Der Klimawandel und der Kocher

Auch sehr einfache Produkte lassen sich technisch verbessern – wenn die Kunden mitspielen

Ein Ochsenkarren ist ein Fachgeschäft für Küchengeräte und ein Dollar viel Geld. Unter diesen Umständen ein technisch besseres aber auch teureres Produkt zu lancieren, ist nicht einfach. Wie es trotzdem klappt, zeigt ein Beispiel aus Kambodscha, wo ein energieeffizienter Kohlekocher mittlerweile einen Marktanteil von knapp 30 Prozent erreicht.

Schon seit Jahrhunderten ist die kambodschanische Provinz Kampong Chhnang für ihren Ton bekannt. Kampong Chhnang heisst denn auch Tontopfhafen. Neben Töpfen stellen die Einwohner auch tönerne Kocher her, die mit Holz oder Holzkohle befeuert werden. Diese Kocher werden in kleinen Manufakturen in Kampong Chhnang gefertigt und dann an Händler verkauft. Die Händler haben meist einen Ochsenkarren und ziehen damit von Dorf zu Dorf, um die Kocher an die Frau zu bringen. Wer es sich leisten kann, kocht also nicht über offenem Feuer oder mit einem Drei-Steine-Kocher, sondern mit einem der roten Kampong Chhnang Fabrikate.

Fachgeschäft für Küchengeräte
Fachgeschäft für Küchengeräte

Doch Holz und Holzkohle sind auch in Kambodscha längst keine ‚erneuerbare Energie‘ mehr. Denn der Bedarf ist riesig: 80 Prozent des gesamten kambodschanischen Energieverbrauchs wird mit Biomasse gedeckt. Allein Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh verbraucht 600‘000 Tonnen Kohle pro Jahr. Diese wird aus knapp vier Millionen Tonnen Holz hergestellt, ein Wald von knapp 120 Quadratkilometern Grösse. Dieser  Kohleverbrauch führt zu Abholzung und belastet das Klima. Eine Umstellung auf Gas oder Strom kommt aber für viele Kambodschaner nicht in Frage. Gas ist sehr viel teurer als Holz oder Kohle und nur ein Viertel der Kambodschaner hat einen Stromanschluss. Ausserdem ‚schmeckt das Essen besser‘, wenn es über einem echten Feuer gekocht wurde. Nicht nur schwäbische Hausfrauen sind konservativ.

Holz und Kohle werden folglich noch viele Jahre eine wichtige Rolle im kambodschanischen Energiemix spielen. Trotzdem kann der Verbrauch gesenkt werden – durch bessere Kocher. Einen solchen Kocher hat die franzöische Nichtregierungsorganisation Geres entwickelt. Das neue Modell orientiert scih dabei bewusst am Design der herkömmlichen Kocher. Durch kleine Veränderungen etwa bei der Luftzufuhr und der Höhe der Brennkammer, lässt sich der Energieverbrauch aber um 20 bis 25 Prozent reduzieren. Doch der neue Kocher hat ein Problem: Die Herstellung ist anspruchsvoller und der Kocher folglich teurer. Während der traditionelle Kocher etwa 2,4 Dollar kostet, müssen Familien für den verbesserten Kocher 45 Prozent mehr investieren, also 3,5 Dollar. Hinzu kommt, dass die Produzenten und die Händler nicht wissen, ob sich das neue Modell auch verkaufen lässt.

