„Es braucht eine Anstrengung von allen“

Die Schweiz will ein für alle Länder rechtlich verbindliches Klimaabkommen erreichen

Thomas Kolly, der Leiter der Schweizer Delegation bei den internationalen Klimaverhandlungen ist zuversichtlich, dass im Dezember in Kopenhagen ein „gutes Resultat“ erreicht wird.

Die vierzehntägigen Verhandlungen in Bonn sind zu Ende. Gibt es konkrete Resultate?
Thomas Kolly: Falls Sie mit konkreten Resultaten meinen, dass man sich auf Emissionsverpflichtungen festgelegt hat oder dass schon feste Zusagen gemacht worden sind, um die Entwicklungsländer beim Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen, dann ist die Antwort Nein. Es war aber auch nicht geplant, dass wir uns hier in Bonn auf bezifferbare Resultate einigen. Wir haben hier zum ersten Mal auf der Grundlage von konkreten Entwürfen für das „Agreed Outcome of Copenhagen“, also das Verhandlungsresultat, gearbeitet. Es ist eine grosse Arbeit, diese Texte zu bereinigen. Das ist nicht spektakulär und es ist schwierig zu kommunizieren, was genau passiert.

Was will die Schweiz in den Klimaverhandlungen erreichen?
Für uns Schweizer ist es wichtig, dass alle Länder in das neue System eingebunden werden. Neben den Industrieländern wie der Schweiz, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, müssen vor allem zwei Kategorien von Ländern grosse Anstrengungen machen: Zum einen sind das die USA, die nicht beim Kyoto-Protokoll dabei sind und zum anderen sind das die grossen Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien. Es ist das erklärte Ziel, in Kopenhagen ein rechtlich verbindliches Regime zu schaffen, das alle Länder einbindet. Das ist der wichtigste Punkt.

Und wie will die Schweiz das erreichen?
Durch beharrliche Überzeugungsarbeit. Ein wichtiges Mittel ist dabei die enge Zusammenarbeit der Schweiz mit Südkorea, Mexiko, Liechtenstein und Monaco. Mit diesen Ländern bilden wir die „Environmental Integrity Group“. Wir sind „eine kleine UNO“ ein Abbild der ganzen Welt. Es sind Länder aus drei Kontinenten dabei, sehr hoch entwickelte Länder und Schwellenländer. Ausserdem haben wir natürlich mit der EU und einzelnen EU Ländern sehr enge Kontakte. Das Gleiche gilt aber auch für Länder wie Norwegen oder die USA sowie die Entwicklungsländer.

Aber kann ein kleines Land wie die Schweiz überhaupt Einfluss nehmen? Ist es nicht eher so, dass die G2 also die USA und China, den Klimavertrag unter sich ausmachen?
Die Verhandlungen laufen in dem Rahmen ab, in dem wir gerade sind, in einem strukturierten Prozess. Aber es gibt natürlich auch Prozesse, die darum herum laufen wie etwa das Major Economies Forum, die G8, die UNO und schliesslich gehören auch bilaterale Prozesse wie zwischen China und den USA dazu.

Wie gross ist die Schweizer Verhandlungsdelegation?
Wir sind gut 10 Leute aus allen involvierten Ämtern: dem Bundesamt für Umwelt, dem seco, dem Bundesamt für Energie, meteosuisse, dem Departement für Entwicklungszusammenarbeit, dem Aussenministerium und dem Bundesamt für Landwirtschaft.

Was bietet die Schweiz in den Verhandlungen an?
Als Schweiz haben wir eine ähnliche Position wie die EU: Der Bundesrat hat für 2020 gegenüber 1990 ein Reduktionsziel für die Schweiz von mindestens 20 und eventuell 30 Prozent, falls andere Länder mitziehen, festgelegt. Wir spielen also in der oberen Liga mit dieser Offerte.

Ist das amerikanische Angebot von minus vier Prozent da gut genug?
Die Amerikaner haben überhaupt noch kein Angebot in Zahlen vorgelegt. Der Gesetzesentwurf, der derzeit im US-Kongress diskutiert wird, ist natürlich ein wichtiger Indikator, aber auch nicht mehr. Ein Gesetzesentwurf und ein Verhandlungsangebot sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Russland und Neuseeland haben übrigens auch noch keine offiziellen Angebote gemacht.

