Nach der Krise ist vor der Krise

Aussichten auf einen Abschluss der Doha-Runde haben sich wieder verschlechtert

Beim Streit über die geografischen Herkunftsangaben zeichnet sich dafür ein Kompromiss ab.

Kaum ist die erste Krise in den Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO überwunden, kommt schon die nächste. Am Freitag hatte WTO-Chef Pascal Lamy mit einem eigenen Kompromisspapier zu Industrie- und Agrarprodukten einen Abbruch der Verhandlungen verhindert. Doch nun legen sich Indien, das schon am Wochenende Bedenken angemeldet hatte, und überraschend auch China quer.

Der Schweizer Botschafter bei der WTO, Luzius Wasescha, schätzt, dass die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Abschlusses von 65 Prozent am Wochenende gestern wieder unter 50 Prozent gefallen ist. Anlass zu Optimismus geben hingegen die Beratungen über geografische Herkunftsangaben wie etwa beim «Bündner» Fleisch. Die USA und andere Einwanderungsländer wehren sich dagegen, dass nur noch Fleisch aus Graubünden auch als «Bündner Fleisch» verkauft werden darf. Der Grund ist einfach: Schweizer, die nach Amerika ausgewandert sind, haben dort begonnen, «Emmentaler» und «Greyerzer» herzustellen. Werden die geografischen Herkunftsangaben nun im Rahmen der WTO geschützt, wird es keinen amerikanischen «Swiss Cheese» mehr geben.

Umgekehrt haben die Schweizer Bauern natürlich ein eminentes Interesse daran, gut eingeführte Brands wie «Emmentaler» oder «Greyerzer» exklusiv nutzen zu können. Um den Amerikanern nun doch noch eine Zustimmung abzuringen, könnten ihnen die Europäer beim abgelaufenen «Friedensabkommen» entgegenkommen. Dieses besagt, dass nach einer Einigung nicht mehr gegen US-Landwirtschaftssubventionen geklagt werden kann, solange diese insgesamt unter der vereinbarten Obergrenze bleiben. Bislang lehnt die EU dies ab. Über einen Tausch gegen die Herkunftsangaben dürfte sie aber dennoch mit sich reden lassen. mic

Aus der Basler Zeitung vom 29.07.08