Die Emissionen der Branche sollen auf dem Niveau von 2020 gedeckelt werden
Vor vier Jahren beschlossen die Länder der Welt die Emissionen des Luftverkehrs im Jahr 2020 als Maßstab zu nehmen. Dass eine Epidemie dann für den Ausfall Tausender Flüge sorgen würde, wurde dabei nicht bedacht.
Die Corona Epidemie sorgt dafür, dass in den kommenden Jahren mehr Geld in Klimaschutzprojekte investiert wird als erwartet. Der Grund dafür ist der Corsia-Mechanismus der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO. Dieser sieht vor, dass die CO2-Emissionen des internationalen Luftverkehrs auf dem Niveau des Jahres 2020 gedeckelt werden. Oder genauer: Auf dem Durchschnitt der Jahre 2019 und 2020. [1 s. Para 11b] Alle Emissionen, die darüber hinausgehen, müssen ab nächstem Jahr kompensiert werden, indem Fluggesellschaften in Klimaschutzprojekte investieren. Doch wie hoch wird der Wert sein, auf dem die Emissionen gedeckelt werden? Die beste Grundlage bietet hier eine Analyse des US-Thinktanks International Council on Clean Transportation. [2] Diese hat die CO2-Emissionen des Jahres 2018 betrachtet und die Emissionen nach internationalen und inländischen Flügen aufgeschlüsselt. Insgesamt war der Luftverkehr damals für 918 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich. Davon entfielen 60 Prozent auf internationale Flüge, also 550 Millionen Tonnen. Wenn man davon ausgeht, dass diese Emissionen weiterhin um 5,7 Prozent gewachsen wären, erhält man als Durchschnitt für die Jahre 2019 und 2020 Emissionen von 599 Millionen Tonnen CO2.
Wegen der Corona Epidemie sind die Flugbuchungen aber deutlich zurückgegangen. „Der Gang der Ereignisse in Folge von Covid-19 ist nahezu beispiellos“, sagt Alexandre de Juniac, der Chef des Verbands der Fluggesellschaften IATA. „Innert zwei Monaten haben sich die Aussichten für die Industrie dramatisch verschlechtert.“ [3] Wie stark zeigen zwei Szenarien des Verbands, die gestern veröffentlicht wurden. Sollte die Epidemie auf die acht Länder mit derzeit mehr als 100 Corona Fällen beschränkt bleiben, erwartet IATA einen Umsatzverlust der Branche von 11 Prozent. [3] Die acht Länder sind: China, Japan, Singapur, Südkorea, Italien, Frankreich, Deutschland und Iran. Sollte sich der Virus aber auch in den Ländern mit derzeit weniger als 100 Fällen ausbreiten, steigt der erwartete Umsatzverlust auf 19 Prozent. Wenn man davon ausgeht, dass die Emissionen parallel mit dem Umsatz der Fluglinien zurückgehen, lassen sich die zu erwartenden Emissionen berechnen: Im Durchschnitt der Jahre 2019 und 2020 sind dann noch mit Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr 564 respektive von 540 Millionen Tonnen CO2 zu rechnen. Diese Werte liegen um 35 respektive um 59 Millionen Tonnen unter dem Wert, der ohne Corona Epidemie zu erwarten war. Die Fluggesellschaften müssen daher in Zukunft jedes Jahr 35 bis 59 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich kompensieren. Das sind sechs bis zehn Prozent der Emissionen im vergangenen Jahr.
Entwickler von Klimaschutzprojekten können sich also auf eine deutlich höhere Nachfrage nach ihren Diensten freuen, als noch vor wenigen Wochen absehbar war. Bislang wurde damit gerechnet, dass die Luftfahrt in den Jahren 2021 bis 2035 insgesamt 2,7 Milliarden Tonnen CO2 kompensieren muss, wie eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt. [4 s. S. 26] Durch Corona kommen in diesen Jahren nun 525 bis 885 Millionen Tonnen dazu. Das heißt die Nachfrage nach CO2-Zertifikaten aus Klimaschutzprojekten ist um 20 bis 33 Prozent grösser als erwartet. Das bedeutet allerdings nicht, dass tatsächlich mehr für den Klimaschutz gemacht wird. Noch hat ICAO nicht entschieden, welche CO2-Zertifikate genutzt werden können. Wenn auch Zertifikate aus alten Klimaschutzprojekten zugelassen werden, dann besteht ein massives Überangebot – mit oder ohne Corona Effekt. mic
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[2] icct, September 2019: CO2 emissions from commercial aviation, 2018 (PDF)
[3] IATA, 05.03.2020: COVID-19 Financial Impacts – Relief Measures Needed
[4] UBA, Oktober 2019: Offset credit supply potential for CORSIA (PDF)