Das Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC hat in seinem letzten Bericht festgestellt, dass die CO2 Emissionen der Industrieländer bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gesenkt werden müssen. Bislang gehen aber nur die Angebote der EU und der Schweiz in diese Richtung. Werden die anderen Länder ihre Angebote noch nachbessern?
Wie gesagt fehlen im Moment noch die Zahlen von wichtigen Ländern. Verschiedene Länder haben auch offengelassen, welche Anstrengungen sie im Inland und welche im Ausland unternehmen werden. Norwegen, die Schweiz und die EU haben die ambitioniertesten Ziele angekündigt. Auf dem Weg nach Kopenhagen wird sich aber noch einiges bewegen, vor allem auf Seiten der USA und wohl auch der Schwellenländer.

Hat man sich in den Verhandlungen von dem Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, dann verabschiedet?
Nein, man hat sich absolut nicht von diesem Ziel verabschiedet. Die Frage ist, wer welche Anstrengungen machen muss. Die Entwicklungsländer sagen, das ist die Verantwortung der Industrieländer. Wir als Industrieländer sagen, das stimmt, wir haben den Hauptteil der Verantwortung zu tragen. Aber wenn ihr nicht auch einen Beitrag leistet, werden wir nicht zu einem Niveau kommen, das noch verkraftbar ist für unseren Planeten. Es braucht eine Anstrengung von allen.

Was ist eigentlich mit dem Schutz der Regenwälder? Zeitweise wurde diskutiert dieses Problem nicht im Rahmen der Klimaverhandlungen zu lösen sondern ein separates Abkommen zu schliessen.
Es besteht ein allgemeiner Wille die Entwaldung ins Kopenhagen Agreement aufzunehmen. Das Waldthema hat eine sehr viel stärkere Bedeutung als noch vor ein paar Jahren. Man weiss heute, dass 20 Prozent der Emissionen durch die Entwaldung verursacht werden. 20 Prozent ist viel. Es ist völlig klar, dass man in diesem Bereich ein gutes Resultat erzielen muss.

Heisst das, dass nun Länder wie Brasilien oder Indonesien CO2 Zertifikate bekommen wenn sie ihre Wälder nicht abfackeln?
Wie das Regime ausgestaltet werden soll, ist noch offen. Derzeit werden verschiedene Ansätze diskutiert, unter anderem Marktmechanismen, etwa die Einführung eines Zertifikatehandels. Auch die Möglichkeit, das in Entwicklungshilfemanier zu finanzieren, wird geprüft. Da sind komplexe Fragen, die von Waldspezialisten, Ökonomen, Wissenschaftlern, Rechts- und Entwicklungshilfeexperten untersucht werden.

Bis zum Beginn der Konferenz in Kopenhagen sind es noch knapp 180 Tage. Ist das überhaupt zu schaffen?
Rein von der Verhandlungszeit her ist es absolut machbar. Es hängt einzig vom politischen Willen ab. Wenn der Wille da ist, wird man in Kopenhagen ein gutes, substantielles Resultat haben. Aber in Kopenhagen werden sicher nicht alle Punkte im Detail gelöst werden. Das ist aber nichts Neues. Im Kyoto-Protokoll hat man auch nicht alle Details geregelt, sondern erst in den folgenden Jahren.

Besteht dann aber nicht die Gefahr, dass sich ein derartiges Detail dann zur Bombe entwickelt, wie bei den WTO Verhandlungen über den Welthandel im letzten Jahr, wo man ja auch den Eindruck hatte, alles sei bereits in trockenen Tüchern?
Nein, das glaube ich nicht. Wenn man sieht, was in all diesen Ländern läuft und da rede ich von Industrie- und Entwicklungsländern. Gerade Länder wie China und Indien unternehmen viel um die Energieeffizienz zu steigern und den Zuwachs der Emissionen zu reduzieren. Das Bewusstsein in diesen Ländern ist gewachsen, dass es in ihrem ureigensten Interesse liegt, ihre Wirtschaft und Gesellschaft auf den Weg einer nachhaltigen Entwicklung zu bringen. Der politische Wille im eigenen Land etwas zu machen, ist eine fruchtbare Grundlage, um auf globaler Ebene ein gutes Resultat zu erzielen.

Botschafter Thomas Kolly, 50, ist der Leiter der Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt BAFU und Chef der Schweizer Delegation bei den internationalen Klimaverhandlungen. mic

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