Welt hat noch fünf Jahre um Klima zu retten

Ohne schnelles Umsteuern erwärmt sich das Klima um sechs Grad oder mehr

Bei den Klimaverhandlungen in Durban kommt Europa eine entscheidende Rolle zu: Als Preis für eine Verlängerung des Kyoto Protokolls verlangt die EU, dass sich alle grossen Länder dazu verpflichten, bis 2015 ein weltweites Abkommen auszuhandeln. Besonders fraglich ist aber die Zustimmung der USA.

Der Kampf gegen den Klimawandel droht verloren zu gehen. Im vergangenen Jahr haben die weltweiten CO2 Emissionen einen neuen Höchststand erreicht. Dieser Rekord ist aber nur zum Teil auf Wirtschaftswachstum zurückzuführen. Zusätzlich hat auch noch die Energieeffizienz abgenommen. Die Weltwirtschaft wurde im Jahr 2010 also noch dreckiger als eh schon. „Ohne einen baldigen Kurswechsel werden wir dort enden, wo wir derzeit hinsteuern:“ eine Erwärmung um sechs Grad oder mehr, wie die Internationale Energieagentur IEA in ihrem aktuellen Jahresbericht schreibt. Aber die IEA hat auch ausgerechnet wieviel Zeit uns noch bleibt, um die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen: fünf Jahre. Denn bis im Jahr 2017 werden soviele neue Kraftwerke, Fabriken und Gebäude errichtet, dass das noch vorhandene CO2 Budget dann komplett ausgeschöpft ist (siehe Grafik). Diesen Umstand verdeutlicht auch eine Berechnung der IEA: „Für jeden Dollar, den wir nicht vor 2020 in saubere Energien investieren, müssen wir 4,30 Dollar nach 2020 investieren, um die gestiegenen CO2 Emissionen zu kompensieren.“

In fünf Jahren wird die dann bestehende Infrastruktur das noch vorhandene CO2 Budget voll ausschöpfen
Quelle: IEA, World Energy Outlook 2011

Höchste Zeit also um bei den Klimaverhandlungen, die nächste Woche in Durban beginnen, einen Durchbruch zu erzielen. Denn weiteres Zuwarten ist nicht nur eine Gefahr für das Klimasystem sondern auch teuer. Doch derzeit deutet nichts auf einen Durchbruch in Südafrika hin. Im Zentrum der Verhandlungen steht einmal mehr die Fortführung des Kyoto Protokolls, das Ende 2012 ausläuft. In diesem Abkommen haben sich die Industrieländer (ausser den USA) zu einer Reduktion ihrer CO2 Emissionen verpflichtet. Für die Entwicklungsländer ist das Protokoll Ausdruck der „Klimaschuld“ der Industriestaaten, die durch ihre Emissionen seit der industriellen Revolution, den Klimawandel verursacht haben. Aber Japan, Russland und Kanada lehnen eine Verlängerung ab. Somit bleiben nur noch Europa (mit der Schweiz und Norwegen) sowie Australien und Neuseeland, die einer Verlängerung zustimmen könnten. Aber diese Länder wollen ihre Zustimmung teuer verkaufen: Eine Verlängerung ist nur möglich, wenn sich die anderen grossen Länder, insbesondere die USA, China und Indien, darauf verpflichten schnell ein weltweites Abkommen auszuhandeln. Norwegen und Australien haben hierzu einen detailierten Plan vorgelegt: Das Kyoto Protokoll würde verlängert und spätestens bis 2015 durch ein neues, weltweites Protokoll ersetzt. Dieser Plan hat zwei Vorteile: Zum einen bleiben die Kyoto Mechanismen wie der internationale Emissionshandel erhalten und zum anderen kann der für 2014 geplante IPCC Bericht als Grundlage für die Verhandlungen dienen. Und wie dieser Bericht ausfallen wird, deutet bereits der IEA Jahresbericht an: Der Klimawandel kommt schneller und heftiger als erwartet und die Gegenmassnahmen greifen nicht.

