Europa verpasst die zweite industrielle Revolution

Europa 2020 Strategie vernachlässigt die CO2 Produktivität

Beim EU Gipfel Ende letzter Woche wollten die 27 Staats- und Regierungschefs Europa fit für die Zukunft machen. Erst aber mussten sie sich um ein Mitglied kümmern, das seine Zukunft schon verfrühstückt hat, wenn man den Finanzmärkten Glauben schenkt: Griechenland. Ob der Freude, mit dem Internationalen Währungsfonds eine Organisation gefunden zu haben, die sich mit derartigen Problemen auskennt, ging dann aber der eigentliche Höhepunkt des Gipfels unter: Europa 2020, die Wachstumsstrategie für den Kontinent.

Eigentlich kommt das Papier zur richtigen Zeit: Die Wirtschaftskrise scheint weitgehend überwunden zu sein und das Wachstum sollte wieder anziehen. Zeit zu schauen, welche Lehren aus der Krise zu ziehen sind, und wie Europa wieder ein hohes Trendwachstum erzielen kann. Dabei geht es allerdings nicht allein um die Steigerung der Wachstumsrate, sondern auch um die Frage welche Art von Wachstum Europa anstrebt. Denn die Welt steht vor einer zweiten industriellen Revolution, wenn sie verhindern will, dass sich das Klima unkontrolliert erwärmt. Sie muss die CO2 Produktivität innert 40 Jahren verzehnfachen, wie die Unternehmensberatung McKinsey in einer Studie gezeigt hat. Das heisst für jede Tonne CO2 Emissionen müssen zehnmal mehr Euro, Franken oder YuanVolkseinkommen produziert werden. Diese Steigerung entspricht der Verbesserung der Arbeitsproduktivität während der industriellen Revolution. An deren Ende war eine Arbeitsstunde zehnmal wertvoller als zu Beginn.

Doch diese Herausforderung haben die EU Länder offensichtlich noch nicht erkannt. Denn auch in der Europa 2020 Strategie bleiben die Mitgliedsländer bei ihrem Ziel den CO2 Ausstoss bis 2020 um nur 20 Prozent zu reduzieren. Damit verschenken sie den einzigen Vorteil, den die Wirtschaftskrise hatte: Die Reduktion der CO2 Emissionen. Gemäss der Internationalen Energieagentur IEA werden die europäischen CO2 Emissionen im Jahr 2020 sowieso um 16 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen. Wie mittlerweile diverse Studien zeigen, wäre es daher ein Leichtes das Ziel auf 30 Prozent zu erhöhen und erst ein 40 Prozent Ziel wäre tatsächlich ambitioniert. Damit wäre auch sichergestellt, dass die CO2 Produktivität auf einen Pfad einschwenkt, der die erforderliche Vervielfachung sicherstellt.

Doch die neue EU Strategie vernachlässigt die offensichtliche Lehre aus der Finanzmarktkrise: „Was nicht nachhaltig ist, wird früher oder später enden.“ So wie es weder in den USA noch in Griechenland möglich war jedes Jahr mehr auszugeben als man einnimmt, so ist es nicht möglich, mehr und mehr CO2 in die Atmosphäre zu pumpen, ohne das Klima zu verändern. Eine reine Wachstumsstrategie, die die CO2 Produktivität ausser Acht lässt, ist daher auf Sand gebaut. Denn früher oder später präsentiert der Planet die Rechnung. Und spätestens dann werden die EU Chefs realisieren, dass es keine internationale Organisation gibt, die Erfahrung mit klimainsolventen Planeten hat. Schade eigentlich. mic

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