Im Irak ist Wasser eine Massenvernichtungswaffe

Während Saddam Hussein Austrocknung als Waffe nutzte, drohen nun Flutwellen durch die Zerstörung von Staudämmen

Seit Jahrtausenden ist Wassermanagement im Zweistromland von strategischer Bedeutung. Doch zum ersten Mal könnte nun Wasser als Waffe eingesetzt werden – durch die Sprengung von Staumauern.

Es ist kein Zufall, dass die ersten amerikanischen Luftschläge im Kampf gegen den Islamischen Staat IS, der Rückeroberung des Mossul Staudamms dienten. Denn im Irak ist Wasser eine Massenvernichtungswaffe – sowohl durch die Trockenlegung von Gebieten als auch durch deren absichtliche Flutung. Der Mossul Staudamm liegt 40 Kilometer oberhalb von Mossul am Tigris und der Stausee enthält elf Kubikkilometer Wasser. Würde der Damm brechen, würde die Millionenstadt Mossul drei Stunden später unter einer 20 Meter hohen Flutwelle begraben. Drei Tage später wäre die Welle in Bagdad, wo sie immer noch vier Meter hoch wäre. Um den Damm zu zerstören, müsste man ihn noch nicht einmal sprengen. Denn der Mossuldamm ruht auf Kalkstein und das Wasser des Stausees löst die Fundamente des Damms langsam auf. Ohne permanenten Unterhalt bricht der Damm folglich früher oder später. Ingenieure der US Armee bezeichneten den Damm daher schon im Jahr 2007 als den „gefährlichsten Damm der Welt“. [1]

Das Zweistromland und seine Massenvernichtungswaffen (Karte: Yale360)
Das Zweistromland und seine Massenvernichtungswaffen (Karte: Yale360)

Gekämpft wird aber nicht nur um den Mossuldamm. In Syrien kontrolliert der IS den Taqba Damm am Euphrat, der die Millionenstadt Aleppo und das umliegende Landwirtschaftsland mit Wasser und Strom versorgt. Kurz hinter der syrisch-irakischen Grenze kommt dann der Haditha Damm, der zweitgrösste Iraks. Dieser Damm war das erste Ziel der US Truppen bei ihrem Einmarsch im Jahr 2003. Und auch jetzt ist der Damm wieder umkämpft: IS Truppen rücken von Norden, Nordosten und Nordwesten gegen den Damm vor. Die Ingenieure das Hadithadamms wurden daher von der irakischen Regierung angewiesen, eine Öffnung vorzubereiten. Dabei ist sich Irak bewusst, dass dies beide Seiten treffen würde: „Das wäre gegen uns und gegen unsere Feinde.“ zitiert die New York Times einen irakischen Offizier. [2] Ein weiterer Damm euphratabwärts, wurde derweil bereits als Waffe genutzt: der Falludschadamm. Nachdem der IS diesen Damm Anfang April erobert hatte, schlossen die Extremisten dessen Schleusen. Damit drehten sie einerseits den stromabwärts gelegenen schiitischen Städten Kerbala und Najaf das Wasser ab. Gleichzeitig floss der Staudamm über und flutete 500 Quadratkilomterer Land. Und genau das war das Ziel, meint Ariel Ahram, ein Sicherheitsspezialist der Virginia Tech University in den USA: Durch die Überflutung sollte die irakische Regierung an der Rückeroberung des Damms gehindert werden. [1] Mittlerweile sei der Damm aber wieder unter Regierungskontrolle sagt Bagdad.

Dorf von Marsch-Arabern. Für viele Bibelforscher ist das irakische Sumpfland Vorbild für den Garten Eden. (Foto: Wikipedia)
Dorf von Marsch-Arabern. Für viele Bibelforscher ist das irakische Sumpfland Vorbild für den Garten Eden. (Foto: Wikipedia)

Der Einsatz von Wasser als Waffe hat im Irak Tradition: Im Anschluss an den ersten Golfkrieg zur Befreiung Kuweits (1991) rächte sich Saddam Hussein an den Schiiten in den irakischen Sümpfen. Die sogenannten Marsch-Araber hatten gegen Hussein revoltiert. Um ihre Lebensgrundlage zu zerstören liess er daher den Euphrat und den Tigris umleiten und verwandelte die Sümpfe in Wüste – gemäss UNO eines der schwersten Umweltverbrechen der Geschichte. Doch nach dem zweiten Golfkrieg und der Besetzung Iraks durch US Truppen, sprengten die Marsch-Araber Breschen in die Dämme und fluteten ihr Sumpfland. Nun erholt sich das unter Bibelforschern als ‚Garten Eden‘ bekannte Sumpfland wieder. Dabei zeigt sich die Natur als erstaunlich widerstandsfähig: Zur Überraschung von Umweltschützern sind alle 278 Vogelarten, die jemals in diesem Gebiet beobachtet wurden, wieder zurückgekehrt. [3] Mittlerweile ist rund ein Drittel des ehemals drittgrössten Feuchtgebietes der Welt wieder geflutet. Und auch viele Marsch-Araber sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Doch ob sich das Sumpfland langfristig erhalten lässt, hängt von zwei anderen Faktoren ab: Dem Wassermanagement wie dem Bau von Staudämmen stromaufwärts sowie dem Klimawandel (siehe Artikel unten). Damit droht sich der Mensch selbst aus dem Paradies zu vertreiben, nicht nur im Irak. mic

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[1] Yale Environment 360, 25.08.2014: Mideast Water Wars: In Iraq, a Battle for Control of Water

[2] New York Times, 25.06.2014: Sunni Militants Advance Towards Large Iraqi Dam

 [3] Neue Zürcher Zeitung, 02.08.2013: Garden of Eden reloaded