Wie das Klima noch zu retten wäre

Neuer Bericht des Weltklimarats zeigt, wie sich die Emissionen schnell genug senken ließen

Noch steigen die globalen Treibhausgasemissionen, dabei müssten sie um die Hälfte sinken, wenn die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad gestoppt werden soll. In einem neuen Bericht wird der Weltklimarat zeigen, wie das zu schaffen wäre.

Anfang April erscheint der dritte und letzte Teil des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC. Dieser beschreibt, was die Menschheit tun muss, um den Klimawandel zu stoppen. Kurz, es geht um die Minderung der Emissionen. Der Bericht wird wie schon der erste und zweite Teil mehrere tausend Seiten umfassen und den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse aufzeigen. Derzeit wird die rund 30-seitige „Zusammenfassung für Entscheidungsträger“ von Diplomaten der 195 Mitgliedsstaaten des IPCC ausgehandelt. Diese muss allerdings auf den, im eigentlichen Bericht enthaltenen, wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Mit diesem Verfahren werde zweierlei sichergestellt, sagt der Co-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Professor Ottmar Edenhofer: Alle Länder müssen den zugrundliegenden Bericht im Detail durchgehen und erkennen dessen Inhalt durch die Verabschiedung offiziell an.

Der bislang noch unveröffentlichte Bericht wird mit einigen Neuerungen aufwarten im Vergleich zum vorherigen Bericht aus dem Jahr 2014: Er wird stärker auf die Rolle von nicht-staatlichen Akteuren wie Unternehmen und Finanzinstitute eingehen. Er enthält zum ersten Mal ein Kapitel zur Nachfrage nach Energie und energieintensiven Gütern und er wird die sozialen Aspekte des Umbaus unserer Gesellschaften viel detaillierter beleuchten als bislang. „Die Wissenschaft zeichnet die Landkarte mit allen Gefahrenstellen und Wegen, damit die Politik faktenbasiert entscheiden kann“, sagt Edenhofer. [1] Der Ausgangspunkt dabei ist die Entwicklung der Emissionen, die noch immer steigen, und die bestehenden Klimaschutzmaßnahmen. Diese reichen bislang nicht, um die selbstgesteckten Klimaziele der Staaten zu erreichen. Und diese Klimaziele reichen nicht, um die Erwärmung bei zwei geschweige denn bei 1,5 Grad zu stoppen, wie Berechnungen des Climate Action Tracker zeigen. [2]

Tragödie. Mit jedem Bericht dokumentiert der IPCC letztlich sein eigenes Scheitern. Hätte die Welt nach dem ersten Bericht im Jahr 1990 gehandelt, stünde die Menschheit jetzt besser da. (Foto. Unbekannt)
Tragödie. Mit jedem Bericht dokumentiert der IPCC letztlich sein eigenes Scheitern. Hätte die Welt nach dem ersten Bericht im Jahr 1990 gehandelt, stünde die Menschheit jetzt besser da. (Foto. Unbekannt)

Der Bericht wird allerdings auch deutlich machen, dass eine schnellere Reduktion der Emissionen technisch und wirtschaftlich möglich ist und mit geeigneten Begleitmaßnahmen auch keine negativen sozialen Auswirkungen zu befürchten sind. Einzelne, isolierte Maßnahmen reichen hierfür allerdings nicht. Nur mit einem ganzheitlichen Ansatz, der auch die institutionellen und ökonomischen Rahmenbedingungen mitberücksichtigt, kann der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einer nachhaltigen Welt gelingen. Zentral sind hier auch die Finanzmärkte, ein Sektor der erst in den letzten Jahren in den Fokus kam. „Es geht darum die riesigen Finanzflüsse dieser Welt zu nutzen, dass sie helfen, unsere Zukunft zu sichern statt sie zu gefährden“, sagt Professorin Kerstin Lopatta von der Universität Hamburg. [1] Dazu müssten Unternehmen möglichst standardisiert über ihre Emissionen berichten sowie über die Klimarisiken, denen sie ausgesetzt sind. Derzeit arbeiten diverse Gremien an Standards für diese Berichte.

Aber selbst mit einer viel effektiveren Klimapolitik wird die Menschheit in Zukunft der Atmosphäre CO2 entziehen müssen. Dies liegt einerseits in der Natur der „Netto-Null-Ziele“, bei denen es noch Restemissionen gibt, die aber anderweitig ausgeglichen werden. Und andererseits sei damit zu rechnen, dass die Erwärmung die 1,5-Grad-Grenze zeitweise überschreiten werde, sagt Professorin Sabine Fuss von der Berliner Humboldt Universität. [1] Zur CO2-Entnahme stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, die allerdings alle eine begrenzte Kapazität haben. Am wenigsten kontrovers sind die Aufforstung geeigneter Flächen und die Wiedervernäßung von Mooren sowie einige Maßnahmen in den Meeren, wie die Wiederherstellung von Kelpwäldern und Seegraswiesen. Richtig gemacht, lassen sich damit auch Vorteile für die Artenvielfalt erzielen. Schwieriger ist schon BECCS. Hier wird Bioenergie (BE), also Holz oder andere Biomasse, zur Energieerzeugung verbrannt und anschließend wird das CO2 abgeschieden und unterirdisch verpresst (CCS). Falls BECCS im großen Stil zum Einsatz kommen soll, wären allerdings riesige Biomasseplantagen erforderlich. Möglich ist auch CO2 aus der Luft zu filtern, mittels „Direct Air Capture“ (DAC) und anschließend wieder per CCS zu entsorgen. Der Platzbedarf hierfür ist relativ gering, dafür sind riesige Mengen an Ökostrom erforderlich.

Wie dringend die Halbierung der Emissionen bis zum Jahr 2030 und die Absenkung auf netto-null bis 2050 sind, hat der zweite Teil des IPCC Sachstandberichts gezeigt, der im Februar veröffentlicht wurde: Die aktuelle Erwärmung von 1,1 Grad hat schwerwiegendere Folgen als zuvor erwartet und „die mittel- und langfristigen Auswirkungen sind bis zu einem Vielfachen höher als die derzeit beobachteten“. [3 s. SPM.B.4] Es bleibt daher zu hoffen, dass die „Entscheidungsträger“ dieser Welt den dritten Teil des IPCC-Berichts tatsächlich als „Landkarte“ benutzen und die Menschheit aus der Klimakrise führen.

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[1] Deutsches Klima Konsortium, 17.06.2022: Worum geht es beim IPCC-Bericht über Minderung des Klimawandels? Hintergründe aus der Forschung (PDF)

[2] Climate Action Tracker, 09.11.2021: Glasgow’s one degree 2030 credibility gap: net zero’s lip service to climate action

[3] IPCC, 28.02.2022: Climate Change 2022 – Impacts, Adaptation and Vulnerability (PDF)