Die Schlacht um die ‘Friedensklausel‘

Bei den WTO Verhandlungen über Handelserleichterungen gelingt Durchbruch

Der Abbau von Zollformalitäten ist das Kernstück des neuen Abkommens der Welthandelsorganisation WTO. Gescheitert wäre der Vertrag aber beinahe an einem anderen Thema: indischen Agrarsubventionen in Höhe von 15 Milliarden Dollar.

Zuletzt stand Indien fast allein gegen den Rest der Welt. Der Streitpunkt war die sogenannte ‚Friedensklausel‘. Indien plant subventionierte Lebensmittel an zwei Drittel der 1,2 Milliarden Inder abzugeben. Das verstösst nicht gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Doch Indien plant diese Lebensmittel zu überhöhten Preisen bei seinen Bauern aufzukaufen. Wegen des gigantischen Ausmasses dieses Programms verstösst Indien damit gegen die WTO Regel, dass höchstens zehn Prozent der Nahrungsmittelproduktion subventioniert werden dürfen. Um Indien Zeit zu geben, dieses System zu ändern, wurde eine ‚Friedensklausel‘ vereinbart: Vier Jahre lang darf kein anderes Land Indien wegen dieser Praxis vor dem WTO Schiedsgericht verklagen. Dem hat Indien ursprünglich zugestimmt. Doch in Indien herrscht Wahlkampf und die Umfragezahlen sehen schlecht aus für die derzeit regierende Kongresspartei. Vor diesem Hintergrund hat der Oppositionspolitiker und ehemalige Handelsminister Arun Jaitley verlauten lassen, dass er die Befristung der ‚Friedensklausel‘  auf vier Jahre ablehnt. Daraufhin hat Indien seine ursprüngliche Zustimmung zur vierjährigen ‚Friedensklausel‘ zurückgezogen. Die WTO Verhandlungen wurden zur Geisel des indischen Wahlkampfs.

Eigentlich wollten die USA derartiges Verhalten nicht „belohnen“, wie der US-Verhandlungsführer Michael Froman zu Beginn der Verhandlungen erklärt hat. Doch letztlich hat sich Indien durchgesetzt: Die ‚Friedensklausel‘ gilt nun unbefristet, bis eine endgültige Lösung gefunden ist. Das Einlenken der USA ist dabei auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen entbehrt der Streit um die indischen Agrarsubventionen nicht einer gewissen Ironie. Im Vergleich zu den 400 Milliarden Dollar mit denen die Industriestaaten jedes Jahr ihre Landwirtschaft subventionieren, sind die 15 Milliarden Dollar für die indischen Bauern minimal. Ausschlaggebend ist aber die Form, in der diese Beihilfen ausbezahlt werden: Subventionen wie die Direktzahlungen der Industriestaaten gelten als WTO-konform, während die Art der indischen Beihilfen gegen die WTO Regeln verstösst.

Wichtiger war der USA aber noch ein weiterer Grund: Sie wollten das eigentliche Kernstück des Bali-Pakets nicht gefährden: die Regeln zur Vereinfachung der Zollformalitäten. Hier wird unter anderen festgelegt, dass alle Zollformalitäten an einem einzigen Schalter gebündelt werden müssen und wie die Zollbehörden von Export- und Importländern in Zukunft zusammenarbeiten. Dank dieser Erleichterungen soll das Bruttoinlandsprodukt der Welt um 1,4 Prozent oder 1000 Milliarden Dollar gesteigert werden, wie das Peterson Institute for International Economics ausgerechnet hat. Teil des Bali Pakets sind zudem Erleichterungen für die ärmsten Länder der Welt. Diese sollen etwa Erleichterungen beim Export von Dienstleistungen erhalten.

Mit dem Erfolg in Bali ist es der WTO zum ersten Mal während ihres 18 jährigen Bestehens gelungen einen neuen Handelsvertrag zu verabschieden. Vor Beginn der Konferenz in Bali wurde denn auch von viele Seiten gewarnt, dass ein Scheitern die Rolle der WTO und den Fortbestand der multilateralen Handelsordnung gefährdet: „Wir dürfen uns Nichts vormachen: Bali ohne Erfolg zu verlassen würde der WTO als Forum für multilaterale Verhandlungen einen lähmenden Schlag versetzen.“ sagte der Froman. Gut, dass nicht ausgerechnet die ‚Friedensklausel‘ der WTO diesen Schlag versetzt hat. mic

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