Thailands Elite setzt auf Gewalt

Trotz Sieg der Regierung bleibt der gesellschaftliche Konflikt aber ungelöst

Die Offensive läuft seit dem Morgengrauen. Panzerwagen haben die Barrikaden der Rothemden durchbrochen und die Armee rückt auf die Hauptbühne vor. Dabei hatten die Rothemden noch in der Nacht zuvor Verhandlungen unter Vermittlung des Senatspräsidenten zugestimmt. Doch für die Regierung ist die Zeit für Verhandlungen abgelaufen. Nun rechnen alle mit einem Blutbad. Kurz nach Mittag kommt dann die überraschende Wendung: Die Anführer der Rothemden kündigen an, sich der Polizei ergeben zu wollen und erklären die Proteste für beendet. Ihre Anhänger sind fassungslos, ob der Selbstaufgabe ihrer Anführer, die noch vor wenigen Stunden zum Kampf aufgerufen haben. Doch ihre Anführer haben Recht. Das erwartete Blutbad kann vermieden werden. Insgesamt sterben heute „nur“ knapp 20 Menschen.

Damit endet ein weiteres Kapitel in der Krise, die Thailand nun schon seit über vier Jahren in Atem hält. Im Kern geht es dabei um die Frage wer Thailand regieren soll: eine kleine Minderheit oder die Mehrheit. Ausgelöst hat diesen Konflikt der ehemalige Ministerpräsident Thaksin Shinawatra. Mit zum Teil populistischen Programmen hat er den Thais gezeigt, dass eine Politik, von der die Mehrheit profitiert, möglich ist. Er hat damit begonnen einen Sozialstaat aufzubauen, etwa eine kostengünstige Gesundheitsversorgung für alle. Und jetzt, wo den Menschen bewusst ist, dass eine derartige Politik möglich ist, wollen sie sie auch haben. Doch dagegen sperrt sich die alte Elite.

Die Elite hat dabei den Versuch, Thaksin mit demokratischen Mitteln zu schlagen, schon lange aufgegeben. Anfang 2006 boykottiert die Demokratische Partei die Wahlen und verschafft Thaksin so eine Zweidrittelmehrheit. Wenige Monate später putscht die Armee. Die alte Elite, die sich zur neofaschitischen Volksallianz für Demokratie den sogennanten Gelbhemden zusammengeschlossen hat, triumphiert. Doch die Freude währt nicht lange: Bei den Wahlen 2007 gewinnt erneut die Thaksin Partei. Es ist der vierte Wahlsieg für Thaksin in Folge. Es folgen zwei kurzlebige Regierungen, die von den Gelbhemden zu Fall gebracht werden. Den Höhepunkt der damaligen Proteste markiert die Besetzung des Bangkoker Flughafens durch die Gelben. Auf Druck der Armee löst sich schliesslich eine Fraktion aus der Thaksinpartei und bildet eine Koalition mit der Demokratischen Partei. Diese hat damit die Mehrheit und Abhisit Vejjajiva wird Ministerpräsident. Dies wollen wiederum die Roten nicht auf sich sitzen lassen. Sie kopieren die Taktik der Gelben und belagern im April 2009 das Regierungsviertel. Doch die Proteste flauen schnell ab. Ein Jahr später versuchen es die Roten erneut, mit dem eingangs beschriebenen Ergebnis.

Die weitere Entwicklung hängt nun in erster Linie von der Regierung ab. Die Anführer der Rothemden haben ihr einen Sieg geschenkt, indem sie aufgegeben und dadurch ein Blutbad verhindert haben. Nutzt die Regierung nun diesen Sieg, um die Herrschaft der Minderheit über die Mehrheit zu festigen, werden die Proteste früher oder später wieder aufflammen. Lässt sich die Regierung hingegen auf eine Demokratisierung Thailands ein, besteht die Chance einen neuen gesellschaftlichen Konsens zu entwickeln, einen Konsens in dem sich sowohl die alten Eliten wie auch die Mehrheit der Bevölkerung wiederfinden können. Doch ob dies Abhisit gelingen wird, ist zumindest fraglich. Die alte Bangkoker Elite hat gezeigt, dass sie nicht davor zurückschreckt Scharfschützen auf unbewaffnete Demonstranten anzusetzen. Und die aus den Gelbhemden hervorgegangene New Politics Party propagiert offen die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts und die Einführung eines Ständewahlrechts. Wenn Abhisit also tatsächlich eine Versöhnungs- und Demokratisierungspolitik betreiben möchte, muss er sich primär gegen die Hardliner in den eigenen Reihen durchsetzen. Gelingt ihm dies nicht, gilt in Thailand weiter das berühmte Zitat von Mao Zedong: „Macht kommt aus dem Lauf eines Gewehrs.“ mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email