Energiewende sorgt kurzfristig für höhere und langfristig für tiefere Inflation

Der aktuelle Inflationsschub in der Eurozone ist keine Folge der Energiewende

Der Begriff „grüne Inflation“ erweckt den Eindruck, dass die Energiewende preistreiben wirkt. Kurzfristig ist das wohl der Fall, allerdings primär wegen eine Verteuerung der fossilen Energien in der Übergangsphase. Langfristig wirkt Grünstrom dann kostensenkend.

Die Inflation im Euroraum lag letzten November bei 4,9 Prozent und in Deutschland noch höher. Die Preissteigerung ging im Wesentlichen auf höhere Energiepreise zurück. Diese verteuerten sich um 27,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Manche machen dafür die Energiewende, also den Umstieg auf erneuerbare Energien, verantwortlich und sprechen von „grüner Inflation“. Fatih Birol der Chef der Internationalen Energieagentur IEA widerspricht dem jedoch vehement: „Es handelt sich nicht um eine Krise der erneuerbaren oder sauberen Energien, sondern um eine Krise des Erdgasmarktes.“ Und für diese Krise gebe es einen Hauptgrund: „Wir sehen auf den europäischen Gasmärkten starke Elemente einer ‚künstlichen Verknappung‘, die offenbar auf das Verhalten des staatlich kontrollierten russischen Gasversorgers zurückzuführen ist.“ Trotz der hohen Preise habe Gazprom im vierten Quartal 2021 ein Viertel weniger Gas geliefert als ein Jahr zuvor.

Aber auch wenn die aktuell hohen Energiepreise wenig mit der Energiewende zu tun haben, könnte diese dennoch preistreibend wirken. Davor warnte Isabel Schnabel, ein Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank EZB, vorletzte Woche in einer Rede: „Die Energiewende birgt messbare Risiken für unsere Basisprojektion der mittelfristigen Inflation.“ Dafür gebe es drei Gründe: „Die Kombination aus kurzfristig unzureichenden Produktionskapazitäten für erneuerbare Energien, zurückhaltenden Investitionen in fossile Brennstoffe und steigenden CO2-Preisen bedeutet, dass wir möglicherweise vor einer langwierigen Übergangszeit stehen, in der die Energierechnung steigen wird.“ Kurz, schuld sind der Umstellungsprozess selbst sowie der CO2-Preis.

Vorübergehend. Einige klimafreundliche Produkte wie grüner Stahl sind anfangs teurer als herkömmliche. (Foto: Inna67895 / Wikimedia)
Vorübergehend. Einige klimafreundliche Produkte wie grüner Stahl sind anfangs teurer als herkömmliche. (Foto: Inna67895 / Wikimedia)

Der Anstieg von letzterem ist schnell erklärt: Dieser hat sich letztes Jahr mehr als verdoppelt und liegt jetzt über 80 Euro pro Tonne CO2. Dies liegt primär daran, dass Jahr für Jahr weniger CO2-Zertifikate für große Emittenten wie Kraftwerke oder Stahl- und Zementhersteller zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass wegen der hohen Gaspreise die Kohlekraftwerke in der EU vermehrt laufen und der Stromsektor deswegen zu Zeit besonders viele Emissionen verursacht und daher auch besonders viele CO2-Zertifikate nachfragt. Nach langen Jahren mit einem CO2-Preis im einstelligen Bereich wegen eine Überangebots an CO2-Zertifikaten funktioniert das EU-Emissionshandelssystem nun so wie ursprünglich geplant.

In Deutschland wurde zudem Anfang 2021 eine CO2-Steuer für Benzin, Diesel und Heizöl eingeführt. Diese lag zunächst bei 25 Euro und steigt bis zum Jahr 2025 auf 55 Euro pro Tonne CO2 an. Rudolf Hickel, der Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen, schreibt daher: „Der Inflationseffekt ist vorprogrammiert.“ Hickel schätzt, dass die Klimapolitik letztes Jahr insgesamt 1,1 Prozentpunkte zur Inflationsrate in Deutschland beigetragen hat. Aus Sicht von Marcel Fratzscher dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist das nur folgerichtig: „Ein gewisses Maß an ‚Grüner Inflation‘ ist richtig und notwendig. Sie spiegelt eine Anpassung relativer Preise wider – die Preise für klimaschädliches Verhalten müssen steigen, um Anreize für Innovationen und alternative, ultimativ klimaneutrale Wirtschaftsprozesse zu setzen.“

