Mit einer Nischenstrategie hat die Schweizer Hilfe für Kirgistan überdurchschnittliche Wirkung
Die Russen erinnern ihn als „Das Turnier der Schatten“ und die Engländer als „The Great Game“: Den Kampf um die Kontrolle Zentralasiens. Im 19. Jahrhundert begann das zaristische Russland seinen Einfluss auf Zentralasien auszudehnen. Gleichzeitig versuchten die Engländer zum Schutz ihrer wichtigsten Kolonie, Indien, nach Norden vorzustossen. Und auch heute gibt Zentralasien wieder das Spielbrett für ein grosses Geostrategie-Spiel ab: Zum einen unterhalten die USA Militärbasen in Kirgistan und Tadschikistan für den Krieg in Afghanistan. Zum anderen geht es um Öl und Gas. Um sich die, noch weitgehend unerschlossenen, Energievorräte Zentralasiens zu sichern, versuchen Russland, die USA, China und Indien ihren Einfluss auf die Region auszudehnen.
Dies spiegelt sich auch in den ausländischen Hilfe für Kirgistan wieder (siehe Tabelle). Rund zehn Prozent des offiziellen kirgisischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) stammt aus Entwicklungs- und Militärhilfe. „Mit einem Budget von 12,5 Millionen Franken sind wir da nur ein kleiner Geldgeber“ sagt Hans Peter Maag, der Leiter der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Kirgistan. „Unser Einfluss auf die Regierung ist daher beschränkt und wir müssen Prioritäten setzen.“ Neben Wasser (siehe nebenstehender Artikel) ist eine dieser Prioritäten das kirgisische Gesundheitswesen.
Ausländische Entwicklungs- und Militärhilfe für Kirgistan gemäss der Swiss Development Corporation (SDC)
Die Schweizer Hilfe setzt dabei auf zwei Ebenen an: Zum einen bezuschusst die Schweiz zusammen mit anderen Geldgebern das Budget des kirgisischen Gesundheitsministerium mit jährlich 60 Millionen Dollar (Schweizer Beitrag drei Millionen). „Dieses Geld können die Kirgisen gemäss ihrer eigenen Prioritäten investieren.“, erklärt Maag. „Gleichzeitig haben wir aber ein Projekt, dass das Management der Staatsfinanzen verbessert. So können wir sicherstellen, dass unser Geld auch zielgerichtet eingesetzt wird.“
Zum anderen unterstützt die Schweiz (zusammen mit Schweden) die Entwicklung eines Modells für das zukünftige Gesundheitswesen. „Zu Sowjetzeiten gab es keine integrierte Gesundheitspolitik, nur eine völlig überdimensionierte Spitalinfrastruktur. Gesundheit ist aber viel mehr als die Versorgung von Kranken: Gesunde Ernährung, sauberes Wasser, Verzicht auf Alkohol und Tabak haben einen massgeblichen Einfluss auf den Gesundheitszustand.“ sagt Tobias Schüth, der Projektleiter. Um diese vorbeugenden Massnahmen in die Gesundheitspolitik zu integrieren, hat das Schweizer Projekt ein Netzwerk von freiwilligen Gesundheitskomitees ins Leben gerufen. In jedem Dorf kümmern sich nun die (meist weiblichen) Komiteemitglieder um die vordringlichsten Probleme.
Das Konzept, das zunächst in einem Pilotversuch in einer Provinz entwickelt wurde, wird nun auf das ganze Land ausgedehnt. Es war so erfolgreich, dass es mittlerweile Teil der offiziellen kirgisischen Gesundheitspolitik ist. „Das einzigartige an unserem Ansatz ist die Integration von freiwilligem, zivilgesellschaftlichem Engagment mit der staatlichen Gesundheitsinfrastruktur.“, sagt Schüth stolz.
Erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit besteht also längst nicht mehr aus dem Bau von Brücken und Schulen. „Um neben den grossen, multilateralen Geldgebern wie der Weltbank wahrgenommen zu werden, braucht man Leuchtturmprojekte. Das bekannteste Scheizer Projekt ist wohl die Käsefabrik, die ja mittlerweile profitabel ist. Langfristig haben wir aber mit der Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen, wie mit den Gesundheitskomitees oder mit der Organisation von Bauern für das Management der Bewässerungskanäle, den grösseren Impact.“, sagt Maag. Wichtig ist aber auch langfristiges Engagement: „Wir sind schon seit 1993 hier. Die Kirgisien kennen uns. So haben wir für einen Geldgeber unserer Grösse wohl überdurchschnittlichen Einfluss.“, sagt der Schweizer Delegationsleiter. Mitspielen können also auch kleine Player, sie müssen sich nur eine Nische suchen und hartnäckig sein. mic