Verspielt Europa seine Klimaallianz?

Bei Verhandlungen in Bonn streiten Länder um Verlängerung des Kyoto Protokolls

Bei den Klimaverhandlungen arbeitet Europa mit den ärmsten Ländern der Welt zusammen. Doch diese Allianz von über 100 Ländern muss gepflegt werden. Europa muss also die Erwartungen seiner Partner mitberücksichtigen.

Industriestaaten gegen Entwicklungsländer. Das war bislang das Muster der nun seit bald 20 Jahren andauernden Klimaverhandlungen. Doch letzten Herbst gelang in Durban, Südafrika, der Durchbruch: Alle Länder haben sich darauf geeinigt bis 2015 einen neuen Weltklimavertrag auszuhandeln, der sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer zu einer Reduktion ihrer CO2 Emissionen verpflichtet und spätestens im Jahr 2020 in Kraft tritt. Dieser Erfolg war einer neuen Allianz zu verdanken, bestehend aus der EU, der Schweiz und Norwegen sowie den ärmsten Ländern der Welt, Afrika und den kleinen Inselstaaten. „Wir sind eine Koalition, weil wir ehrgeizige Klimaziele anstreben.“ [1] erklärt Artur Runge-Metzger, der Verhandlungsführer der EU Kommission, dieses auf den ersten Blick erstaunliche Bündnis.

Um diese „ehrgeizigen Klimaziele“ zu erreichen, muss Europa seine Allianz nun zusammenhalten. Doch dies ist nicht so einfach. Die ärmeren Länder haben hohe Erwartungen an Europa, wie sich bei den, diese Woche in Bonn begonnenen, Klimaverhandlungen gezeigt hat. In der Allianz gibt es drei Streitpunkte: die Dauer des Kyoto Protokolls, die europäischen Reduktionsverpflichtungen und Geld.

  • Kyoto Protokoll
    Im Rahmen des Durban Abkommens hat sich Europa verpflichtet, das Kyoto Protokoll zu verlängern. Die Europäer wollen eine Verlängerung um acht Jahre bis 2020, damit das Protokoll und Europas interne Klimaziele übereinstimmen. Ausserdem kann so eine Lücke zwischen dem Protokoll und dem neuen Weltklimavertrag vermieden werden. Doch Europas Allianzpartner befürchten, dass dadurch Europas wenig ambitionierte Reduktionsziele bis 2020 festgeschrieben werden und plädieren daher für eine Verlängerung um nur fünf Jahre.
  • Europas Reduktionsziele
    Europa hat sich bislang dazu verpflichtet den CO2 Ausstoss bis 2020 um 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren. Wegen der Wirtschaftskrise ist dieses Ziel aber bereits heute in Griffweite. Daher wollen die meisten europäischen Länder das Ziel auf minus 30 Prozent erhöhen. Dagegen hat aber Polen sein Veto eingelegt. Doch das wollen Europas Allianzpartner nicht akzeptieren: „Wir wollen nicht aufdringlich sein, aber wenn 26 EU Länder Ja sagen und nur ein Land Nein sagt, dann glauben wir, dass ihr den Dissidenten überzeugen könnt.“ sagt Tony de Brum, der Vertreter der Marshall Inseln. „Kommt uns also bitte nicht mit dieser Entschuldigung (eines polnischen Vetos).“ [2]
  • Geld
    Ende dieses Jahres läuft die Anschubfinanzierung für Klimaschutzmassnahmen und Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel aus. Die EU hatte in diesem Rahmen 7,2 Milliarden Euro für die Jahre 2010 bis 2012 zur Verfügung gestellt. Doch wie die Zukunft der Klimafinanzierung aussieht ist noch unklar: Die EU Finanzminister konnten sich bei ihrem letzten Treffen noch nicht auf eine Anschlussfinanzierung einigen. Und auch die Klimaunterhändler der EU wollen sich in Bonn noch nicht auf einen bestimmten Betrag festnageln lassen: „Es wird im Jahr 2013 Geld für Klimamassnahmen geben, aber es ist schwierig, jetzt schon eine Zahl in die Luft zu werfen.“ sagt Runge-Metzger. [1]

Wenn Europa seine Klimaallianz von über 100 Ländern zusammenhalten will, muss es die Erwartungen seiner Partner mitberücksichtigen. Doch die europäischen Klimadiplomaten in Bonn sind optimistisch, dass dies gelingt: „Ich glaube nicht, dass die Allianz am Streit über die Dauer des Kyoto Protokolls zerbricht.“ sagt Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Delegation. [3] Und Runge-Metzger zeigt bereits einen möglichen Kompromiss auf: „Wir könnten eine Überprüfung der Reduktionsziele zur Halbzeit einer achtjährigen Verlängerung des Kyoto Protokolls vereinbaren.“ [1] Kurz, solange alle Allianzpartner davon überzeugt sind, dass sich „ehrgeizige Klimaziele“ am ehesten mit dieser Allianz durchsetzen lassen, hat das Bündnis bestand. mic

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[1] EU Pressekonferenz, 14.05.2012

[2] BBC, 13.05.2012: EU Struggles for climate lead

[3] Telefoninterview, 17.05.2012