Was der Welthunger und der Klimawandel mit der Doha-Runde zu tun haben
Was haben die steigenden Lebensmittelpreise, die Wasserknappheit, der Klimawandel und die groteske Armut in manchen Ländern miteinander gemein? Den Handel. Für alle diese Probleme ist Handel ein wesentlicher Teil der Lösung. Handel mit Verschmutzungsrechten im Rahmen des Kyoto-Protokolls. Handel mit Lebensmitteln, damit auch die Nettoimporteure wie die Schweiz genug zu essen haben. Handel mit Wasser. Handel mit Gütern, um die Unterschiede zwischen den Ländern nutzen zu können. Handel mit Finanzprodukten, um weltweit den effizienten Einsatz von Kapital sicherzustellen. Handel mit Ideen in Form von Patenten und Copyrights, um Anreize für Forschung zu geben und die schnelle, weltweite Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse zu fördern. Handel für Wachstum, um die Armut in der Welt zurückzudrängen.
Wie kommt es, dass dem Handel und den Märkten eine derart entscheidende Bedeutung bei der Lösung so unterschiedlicher Probleme zukommt? Märkte bringen Angebot und Nachfrage in Einklang. Der Preis zeigt, wie knapp ein Gut ist. Noch vor Kurzem war die Erdatmosphäre ein freies Gut. Ihre Aufnahmefähigkeit für CO2-Emissionen galt als unerschöpflich. Dies hat sich als falsch herausgestellt. Luft, Wasser, Agrarland sind plötzlich knapp.
Gleichzeitig hängen Angebot und Nachfrage von einer Vielzahl von Faktoren und Akteuren ab. Der Stand der Technik, das Wetter, politische Entscheidungen einzelner Staaten spielen eine Rolle. Kurz, es ist unmöglich, alle relevanten Aspekte zu überblicken oder gar zu planen. Deshalb kommt der Ordnungsmechanismus «Markt» zum Zug, denn Märkte sind nichts anderes als gigantische Datenfresser: Jede erdenkliche Information, die irgendeinem der unzähligen Akteure zur Verfügung steht, fliesst in den Prozess der Preisbildung ein. Und genau dieser Preis sorgt dann für die erforderlichen Verhaltensanpassungen. Die Produktion nimmt zu oder ab. Der Einsatz energieeffizienter Technik lohnt sich oder nicht. Mais wird zu Biosprit oder Tortillas verarbeitet.
Damit Handel fair und effizient ist, sind allgemein verbindliche und verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich. Ein zentraler Pfeiler dieser Welthandelsordnung ist die Welthandelsorganisation (WTO). Die WTO ist ein Glücksfall. Fast alle Länder sind Mitglied und die WTO-Regeln sind weltweit akzeptiert. Von den Grossen fehlt einzig Russland, dessen Beitrittsgesuch noch immer hängig ist. Selbst die Bush-Regierung, die allzu oft auf uni- statt multilaterales Vorgehen gesetzt hat, hält sich ohne zu murren an die WTO-Schiedsgerichte. China und Indien haben enorme Anstrengungen unternommen, um ihre Volkswirtschaften regelkonform zu organisieren. Kein Staat kann es sich leisten, WTO-Urteile zu ignorieren. Die verhängten Strafzölle schmerzen dann doch zu sehr. Die in Genf beheimatete Organisation hat so einen massgeblichen Anteil am Frieden auf der Welt. Sie verhindert, dass Handelskriege zu echten Kriegen eskalieren. Sie sorgt dafür, dass in handelspolitischen Fragen Recht, nicht Macht, den Ausschlag gibt.
Zurzeit wird, im Rahmen der Doha-Runde, über eine Ausweitung des WTO-Abkommens auf landwirtschaftliche Produkte und eine weitere Liberalisierung bei Industrieprodukten und Dienstleistungen gefeilscht. Insbesondere in der Landwirtschaft ist eine Abkehr von der Planwirtschaft erforderlich. Es kann nicht sein, dass die Herstellung von Biosprit mit Milliarden unterstützt wird und dann die Tortillas knapp werden. Die Doha-Runde ist ein wichtiger Schritt zur Lösung der eingangs erwähnten Probleme. Ein rascher und guter Abschluss ist nicht nur ein ökonomisches Gebot. Doha ist ein moralisches, ja existenzielles Erfordernis. mic
Leitartikel aus der Basler Zeitung vom 17.05.2008