«Nicht die Karte, der Inhalt zählt»

Mit Google Earth wird jeder Punkt der Erde via Internet dreidimensional erreichbar

Noch ist das Internet mehrheitlich zweidimensional und nach Begriffen «geordnet». Geht es nach Michael T. Jones, dem Chief Technology Officer von Google Earth, wird es bald dreidimensional und über die Geografie durchsuchbar. Jones weilte kürzlich in Basel an einer hochkarätig besetzten Unternehmertagung.

baz: Herr Jones, was ist eigentlich das Geoweb?

Michael Jones: Das Internet ist eine Art, Informationen zu strukturieren. Das Internet ist textbasiert. Einerseits werden die verschiedenen Artikel durch Hyperlinks miteinander verbunden und andererseits kann man Artikel finden, indem man Suchbegriffe in eine Suchmaschine eingibt. Google Earth hingegen ist eine neue Art, Informationen zu strukturieren. Ausschlaggebend sind hier nicht Begriffe, sondern die geografische Lage. Das Geoweb ist also ein dreidimensionales Internet in dem Sie Fotos, Filme und Artikel über deren geografische Lage finden können. So können Sie, bevor Sie in die Ferien fahren, die Umgebung des Hotels auf Google Earth anschauen, prüfen, ob das Hotel wirklich am Strand liegt. Viele Anwendungen sind nur in ihrem räumlichen Kontext sinnvoll.

baz: Woher weiss Google Earth, wo welches Foto hingehört?

Michael Jones: Sie müssen die Fotos richtig verschlagworten, also mit einem «Geotag» versehen. Ein «Geotag» beinhaltet die genaue geografische Position mit Längen- und Breitengraden. Google Earth selber beinhaltet dann eine Karte der Welt inklusive Höhenprofilen. Dank der Integration von Wikipedia zum Beispiel können Sie nicht nur das Satellitenbild von Basel betrachten, sondern auch gleich den entsprechenden Wikipedia-Artikel aufrufen.

baz: Sie stellen nur die Karte zur Verfügung und die Benutzer füllen sie dann mit Bildern und Texten?

Michael Jones: Genau, wichtig ist nicht die Karte, sondern der Inhalt. Die Karte und die Inhalte werden unabhängig voneinander gespeichert. Die Inhalte werden dann über die Karte drübergelegt, ein Mash-up entsteht. Es gibt etwa 4 Millionen solcher Mash-ups (für Google Earth und Google Maps). So hat z.B. jemand zerstörte Dörfer in Darfur markiert.

baz: Um Google Earth nutzen zu können, muss ich mir erst ein Programm herunterladen und bei mir installieren.

Michael Jones: Genau, das ist ein Geobrowser. So wie man einen Internetbrowser braucht, um das Internet nutzen zu können, benötigt man für Google Earth einen Geobrowser. Während ein Internetbrowser die Beschreibung einer Internetseite (meist in html) liest und diese dann entsprechend darstellt, liest ein Geo-browser die Beschreibung eines dreidimensionalen Objekts (z.B. in KML) und stellt dieses dann entsprechend dar. Als die ersten Internetbrowser auf den Markt gekommen sind, gab es nur sehr wenige Internetseiten, die Sie damit betrachten konnten. Heute aber haben Sie eine grosse Vielfalt an verschiedenen Angeboten.

baz: Wie aber kann ich Inhalte für Google Earth produzieren?

Michael Jones: Es genügt, wenn Sie Ihre Fotos, Filme oder Texte einfach ins Internet stellen. Google sucht das Netz systematisch auf Files ab, die mit der von uns entwickelten Sprache KML, Keyhole Markup Language, beschrieben sind. Erst dadurch, dass wir KML Files suchen und indexieren, wird Google Earth wirklich zu einem Geobrowser.

baz: Und dreidimensionale Objekte?

Michael Jones: Mit der Software Sketch-up bieten wir ein einfach bedienbares Instrument, um 3-D-Modelle von Häusern und anderen Objekten zu bauen. Die Stadt Hamburg beispielsweise hat die ganze Innenstadt als 3-D-Modell nachgebildet. Von Hamburg sehen Sie also nicht einfach zweidimensionale Satellitenbilder, sondern können durch ein richtiges 3-D-Modell fliegen.

baz: Google Maps, ein anderes Projekt, ist bereits für Mobiltelefone angepasst. Wann kommt Google Earth?

Michael Jones: Ziemlich bald. Es ist offensichtlich, dass Google Earth am nützlichsten ist, wenn man sich in einer fremden Stadt verirrt hat. Das Mobiltelefon wird dann zu einem Berater im Raum, den sogenannten «spatial advisor».

baz: Wie viel Geld hat Google in die Satellitenbilder investiert?

Michael Jones: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben mehr als alle anderen ausgegeben, folglich haben wir auch die bes-ten Daten. Mittlerweile sind in Google Earth die Häuser von drei Milliarden Menschen zu sehen. Einzelne Regierungen mögen bessere Bilder von ihren Ländern haben, aber bislang hat noch niemand versucht die ganze Welt abzudecken.

baz: Und wie wollen Sie dieses Geld wieder verdienen?

Michael Jones: Keine Angst, wir werden Google Earth nicht mit riesiegen Werbetafeln zupflas-tern. Es wird nicht so aussehen wie im Film «Blade Runner».

Jones hat den ersten Geobrowser mitentwickelt

1996 hat Michael Jones zusammen mit anderen die Firma Keyhole Inc. gegründet und fünf Jahre später den ersten Geobrowser der Welt veröffentlicht. Google hat das Unternehmen dann 2004 übernommen. Dank Googles Finanzkraft konnte das Modell schnell mit Satellitenbildern gefüllt werden, und 2005 kam dann Google Earth auf den Markt. Zum ersten Mal waren hochaufgelöste Satellitenbilder nicht nur Regierungen und grossen Firmen vorbehalten, sondern kostenlos für jedermann nutzbar. Google Earth ist ein virtueller Globus. Gibt man einen Ort ein, fliegt man rund um die Erde darauf zu. Grundlage sind Tausende von Satellitenbildern und Flugaufnahmen mit unterschiedlicher Auflösung. Nähert man sich dem Ziel, wird die Auflösung immer besser, wie bei einem landenden Flugzeug. Von einigen Städten bestehen nicht nur zweidimensionale Fotos, sondern auch dreidimensionale Modelle, so z. B. von Hamburg. Neben Google bieten Microsoft (Windows Live Maps) und die Nasa (World Wind) ähnliche Dienste an. Google Earth ist aber nach wie vor das bekannteste kostenlose Weltmodell. mic

Aus der Basler Zeitung vom 10.11.2007