Die preistreibende Wirkung der Energiewende ist allerdings nicht allein Folge der Klimapolitik, sondern auch dem Umstellungsprozess selbst geschuldet. Dafür gibt es wiederum drei Gründe: Investoren ziehen ihr Geld aus der Förderung von fossilen Energien ab. Daher steigen die Kapitalkosten fossiler Energiekonzerne und es werden weniger neue Vorkommen erschlossen. Solange die Nachfrage nach Öl, Kohle und Gas aber noch nicht deutlich zurückgegangen ist, sind diese Produkte daher knapper und somit teurer. Aber auch der Ausbau der Erneuerbaren kann preistreibend wirken. Plötzlich werden bestimmte Rohstoffe wie Kupfer oder Lithium in deutlich größeren Mengen gebraucht als zuvor. Doch auch hier benötigt der Ausbau der Förderkapazitäten Zeit. Bis dann sind die Preise relativ hoch, was letztlich die Investitionen in die Erweiterung eben dieser Förderkapazitäten treibt.

Schließlich sind einige klimafreundliche Produkte zumindest anfangs tatsächlich teurer als herkömmliche. Das gilt etwa für grünen Stahl, der mit Wasserstoff anstelle von Kokskohle hergestellt wird. Die Beratungsfirma Boston Consulting Group hat für acht besonders rohstoffintensive Branchen untersucht, was das für die Preise bedeutet: „Eine durchgängige Dekarbonisierung dieser Lieferketten würde mittelfristig die Kosten für den Endverbraucher um nur ein bis vier Prozent der erhöhen.“ Der Grund für diese geringe Preissteigerung über den jahrelangen Umstellungsprozess liegt im letztlich geringen Anteil der Rohstoffe am Endpreis. Ein Auto, das aus grünem Stahl hergestellt wird, sei nur zwei Prozent teurer als eines aus herkömmlichen Stahl.

Die meisten dieser Effekte sind allerdings vorübergehend. Öl und Gas sind nur knapp und relativ teuer so lange die Nachfrage noch da ist und Lithium und Kupfer bis das Angebot erhöht wurde. Edward Lees von der Großbank BNP Parisbas sagt über die Energiewende: „Mittelfristig ist sie immer noch deflationär, und darauf sollten sich die Menschen konzentrieren. Der Wind kostet nichts, die Sonne kostet nichts“. Hinzu kommt, dass die Energiewende auch aus der Perspektive der Preisstabilität nicht aufgeschoben werden sollte. Die Bank von England hat untersucht, welche Folgen zu erwarten sind, wenn die Energiewende im Jahr 2021 oder erst im Jahr 2031 beginnt. Beim sofortigen Beginn kann der Umstellungsprozess graduell erfolgen. Wenn dieser aber erst in zehn Jahren beginnt, müssen die Emissionen in einer Hauruckaktion gesenkt werden, was nicht nur zu einer Rezession sondern auch zu einem um zwei Prozentpunkte höheren Inflationsniveau führt.

Obwohl die Energiewende vorübergehen preistreibend wirkt, stellt sich schließlich die Frage, ob der Ausdruck „grüne Inflation oder auf Englisch „greenflation“ richtig ist. Solar- und Windstrom sind in den letzten Jahren massiv billiger geworden und werden weiter billiger. Was hingegen in der Energiewende teurer wird, sind insbesondere CO2-Emissionen. Der Finanzexperte Mauricio Vargas von Greenpeace schreibt daher auf Twitter: „Richtig ist, dass eine adäquate CO2-Bepreisung die Inflation erhöhen kann. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine ‚grüne‘ Inflation, sondern um die transparente Internalisierung der wahren Kosten der Nutzung von fossiler Energie – letztlich also um ‚fossile Inflation‘.“ Das gleiche gilt für die mögliche Verteuerung von fossilen Energieträgern, aus denen sich die Investoren zurückziehen. Einzig eine mögliche Verteuerung von Rohstoffen für die Erneuerbaren wie Kupfer wäre dann noch „grün“ und der eigentlich preistreibende Faktor wären die fossilen Brennstoffe.

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