Schiedsgerichte für Europa

Knapp 200 bilaterale Verträge zwischen EU-Ländern sehen Schiedsgerichte vor

Auch im EU-Binnenmarkt haben manche Investoren Sonderrechte. Diese stammen aus den 90er Jahren und gehören aus Sicht der EU-Komission abgeschafft.

Es war der wilde Osten. Nach dem Fall der Mauer investierten Firmen aus der EU in den nun offenen Ländern Osteuropas. Um Auslandsinvestitionen zu fördern, schlossen diese Länder Bilaterale Investitionsabkommen BITs (von englisch Bilateral Investment Treaties) mit EU-Ländern ab. Diese BITs sehen meist Schiedsgerichte vor, wenn es zum Streit zwischen einem Staat und einem Investor kommt. In den Jahren 2004 und 2007 traten die meisten osteuropäischen Länder dann der EU bei. Doch die BITs blieben in Kraft. Heute gibt es knapp 200 BITs zwischen EU-Staaten, vor dem Jahr 2004 gab es zwei. Die vielen BITs sind der EU-Kommission ein Dorn im Auge: „Intra-EU BITs gewähren den Investoren aus manchen EU-Ländern Rechte auf bilateraler Basis. Derartige Diskriminierung aufgrund der Nationalität ist mit EU-Recht nicht vereinbar.“ [1] Von daher ist klar: Intra-EU BITs „müssen beendet werden.“ [1]

Schwieriges Umfeld: Anfangs hatten Investoren noch Mühe in den mitteleuropäischen Ländern. Mit deren EU-Beitritt hat sich dies geändert. (Foto: SSgt. F. Lee Corkran / Wikimedia)
Schwieriges Umfeld: Anfangs hatten Investoren noch Mühe in den mitteleuropäischen Ländern. Mit deren EU-Beitritt hat sich dies geändert. (Foto: SSgt. F. Lee Corkran / Wikimedia)

Doch dies ist nicht so einfach. ‚Sonnenuntergangsklauseln‘ sorgen dafür, dass die Regeln der BITs erst 10 bis 20 Jahre nach Beendigung auch tatsächlich auslaufen. Diesem Problem wollen Deutschland und vier weitere EU-Länder begegnen, indem ein europaweiter Investorenschutz eingeführt wird. [2] Damit könnten die ‚Sonnenuntergangsklauseln‘ sofort wegfallen. Langfristig wollen die fünf Länder einen EU-Investitionsgerichtshof schaffen. Bis dieser steht, soll der ‚Permanent Court of Arbitration‘ PCA in Den Haag, Streitfälle zwischen EU-Investoren und EU-Ländern entscheiden. Beim PCA handelt es sich allerdings nicht um einen Gerichtshof (permanent court) sondern um eine Verwaltung, die Schiedsgerichte (arbitration) organisiert. Alle EU-Länder sind dort bereits Mitglied und haben Schiedsrichter nominiert. Daher sei die PCA-Lösung „nicht nur schnell zu implementieren, sondern auch sehr kostengünstig“. [2]

Für einen besonderen Investorenschutz innerhalb der EU machen die Initianten derweil zwei Gründe geltend: Zum einen könne nur so sicher gestellt werden, dass EU-Investoren keinen Nachteil gegenüber Firmen aus Drittländern haben. Sonst wäre etwa ein kanadischer gegenüber einem deutschen Investor in Polen im Vorteil, da Polen und Kanada ein BIT abgeschlossen haben. Dass ein polnischer Investor in Polen keinen deratigen Schutz geniesst, bleibt allerdings unerwähnt. Zum anderen soll durch den EU-internen Investorenschutz sichergestellt werden, dass die EU-Handelspolitik nicht unterminiert wird: „Wenn man behauptet, dass innerhalb der EU deratige Regeln nicht nötig sind, dann wäre es noch schwieriger für Investitionskapitel in Freihandelsverträgen zu argumentieren.“ [2] Ein Grossteil der Zivilgesellschaft ist dennoch nicht überzeugt: „Dieser Vorschlag würde Schiedsgerichte in der EU institutionalisieren und Firmen unakzeptable Macht geben – Firmen, für die Profite wichtiger sind als unsere Gesundheit, die Umwelt oder soziale Belange.“, sagt Amélie Canonne, ein Mitglied des freihandelskritischen ‚Seattle to Brussels Network‘. [3] mic

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[1] EU-Komission, 18.06.2015: Commission asks Member States to terminate their intra-EU bilateral investment treaties

[2] Deutschland et al., 07.04.2016: Intra-EU Investment Treaties/Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands (PDF)

[3] tni, 19.05.2016: Leaked documents show five EU Member States attempting to institutionalise ISDS throughout Europe