Die Schweiz ist kein Agrarland

Folgt man handelspolitischen Debatten, gewinnt man leicht den Eindruck, die Schweiz sei ein Agrarland. Die mächtigste Lobby der Schweiz, die Bauern, verteidigt vehement ihre Privilegien. Dabei ist die Landwirtschaft, mit einem Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) von einem Prozent, volkswirtschaftlich irrelevant. Statt auf der Landwirtschaft sollte das Hauptaugenmerk der Öffentlichkeit darauf liegen, inwiefern Handelserleichterungen für die Pharma- und Maschinenindustrie erreicht werden können. Das bringt Geld. Denn natürlich gibt es bei den WTO-Verhandlungen einen Trade-off: Handelserleichterungen bei den Industriegütern gegen solche bei Agrarprodukten. Basel als Export-Schweizer-Meister muss also aufpassen, dass bei den aktuellen Verhandlungen nicht die Interessen der hiesigen Industrie geopfert werden, weil die Gemüsebauern meinen, sie seien nicht konkurrenzfähig. Es steht nämlich nirgends geschrieben, dass Agrarfreihandel den Schweizer Bauern schadet. Ihre österreichischen Kollegen haben die EU-Integration überlebt. Und auch in Bayern gibt es noch Landwirtschaft. Wir reden beim Agrarfreihandel mit der EU also nicht über die Verwüstung der Schweiz. Und schliesslich ist es auch nichts als fair, ärmere Länder nicht ausgerechnet dort zu diskriminieren, wo sie zum Teil einen Vorteil haben. Auch Fair-Trade beginnt mit dem Abbau von Handelshemmnissen. Die Schweiz muss nur endlich begreifen, dass sie kein Agrarland mehr ist. mic

Kommentar aus der Basler Zeitung vom 28.05.2008