to Paris