Doch noch ist nicht sicher, dass der australisch-norwegische Plan in Durban auch angenommen wird. Denn die Klimaverhandlungen bilden noch immer die Welt zur Zeit des Erdgipfels in Rio de Janeiro im Jahr 1992 ab, wie der ehemalige Chef der UN Klimaverhandlungen Yvo de Boer gegenüber dem britischen Magazin Environmental Finance festgestellt hat: „Aus politischer Sicht müssen wir anerkennen, dass sich die Welt seit 1992 geändert hat. Man kann die Welt nicht mehr in zwei Gruppen unterteilen – die reichen Länder mit Reduktionsverpflichtungen und die Länder, die sich noch entwickeln und daher keine Reduktionsverpflichtungen haben. Wir brauchen ein umfassendes Abkommen für alle Staaten.“ Doch um dieses Ziel zu erreichen müssen zwei Hürden überwunden werden: Zum einen müssen die USA entscheiden, ob sie überhaupt bei einem internationalen Klimavertrag mitmachen wollen. Und zum anderen dürfen sich die Entwicklungsländer nicht länger hinter der „Klimaschuld“ der Industriestaaten verstecken. Ausserdem müssen sie anerkennen, dass es Unterschiede zwischen Entwicklungsländern gibt: Eine Regelung, die für Simbabwe sinnvoll ist, muss nicht automatisch auch für Singapur und Saudi Arabien Anwendung finden. Aber ob es gelingen kann, diese beiden Hürden zu überwinden ist für de Boer zumindest fraglich: „Es gibt eine Reihe von Ländern, die noch nicht ganz so weit sind, unter anderem die USA und Indien. Daher werden es schwierige Verhandlungen.“

Die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist aber nicht nur hinsichtlich der Reduktionsverpflichtungen überholt sondern auch in Bezug auf eine andere wichtige Ingredienz für einen Erfolg in Durban: Geld. „In einer Welt, wo Europa mit der Bettelschale in der Hand nach China geht und um Billionen für einen Bail-Out bittet, ist die Idee absurd, dass die Unterscheidung zwischen „reich“ und „arm“ aus dem Jahr 1992 beibehalten werden sollte.“ sagt Mark Lynas, Autor und Berater der Regierung der Malediven. In Kopenhagen haben die Industrieländer versprochen für die Jahre 2010 bis 2012 insgesamt 30 Milliarden Dollar und ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel zur Verfügung zu stellen. Dazu soll in Durban ein Fonds geschaffen werden, der das Geld verwaltet. Doch während sich die Länder weitgehend einig sind, wie dieser Fonds aussehen soll, ist noch völlig unklar woher das Geld kommen könnte. Nicht zuletzt wegen der Finanz-, Wirtschafts- und jetzt Schuldenkrise haben die „reichen“ Länder kaum noch Manövriermasse in ihren Staatshaushalten. Und neue Steuern, etwa auf Schiffsdiesel und Flugbenzin, lehnen viele Entwicklungsländer aber auch die USA vehement ab. Dies gilt umso mehr, da Ende nächsten Jahres in den USA Präsidentschaftswahlen anstehen.

Vor dem Hintergrund, dass sich die USA weigern könnten bis 2015 ein weltweites Abkommen auszuhandeln und auch Finanzzusagen ablehnen könnten, macht derweil ein angeblicher „Plan C“ von sich reden. Hier würde die EU eine „Koalition der Willigen“ schmieden, bestehend aus den verbleibenden Kyoto Ländern und den Entwicklungsländern. Jo Leinen, der Chef des Umweltausschusses im Europaparlament, sagte gegenüber dem Medienportal Euractiv: „Die Klimakonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009 ist meines Erachtens gescheitert, weil sich die EU zusehr darauf konzentriert hat, Amerika mit an Bord zu holen. Am Schluss haben wir dies nicht geschafft, aber wir haben dafür die Allianz der Entwicklungsländer G77 und China verloren und hatten schliesslich gar nichts.“ Wenn es den europäischen Diplomaten daher gelingt diesen Fehler zu vermeiden, könnte Durban so enden wie die Klimaverhandlungen in Bali im Jahr 2007. Dort waren sich alle einig mit Ausnahme der USA. „Wenn ihr nicht führen könnt, dann geht aus dem Weg“ schleuderte damals der Vertreter von Papua Neuguinea der Supermacht entgegen. Und die USA gaben nach.

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