Der alte (links) und der neue Ofen
Der alte (links) und der neue Kocher

Um diese Hindernisse zu überwinden, hat Geres die Kocherindustrie von Kampong Chhnang jahrelang begleitet: „Uns war es wichtig, mit den bestehenden Kochermanufakturen und deren Händlernetz zusammenzuarbeiten, die bestehende Wertschöpfungskette zu nutzen.“ sagt Camille Benoist, die Marketingbeauftragte von Geres. So wurden erst die Mitarbeiter ausgewählter Betriebe in der Herstellung der neuen Kocher ausgebildet. Entscheidend ist hier trotz der handwerklichen Herstellung in vielen kleinen Betrieben einen einheitlichen Qualitätsstandard zu erreichen. Ausserdem musste in Diskussion mit den Herstellern und Händlern ein Preis für die neuen Kocher festgelegt werden – ein Preis, der sicherstellt, dass Alle vom Verkauf der neuen Kocher profitieren. Nach ersten Erfolgen in einzelnen Testmäkten kam dann der landesweite Produktlaunch.  Mit Postern, Kochdemonstrationen auf Märkten und Fernsehspots sowie dem Sponsoring von Kultur- und Sportveranstaltungen ist es Geres schliesslich gelungen, dem verbesserten Kocherdesign landesweite Aufmerksamkeit zu verschaffen. Spätestens nach den Fernsehspots war dann auch den Kocherproduzenten in Kampong Chhnang klar, worum es geht: „Von da an musste man vorsichtig sein mit der Qualität. Das war ein ernstzunehmendes Geschäft.“ sagt ein Manufakturbesitzer.

Mittlerweile läuft die Massenproduktion des neuen Kochers bereits seit zehn Jahren. Insgesamt wurden knapp 2,5 Millionen Stück verkauft und monatlich kommen knapp 40‘000 weitere dazu. Heute steht in jedem dritten Haushalt einer der Geres Kocher. Damit wurden in den vergangenen zehn Jahren CO2 Emissionen von rund zwei Millionen Tonnen vermieden. Mit diesen Emissionsreduktionen finanziert Geres mittlerweile auch das Projekt. Denn im Rahmen des Clean Development Mechanism des Kyoto Protokolls besteht die Möglichkeit, für CO2 Reduktionen handelbare Zertifikate zu erhalten. „Mehr noch als auf den Umweltnutzen unsers Projekts, sind wir aber auf den sozialen Nutzen stolz.“ sagt Benoist. Denn wenn die zusätzlichen 1,1 Dollar Anschaffungskosten für den neuen Kocher amortisiert sind, sparen die Familien jeden Tag Geld. Hochgerechnet auf Kambodscha ergeben sich dabei ansehnliche Summen: In den letzten zehn Jahren haben Kambodschas Haushalte 72 Millionen Dollar weniger für Holz und Kohle ausgegeben als ohne den Geres Kocher.

Schwer zu quantifizieren sind hingegen die gesundheitlichen Vorteile des neuen Kochers: Wenn weniger Holz verbrannt wird entsteht auch weniger Rauch, den insbesondere Frauen und Kinder einatmen. Insbesondere in kalten Ländern, in denen ebenfalls mit Holz oder Kohle gekocht wird, ist die sogenannte Innenraum-Luftverschmutzung ein grosses Problem. Die ‚Allianz für saubere Kocher‘ schätzt, dass jedes Jahr weltweit vier Millionen Menschen an den Folgen dieser Art Luftverschmutzung sterben, mehr als an Malaria oder Tuberkulose. [1] Hinzu kommen Verbrennungen, wenn über offenem Feuer gekocht wird. In Kambodscha wird aber meist im Freien gekocht und nicht in geschlossenen Räumen. Folglich sind die Kohlenmonoxid und Feinstaubemissionen durch Biomassekocher hier weniger wichtig. Verbesserungen sind aber noch bei der Holzkohle möglich. Diese wird von traditionellen Köhlern in sogenannten Kohlemeilern produziert. Aber auch hier hat Geres ein verbessertes Modell entwickelt. Zudem arbeiten andere Organisationen an der Herstellung von ‚grüner Holzkohle‘ wo statt Holz Biomasseabfälle verschwelt und dann zu Brikets gepresst werden. Grüne Kohle produziert nur halb soviel Feinstaub wie Holzkohle und benötigt kein Holz zur Herstellung. Noch sind die technischen Möglichkeiten selbst bei einem so einfachen Produkt wie einem Kohlekocher also nicht ausgeschöpft. Das trifft sich gut: Rund drei Milliarden Menschen kochen mit Biomasse, eine Zahl, die nicht so schnell kleiner wird. mic

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