Noch reichen die versprochenen CO2 Reduktionen nicht aus, um den Klimawandel zu begrenzen
Das Klimavertrag von Kyoto läuft aus und bis im Dezember soll ein Nachfolgeabkommen unterschriftsreif sein. Bei einer Vorbereitungskonferenz in Bonn liegt nun erstmals ein Vertragsentwurf vor. Doch noch sind die wesentlichen Fragen nicht gelöst.
Es ist eine Katastrophe mit Ansage. Wenn nichts passiert, steigt die CO2 Konzentration in der Atmosphäre von heute 390 auf 1000 ppm (Parts per Million, siehe „Stichwort“) und das Klima erwärmt sich um 5.5 Grad bis 2100. Diese Erwärmung führt voraussichtlich zum Erreichen verschiedener „Tipping Points“, wie etwa das Auftauen des Permafrosts in Sibirien und die Freisetzung von gigantischen Mengen an Methan, einem 20 Mal stärkeren Treibhaugas als CO2. Der Klimawandel verstärkt sich dann selbst und ist nicht mehr zu stoppen. Der Meeresspiegel steigt schliesslich um über 70 Meter.
Damit es nicht soweit kommt, wird derzeit fieberhaft an einem Nachfolgevertrag zum Kyoto-Protokoll gearbeitet. Dieses läuft 2012 aus. Seit Beginn dieser Woche treffen sich 3000 Klimaunterhändler, Vertreter von Umweltorganisationen und Wissenschaftler in Bonn. Die Verhandlungen kreisen um vier Fragen: Was machen die Industrie- und was die Entwicklungsländer? Mit wieviel Geld unterstützen die reichen Länder die Anpassungsmassnahmen in den armen Ländern? Und, wie soll das Ganze organisiert werden? In Bonn arbeiten die Delegierten nun zum ersten Mal an einem konkreten Vertragsentwurf. Doch noch „sind da ein paar Knacknüsse“ sagt Yvo de Boer, der Verhandlungsleiter der UNO.
- Industriestaaten
Die Industriestaaten sind für knapp 80 Prozent der CO2 Emissionen seit Beginn der industriellen Revolution verantwortlich. Die Pro-Kopf Emissionen der Reichen betragen ein Vielfaches der Emissionen der Menschen in den Entwicklungsländern. Die Industriestaaten müssen ihre Emissionen also besonders stark einschränken. Für das Jahr 2050 besteht auch weitgehend Einigkeit: Die Industrieländer müssen ihre Emissionen bis dann um 80 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren. Streit gibt es aber über die Frage wie schnell dies geschehen soll. China verlangt, dass die Industrieländer ihre Emissionen bis 2020 bereits um 40 Prozent reduzieren. Die Amerikaner offerieren derzeit vier Prozent und die Japaner denken noch darüber nach. Nur die Europäer haben angeboten ihre Emissionen nennenswert um 20 bis 30 Prozent zu reduzieren.
- Entwicklungsländer
Angeführt von Indien und China lehnen die Entwicklungsländer verbindliche Vorgaben für ihre CO2 Emissionen derzeit noch ab. Sie argumentieren, dass die Industriestaaten für das Problem verantwortlich sind. Doch diese können das Problem längst nicht mehr alleine lösen. China ist der grösste und Indien der fünftgrösste Emittent von Treibhausgasen. Die Amerikaner verlangen daher, dass sich die Entwicklungsländer dazu verpflichten, ihre Emissionen ab 2020 zu senken. Die Chinesen offerieren derweil sinkende Emissionen ab 2040.
- Hilfe für Anpassungsmassnahmen
Die ärmsten Länder der Welt sind vom Klimawandel besonders stark betroffen. In den Tropen führt jedes Grad mehr zu Verlusten in der Nahrungsmittelproduktion, zu Stürmen, Überschwemmungen oder Trockenheit. Ausserdem müssen de Entwicklungsländer in ihre Energieinfrastruktur investieren, um ihre Emissionen senken zu können. Dazu brauchen sie Zugang zu Technologien und vor allem Geld. Daher fordern sie, dass die reichen Länder zwischen 0,5 und 1 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in einen Fonds einzahlen, aus dem die erforderlichen Anpassungsmassnahmen finanziert werden. Die Indusriestaaten akzeptieren die Notwendigkeit eines solchen Fonds, lehnen die von den Entwicklungsländern geforderte Grösse aber rundweg ab. Zudem sind sie in Bonn noch nicht bereit über Geld zu reden und wollen das Thema bis zu den Abschlussverhandlungen im Dezember in Kopenhagen vertagen.
- Organisation
Noch gibt es keine internationale Organisation, die für das Klima und den Kampf gegen den Klimawandel verantwortlich ist. Die Verantworlichkeiten verteilen sich auf eine Vielzahl von UN Organisationen mit unaussprechlichen Namen (UNFCCC, IPCC, UNEP, SBSTA, SBI etc.) Was fehlt ist eine schlagkräftige und allseits anerkannte Organisation wie die Welthandelsorganisation WTO, die auch ein eigenes Schiedsgericht für Streitfälle betreibt. Noch liegen aber keine offiziellen Vorschläge für die Ausgestaltung einer Weltklimaorganisation auf dem Tisch und so besteht auch noch kein Anlass zu Streit.
In der aktuellen Verhandlungsphase liegt der Schwerpunkt auf den ersten beiden Fragen: Wer macht wieviel und wie schnell? Dabei mehren sich die Anzeichen, dass die USA versuchen erst mit China einen bilateralen Deal zu schliessen: Der US Verhandlungsführer Todd Stern ist derzeit nicht etwa in Bonn, sondern in Peking. Die USA und China sind zusammen für über 40 Prozent der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich. „Wenn sich die beiden Goliaths auf der Weltbühne die Hände reichen und eine Klima- und Energiepartnerschaft vereinbaren, wird das die Welt verändern.“ sagt Stern.
Doch vorerst müssen alle Länder ihre Angebote noch deutlich nachbessern, wenn sie den Klimawandel wirklich begrenzen wollen: „Das ist noch nicht genug“ sagt denn auch Yvo de Boer über die vorliegenden Angebote. Dabei läuft ihm die Zeit weg: Bis zur Abschlusskonferenz in Kopenhagen im Dezember sind es nur noch sechs Monate. Dennoch ist er optimistisch: „Ich habe keinen Zweifel, dass die Kopenhagener Klimakonferenz zu einem Resultat führen wird.“ Hoffen wir, dass es auch ein gutes ist.
Stichwort: Parts per Million
Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre wird in Parts per Million, kurz ppm, gemessen. Derzeit enthält die Luft 390 CO2 Moleküle je eine Million Moleküle verschiedener anderer Gase. Vor der industriellen Revolution lag dieser Wert bei etwa 275 ppm. Um den Klimawandel zu begrenzen, darf die Konzentration 450 ppm nicht übersteigen und sollte langfristig auf 350 ppm zurückgeführt werden. mic
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