Boom bei den Weltverbesserern

Die Stiftungsbranche wächst und wird professioneller

Stiften ist «in». Ein Drittel aller Schweizer Stiftungen ist keine zehn Jahre alt. Noch fehlt es der Branche aber an Transparenz.

In der Schweiz gibt es rund 12 000 «klassische» Stiftungen (ohne Vorsorgestiftungen etc.) mit einem Kapital von 30 bis 50 Mrd. Fr. oder rund 5000 Fr. je Einwohner. Mehr als 100 000 Menschen oder 2,5% aller Beschäftigten arbeiten für Stiftungen und erwirtschaften gut 2% des BIP. Jedes Jahr verteilen Stiftungen gut 1 Mrd. Fr. oder 130 Fr. pro Schweizerin und Schweizer. In keinem Land der Welt gibt es mehr Stiftungskapital pro Einwohner als in der Schweiz und auch die Anzahl der Stiftungen ist rekordverdächtig: Obwohl Deutschand zehnmal mehr Einwohner hat, ist die Zahl der Stiftungen in etwa gleich wie in der Schweiz. Die Schweiz ist ein Stiftungsparadies.

Ein wesentlicher Grund ist das liberale Stiftungsrecht: Einzige Voraussetzung für die Errichtung einer Stiftung ist der Eintrag ins Handelsregister. Dadurch erhält das gestiftete Vermögen seine eigene Rechtsperson. Das Geld gehört sich selbst. Eine Stiftung hat keine Mitglieder wie ein Verein oder eine Genossenschaft und keinen Besitzer wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Das gestiftete Geld ist auch nicht dem Bürger verpflichtet wie der Staat. Massgeblich ist allein der Zweck der Stiftung, der Stifterwille. Eine Stiftung ist also zweckgebundenes Kapital.

Das Konstrukt, Geld einem guten Zweck zu vermachen, ist alt. Die noch heute bestehende Bürgerspitalstiftung im bayrischen Wemding wurde im Jahr 917 gegründet. In den letzten Jahren ist aber ein Boom von Stiftungsgründungen zu verzeichnen. Ein Drittel aller Schweizer Stiftungen ist keine zehn Jahre alt. Die meisten der alten wie neuen Stiftungen sind klein und haben bei Gründung ein Vermögen von unter 10 Mio. Fr. Tätigkeitsschwerpunkte von Stiftungen sind Soziales (35%), wissenschaftliche Forschung und Kultur (je knapp 20%) sowie Entwicklungshilfe (knapp 10% aller Stiftungen).

All diese Angaben sind Schätzungen. Stiftungen unterstehen zwar einer Kontrolle, der Stiftungsaufsicht. Diese kann aber auf kommunaler, kantonaler oder nationaler Ebene erfolgen. So hat keine Stelle Überblick über das gesamte schweizerische Stiftungswesen. Zudem haben Stiftungen keine Offenlegungspflichten. Sie kommunizieren wann, wie und was sie wollen. Dies steht im Widerspruch zu den Privilegien, die Stiftungen geniessen. Gemeinnützige Stiftungen sind steuerbefreit. Ausserdem können Stifter ihre mildtätigen Gaben bei der Einkommenssteuer absetzen.

Der Staat verzichtet also auf Steuereinnahmen. Dies begründet zumindest einen Informationsanspruch der Öffentlichkeit, meint Rolf Keller, Leiter des Studienzentrums Kulturmanagement der Universität Basel. Mehr Transparenz könnte auch das fundamentale Governance-(Aufsichts-)Problem von Stiftungen, das Fehlen von Eigentümerinteressen, mildern. Bei der Novellierung des Stiftungsrechts per Januar 2006 wurde dieses Problem aber nicht behoben. Der Gesetzgeber hat einzig eine Pflicht zur Revision der Buchhaltung eingeführt. Unverändert gelassen haben die Räte auch die Möglichkeit Kapital zu akkumulieren.

Im Gegensatz zum deutschen oder amerikanischen Recht, kennt das Schweizer Stiftungsgesetz nach wie vor keine Ausschüttungspflicht. Die Ausschüttungsquote ist entsprechend niedrig (siehe untenstehende Tabelle).

Mit dem Code der Schweizer Förderstiftungen geht nun Swissfoundations, ein Verein von Förderstiftungen, oben genannte Probleme an: Governance, Transparenz und Professionalität des Managements von Stiftungen sollen verbessert werden. Auch haben Universitäten Philanthropie als Forschungsfeld entdeckt und richten Kompetenzzentren ein. Ausserdem kümmern sich vermehrt die Grossen um die Kleinen. Die Gebert Rüf Stiftung etwa bietet kleinen Stiftungen Pooling von Geldern an.

Die Christoph Merian Stiftung (CMS) in Basel entwickelt sich derweil zu einem eigentlichen Gemeinwohlkonzern. Kleine Stiftungen können ihre gesamte Verwaltung an die Profis der CMS delegieren. Potenziellen Stiftern wird zudem die Möglichkeit geboten, anstatt dass sie selbst eine eigene Stiftung gründen, Legate oder Fonds bei der CMS einzurichten. So können die Verwaltungskosten gesenkt werden, erklärt Christian Felber, Direktor der CMS. mic

Teil der Zivilgesellschaft

Menschliches Handeln muss geordnet werden, um das Zusammenleben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Die Wissenschaft unterscheidet dabei drei Ordnungsprinzipien: Gewalt, ausgeübt durch den Staat zur Durchsetzung von Gesetzen, Tausch auf einem Markt respektive in der Wirtschaft und schliesslich das freiwillige Geschenk.

In den meisten Fällen handelt es sich dabei um geschenkte Zeit, also ehrenamtliche Tätigkeiten wie z.B. als Fussballtrainer. Oft wird das «Schenken» in Non-Profit-Organisationen wie Vereinen oder Stiftungen institutionalisiert. Gemeinsam bilden sie die sogenannte Zivilgesellschaft, den dritten Sektor neben Staat und Markt. Alle drei Sektoren erbringen Leistungen, die für die Gesellschaft unabdingbar sind. mic

Ein Drittel in Basel

Bei der basel-städtischen Stiftungsaufsicht sind 710 «klassische», gemein-nützige Stiftungen mit einem Vermögen von 10 Mrd. Fr. registriert – ein Drittel des Schweizer Totals. In Liestal sind 215 Stiftungen mit einem Vermögen von über 500 Mio. Fr. registriert. mic

Aus der Basler Zeitung vom 07.04.2007